Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund des 1976 in Kraft getretenen Landeswaldgesetzes für Baden-Württemberg hatte sich die Forstpolitik des Landes in den vergangenen Jahren unter anderem mit folgenden Entwicklungen auseinanderzusetzen:
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1.
Durch einen wirksamen Einsatz der gesetzlichen Genehmigungspflicht für Waldumwandlungen und umfangreiche Neuaufforstungen hat die Waldfläche Baden-Württembergs zugenommen; problematisch bleibt die Waldzunahme in den ohnehin waldreichen Gebieten.
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2.
Während insbesondere bei den jüngeren Waldbeständen des größeren Waldbesitzes eine deutliche Hinwendung zu strukturreicheren, naturnahen Aufbauformen feststellbar ist, hält beim kleinen Privatwaldbesitz die Tendenz, Nadelholzreinbestände zu begründen, fast unvermindert an. Belastungen des Waldzustandes ergeben sich zum einen aus den unvermindert wirksamen Schadstoffeinträgen und zum anderen durch die in weiten Teilen des Landes zu hohen Schalenwildbestände.
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3.
Merkliche Veränderungen der Waldbesitzstruktur sind insbesondere im Kleinprivatwald feststellbar. Mit den bekannten agrarstrukturellen Veränderungen vollzieht sich ein Wandel vom traditionellen Bauernwald hin zu einem ungünstig strukturierten Klein- oder Kleinstwaldbesitz, dessen Bewirtschaftung umso problematischer wird, je mehr sich die jeweilige Waldbesitzergeneration von ihrem Eigentum gedanklich, fachlich und räumlich entfernt. Das Ergebnis ist das Entstehen einer „forstlichen Sozialbrache“, die schon heute einen erheblichen Anteil des Privatwaldes in Baden-Württemberg umfaßt.
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4.
Vor dem Hintergrund der gegebenen Waldeigentumsstrukturen, der nationalen und internationalen Marktkonkurrenz und den ständig steigenden Lohnkostenbelastungen können auch vorübergehende Erholungsphasen nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die gesamte Forstwirtschaft in einer tiefgreifenden Ertragskrise befindet. Die bisherigen Reaktionen der Forstbetriebe bzw. Forstverwaltungen zielen auf so umfangreiche Einsparungen ab, daß die Gewährleistung einer naturnahen Waldbewirtschaftung und die Erfüllung weitergehender forstlicher Dienstleistungen zumindest teilweise fraglich erscheint.
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5.
In den Wäldern Baden-Württembergs sind derzeit rd. 328 Mio/t Kohlenstoff gespeichert. Diese Menge vermehrt sich durch die laufende Zunahme der Holzvorräte um jährlich 0,9 Mio/t C/Jahr. Durch geeignete Maßnahmen auf dem forst- und holzwirtschaftlichen Sektor könnten jährlich bis zu 14% der C-Emissionen des Landes Baden-Württemberg eingebunden oder eingespart werden.
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6.
6. Die günstige Wirkung einer Holznutzung in langlebigen Produkten für den Kohlenstoffhaushalt und die Tatsache, daß zur Bereitstellung eines Kubikmeters trockenen Holzes nur 2,6% seiner Eigenenergie durch Fremdenergie zugeführt werden muß, berechtigen zu der Aussage, daß es keine ökologisch vertretbare Alternative zur Holznutzung gibt. Die seit Jahren nur unvollständige Nutzung des jährlichen Holzzuwachses ist daher in globalökologischer und ressourcenökonomischer Hinsicht kaum zu rechtfertigen.
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7.
Der Flächenumfang der auf Arten- und Biotopschutz ausgerichteten Schutzgebiete und der Wasserschutzgebiete hat in den Wäldern des Landes während der letzten 20 Jahre in erheblichem Umfang zugenommen. Diese Entwicklung ist in jedem Fall mit Einschränkungen oder zumindest einer Festschreibung der bisherigen Bewirtschaftungsform verbunden. Infolge dieser Entwicklung hat sich eine intensive Diskussion über die Verfügungsrechte des Eigentümers bzw. über den Ausgleich von Eigentumsinhaltsbeschränkungen entwickelt.
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8.
Die Zieldiskussion in der Forstwirtschaft wird derzeit von der Frage dominiert, welches Maß an Naturnähe der Waldbewirtschaftung ökonomisch tragbar bzw. umgekehrt, welche kritischen ökologischen Grenzen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft eingehalten werden können.
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