Zusammenfassung
Der Schutz der Menschenrechte durch die internationale Gemeinschaft ist keine Erfindung unseres Jahrhunderts und schon gar nicht eine des Völkerbundes. Minderheiten sind, über die Jahrhunderte gesehen, häufig verfolgt worden und als Folge davon ebenso oft unter staatlichen und zwischenstaatlich vereinbarten Schutz gestellt worden. Nur die Beweggründe für Minderheitenschutz wechselten von Epoche zu Epoche. Sie ermöglichten immer nur einen zeitlich und auf bestimmte Minderheiten begrenzten Rechtsschutz. In der Frage der Umsetzung neuer Regeln des Minderheitenschutzes auf der Grundlage veränderter Motivationen setzte allerdings der Völkerbund neue Akzente.
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Literatur
Vgl. E. Flachbarth, System des internationalen Minderheitenrechts, Budapest 1937, S. 2;
H. Wintgens, Der völkerrechtliche Schutz der nationalen, sprachlichen und religiösen Minderheiten, Stuttgart 1930, S. 62.
Siehe J. Fouques-Duparc, Minorités de race, de langue et de religion, Paris 1922, S. 75.
Zu den Hugenotten-Edikten in Frankreich vgl. Wintgens (Anm. 1), S. 64 f.
Zur Situation der jüdischen Einwanderer in Hamburg vgl. H. Kellenbenz, Unternehmenskräfte im Hamburger Portugal- und Spanienhandel 1590–1625, Hamburg 1952, S. 241 sowie
J. Ellermeyer, Schranken der Freien Reichsstadt, in: P. Freimark/A. Herzig (Hrsg.), Die Hamburger Juden in der Emanzipationsphase 1780–1870, Hamburg 1989, S. 175; s. dort auch das Hamburger Reglement von 1710, S. 312.
Vgl. Art. 1 II; G. F. Martens, Nouveau Recueil Général de traites et autres actes relatifs aux Raports de droit international (NRG), Bd. 2, Leipzig, S. 379; vgl. hierzu Fouques-Duparc (Anm. 2), S. 114 (zur weiteren Entwicklung des internationalen Schutzes der polnischen Nation) und S. 122.
Vgl. (in) Martens, Recueil Général de traites et autres actes relatifs aux reports de droit international RG, 2me. Série, Bd. 3, Leipzig, S. 449; Art. 5, 27, 35, 44, 45, 62.
Art. 61, 4, in: G. F. Martens (NRG) 2, Bd. 3, S. 449. Vgl. auch Fouques-Duparc (Anm. 2), S. 118.
So die eingewanderten Reformierten in Brandenburg, siehe R. von Thadden, Erinnerung an das Schicksal der Hugenotten, in: Süddeutsche Zeitung (Feuilleton-Beilage) v. 19720.10.1985.
Vgl. H. St. Commager (ed.), Documents of American History, New York 1949, S. 317;
J. Robinson et. al., Were the Minorities Treaties a Failure?, New York 1943, S. 3 ff.
300.000 Bulgaren, Griechen und Muslime wurden aus Mazedonien und Westthrazien vertrieben. 350.000 Griechen trieb 1914 die Jungtürkenbewegung zur Flucht aus Westthrazien, ebenso 150.000 Griechen aus Kleinasien. 85.000 Griechen wurden in das Innere Kleinasiens deportiert. Umgekehrt mußten 115.000 Türken aus Griechenland und 135.000 Türken aus anderen Balkanstaaten ihre Heimat verlassen. 1916 deportierte Bulgarien 36.000 Griechen aus Mazedonien, während die türkische Regierung die Deportationen von Armeniern und Griechen nach Inneranatolien fortsetzte. Nach dem Waffenstillstand 1918 kehrte ein Teil der deportierten Griechen, etwa 230.000, nach Ost- und Westthrazien sowie nach Kleinasien zurück. Die folgenden Jahre sahen neue Vertreibungen und Massenausweisungen: 1919/20 flohen 60.000 Griechen aus Rußland, 1919 vereinbarten Griechenland und Bulgarien einen Bevölkerungsaustausch zwangsweise (vgl. League of Nations, Treaty Series, Bd. 1, S. 67). Den bis dahin größten Bevölkerungstransfer jedoch hatte der griechisch-türkische Krieg 1922 im Gefolge: 1 Million Griechen, darunter noch einige Tausend Armenier, wurden aus Kleinasien zur Flucht nach Griechenland gezwungen. Unter der Aufsicht der Gemischten Kommission des Vertrages von Lausanne (30.1.1923, in: G. F. Martens, [NRG] 3, Bd. 13, S. 422) mußten dann noch einmal 150.000 Griechen die Türkei und 400.000 Türken Griechenland verlassen. Vgl. St. P. Ladas, The Exchange of Minorities — Bulgaria, Greece and Turkey, New York 1932, S. 15,
unter Bezug auf A.A. Pallis, Statistical Study of the Racial Migrations in Macedonia and Thrace, 1912–1924, Athens 1925.
Zum Vergleich: Heute werden nur 1–1,5 Millionen der polnischen Gesamtbevölkerung von 38 Millionen als Minderheitenangehörige registriert; vgl. M. Hoskova, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Polen, in: J. A. Frowein/R. Hofmann/St. Oeter (Hrsg.), Das Minderheitenrecht europäischer Staaten, Teil 1, Berlin u. a. 1993, S. 258 f.
Eine Statistik des Zahlenverhältnisses von Majoritäten und Minoritäten in Europa für die Zwischenkriegszeit findet sich in: Encyclopedia Britannica, Bd. 2, London u. a. 1926, S. 931, zit. in: J. Roucek, The Working of the Minorities System under the League of Nations, Prague 1929, S. 15.
In diesem Sinne unmißverständlich Wilsons Berater Oberst House in seiner halboffiziellen Auslegung des 14-Punkte-Programms; vgl. Commager (Anm. 9), S. 319 ff.
Das polnische Nationalkommittee lehnte den Vorschlag Friedrich Wilhelm IV. auf Teilung der Provinz Posen ab und bestand auf Autonomie der gesamten Provinz. Die Paulskirchenabgeordneten ihrerseits dachten nicht an Vielvölkerstaat, schon gar nicht nach den Erfahrungen des Posener Aufstands, sondern an die Schaffung einer deutschen Nation; siehe B. Rill, Deutsche und Polen — Die schwierige Nachbarschaft, Puchheim 1981, S. 119 f.; zum Nationalitätenprinzip und seiner Entwicklung in der Geschichte siehe zusammenfassend Flachbarth (Anm. 1), S. 122–132.
Siehe Robinson (Anm. 9), S. 9. Zur Lage der Juden in Polen vgl. auch Clemenceau in der Mantelnote (Ziff. VI) zum polnischen Minderheitenvertrag; vgl. Wintgens (Anm. 1), S. 119; Flachbarth (Anm. 1), S. 106; Robinson (Anm. 9), S. 21.
Memorandum of the Committee of Jewish Delegations at the Peace Conference, Paris, May 10, 1919, in: Robinson (Anm. 9), S. 319.
Siehe dazu Roucek (Anm. 12), S. 71 ff.
G. Erler, in: Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 2 (1961), S. 531.
Vgl. Robinson (Anm. 9), S. 154 ff. Das Fehlen der Allgemeinheit des Minderheitenschutzes beklagte auch Ungarn; vgl. A. v. Balogh, Der internationale Schutz der Minderheiten, München 1928, S. 266; ausführlich zu den Widerständen der Minderheitenstaaten Roucek (Anm. 12), S. 33.
Vgl. Flachbarth (Anm. 1) S. 76 ff. und S. 91 ff.
Für Schleswig siehe die Bestimmungen des Versailler Vertrages in Art. 112 und 113, für Polen und Deutsche s. Art. 91; (Text) in: F. L. Israel (ed.), Major Peace Treaties of Modern History 1648–1967, Bd. 2, New York 1979, S. 1265. Eine Sonderregelung galt auch für das Memelgebiet aufgrund Art. 99 des Vertrages von Versailles. Sie betraf dann aber nach der Annexion des Gebietes durch Litauen 1923 nur noch das Verhältnis Litauen — Völkerbund; siehe Flachbarth (Anm. 1) S. 73 und 103.
Abkommen vom 15.5.1922, RGBl. 1922 II S. 237; vgl. Wintgens (Anm. 1), S. 355 et passim.
So auch C. Gütermann, Das Minderheitenschutzverfahren des Völkerbunds, Berlin 1979, S. 16.
Vgl. (in) Martens (Anm. 5), 3me Série, Bd. 13, S. 504; abgedruckt auch bei Robinson (Anm. 9), S. 313 und Wintgens (Anm. 1), S. 350.
Siehe dazu die Mantelnote Clemenceaus an Paderewski vom 24.6.1919 (Anm. 15). Zu den Minderheitenschutzverträgen mit Jugoslawien und der Tschechoslowakei (10.9.1919), Rumänien (9.12.1919) und Griechenland (10.8.1920) siehe Flachbarth (Anm. 1), S. 71 ff. und Roucek (Anm. 12), S. 46 ff.
Art. 4 der Völkerbundsatzung.
Ausführlich dargestellt bei Flachbarth (Anm. 1), S. 159 ff.
So der Ratsbeschluß vom 25.10.1920 (auf der Grundlage des Tittoni-Berichtes vom 22.10.1920); siehe Wintgens (Anm. 1), S. 332 und Gütermann (Anm. 24), S. 340.
So die Note des Generalsekretärs vom 10.6.1926 an den Rat; siehe Wintgens (Anm. 1), S. 309.
Vgl. H. Hecker, Schleswig und die Entwicklung des Selbstbestimmungsrechtes und des Minderheitenschutzes, Hamburg 1948, S. 74.
Vgl. Gütermann (Anm. 24), S. 346. Siehe auch die Tabelle bei Robinson (Anm. 9), S. 128. Zu den Annehmbarkeitskriterien siehe Anm. 30.
Ratsbeschluß vom 5.9.1923 (auf der Grundlage des Berichtes Rio Branco vom selben Tage); siehe Gütermann (Anm. 24), S. 342; Fouques-Duparc (Anm. 2), S. 311; Wintgens (Anm. 1), S. 308 ff. und S. 330.
Siehe Anm. 34.
Vgl. Hecker (Anm. 32).
Siehe Wintgens (Anm. 1), S. 311, und ausführlich Gütermann (Anm. 24), S. 193.
Vgl. Robinson (Anm. 9), S. 127.
Vgl. Gütermann (Anm. 24), S. 49.
Wintgens (Anm. 1), S. 326 f.
Zum Vergleich: Aus Oberschlesien kamen 100 Petitionen, von denen 71 den polnischen Teil und 29 den deutschen Teil betrafen; s. Gütermann (Anm. 24), S. 346.
Die Resolution vom 10.6.1925 erging auf der Grundlage des Rapport Mello-Franco; siehe Gütermann (Anm. 24), S. 75, 81 f. und 343.
Siehe ebenda, S. 341.
Siehe dazu ausführlich Robinson (Anm. 9), insbesondere S. 197 et passim.
Zu dem Problem der Anerkennung eines neuen Staates und einer durch die Auflagen der Minderheitenschutzverträge eingeschränkten Souveränität siehe ausführlich Roucek (Anm. 12), S. 58 ff.
Art. 2, Vertrag vom 24.4.1926; RGBl. 1926 II No. 30 und Martens, (NRG), 3me. Série, Bd. 16, S. 32. Irritierend auch Stresemanns Begleitnote zum Vertrag, in der die Reichsregierung schon im voraus Abstand zu nehmen verspricht von Sanktionen des Völkerbunds nach Art. 16 der Völkerbundsatzung, wenn diese sich gegen die Sowjetunion richten; siehe ebenda, S. 34.
Art. 74 und 131; siehe Anm. 23. Der deutsch-polnische Streit wurde vom Ständigen Internationalen Gerichtshof am 26.4.1926 durch Urteil, allerdings mit einer ambivalenten und unbefriedigenden Begründung, zugunsten Polens entschieden (PCIJ Séries A/No 15).
Vgl. Gütermann (Anm. 24), S. 117 f. und 123. Beunruhigend mußte auch Stresemanns Brief an den Kronprinzen wirken, in dem er außer dem Schutz der deutschen Minderheit in Polen auch die “Korrektur der Ostgrenzen” als Hauptziel der deutschen Außenpolitik darstellte; siehe Rill (Anm. 14), S. 148.
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Weber, H. (1996). Der Minderheitenschutz des Völkerbundes. In: Mohr, M. (eds) Friedenssichernde Aspekte des Minderheitenschutzes in der Ära des Völkerbundes und der Vereinten Nationen in Europa. Schriftenreihe der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-80273-7_1
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