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Veränderungen des Hämostasesystems bei malignen Erkrankungen und deren klinische Bedeutung

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Malignome und Hämostase
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Zusammenfassung

Die klinische Bedeutung paraneoplastischer Hämostasestörungen zeigt sich in der Tatsache, daß hämostaseologische Komplikationen nach den Infektionen die zweithäufigste Todesursache des Tumorpatienten darstellen. Die Gesamtinzidenz manifester Thrombosen beim Tumorpatienten liegt in Abhängigkeit von der Tumorart bei 5–15%. Es führen Lungen- und Pankreastumoren. Jede ätiologisch unklare Thromboembolie muß Anlaß zur Tumorsuche geben. Pathophysiologisch kann als zentraler Mechanismus eine Kombination aus einer Gerinnungsaktivierung durch Tumorprokoagulanzien oder monozytärem Gewebsfaktor und einer Akute-Phase-Reaktion angenommen werden. Die Gerinnungsaktivierung mit Fibrinbildung erfolgt extravaskulär im Tumorgewebe. Dabei wirkt Thrombin nicht nur als Gerinnungsenzym, sondern auch als Gewebshormon. Diese Wirkung des Thrombin als Gewebshormon ist als biochemisches Substrat der Tumorzellenthrombose anzusehen, die als Leitschiene der Tumorausbreitung zu gelten hat. Molekulare Marker der Gerinnungsaktivierung (FPA, TAT, F1 + 2, Fibrinmonomer und D-Dimer) werden in die Blutbahn ausgeschwemmt und sind dort nachweisbar. Die Gerinnungsaktivierung ist meist geringgradig (subklinisch) und erfordert zu ihrem Nachweis empfindliche Bestimmungsmethoden für diese molekularen Marker. Die Akute-Phase-Reaktion induziert eine Hyperfibrinogenämie, eine Hypofibrinolyse durch Anstieg des Plasminogen-Aktivator-Inhibitors (PAI-1) und eine Thrombozytose. Im Rahmen einer Tumortherapie (Operation, Zytostatika- und Strahlentherapie) kommt es zur Akzeleration der Gerinnungsstörung, welche die klinisch eindeutig nachgewiesene erhöhte Thromboseinzidenz in dieser Phase erklärt. Die Freisetzung von Tumorprokoagulanzien beim Zellzerfall zytostatikasensibler Tumoren oder im Rahmen einer Strahlentherapie spielt sicherlich eine entscheidende Rolle. Vom Tumorzerfall unabhängige Mechanismen, wie Akute-Phase-Reaktion, Endothelzellschädigung oder Plättchenaktivierung, dürften ebenfalls wirksam sein, zumal Thrombosen auch bei fehlender oder minimaler Tumormasse (unter adjuvanter Chemotherapie) beobachtet werden. Die klinische Konsequenz aus den angeführten klinischen Beobachtungen und biochemischen Analysen ist die Einleitung einer antithrombotischen Prophylaxe (Heparin, Cumarine, Plättchenfunktionshemmer), um auf diese Weise einerseits der paraneoplastisch entstandenen Thromboseneigung entgegenzuwirken und andererseits hemmend auf den pathophysiologischen Mechanismus der Tumorzellenthrombose als Leitschiene der Tumorausbreitung einzuwirken. Eine konsequente Thromoboembolieprophylaxe verbessert möglicherweise die Prognose desjenigen Tumorpatienten, bei dem eine erfolgversprechende onkologische Therapie möglich ist, wie erste klinische Studien zeigen. Nach bisherigen Ergebnissen sind die Möglichkeiten einer adjuvanten Antikoagulanzientherapie zur direkten Beeinflussung des Tumorwachstums und der Tumorausbreitung in ihrem Erfolg auf einzelne Tumorerkrankungen beschränkt.

Trousseau (1865) beschrieb bereits vor über 100 Jahren die Thrombophlebitis bzw. Phlebothrombose als wichtiges paraneoplastisches Syndrom. Die Bedeutung von Hämostasestörungen für den Tumorpatienten zeigt sich in der Tatsache, daß Thrombosen und Blutungen hinter den Infektionen an zweiter Stelle in der Häufigkeit der Todesursachen folgen, wie eine Sektionsstatistik an 2 696 Fällen zeigt (Tabelle 1, Berger u. Freudenberg 1983). Die Gesamtinzidenz von klinisch manifesten Thrombosen bei Tumorpatienten liegt bei 5–15% (Ambrus u. Ambrus 1976; Rickels u. Edwards 1983). Bei Autopsien werden sogar in 50% der Fälle mit malignen Erkrankungen Lungenembolien gefunden (Rickels u. Edwards 1983). Verschiedene Tumorarten gehen unterschiedlich häufig mit thromboembolischen Komplikationen einher. Es führen dabei Lungen- und Pankreastumoren (Tabelle 2, Rickels u. Edwards 1983).

Mit klinisch manifester disseminierter intravaskulärer Gerinnung ist in über 80% bei akuten Promyelozytenleukämien, seltener bei anderen Formen der Leukämie und in Einzelfällen bei metastasierten Tumoren wie Pankreas- oder anderen Adenokarzinomen zu rechnen.

Nichtbakterielle thrombotische Endokarditiden kommen als verruköspolypöse Thrombozyten- und Fibrinablagerungen auf morphologisch oft kaum veränderten Schließungsrändern der Mitral- und Aortenklappen in 1–5% bei Adenokarzinompatienten vor und geben zu arteriellen Embolien Anlaß (Bick 1978). Mikroangiopathische hämolytische Anämien (MAHA) sind als Komplikation bei metastasierten Mammakarzinomen oder Adenokarzinomen des Magen-Darm-Trakts in bis zu 5% beschrieben (Lohrmann et al. 1973).

Maligne Paraproteinämien führen selten zur hämorrhagischen Diathese durch Fibrinpolymerisationsstörung, Thrombozytenfunktionsstörung oder Inhibitoren gegen Gerinnungsfaktoren (Rasche 1988). Weiterhin sind in der Literatur bisher ca. 50 Patienten mit einem erworbenen Willebrandt-Syndrom überwiegend bei malignen Lymphomen beschrieben (Rasche 1988).

Die Häufigkeit von Hämostasestörungen im Verlauf einer zytostatischen Tumortherapie ist Tabelle 3 zu entnehmen, Dies betrifft Patienten mit Mammakarzinom, M. Hodgkin, Prostatakarzinom und Leukämien (Levine et al. 1988; Zurborn u. Bruhn 1990).

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Bruhn, H.D., Zurborn, KH. (1996). Veränderungen des Hämostasesystems bei malignen Erkrankungen und deren klinische Bedeutung. In: Spanuth, E. (eds) Malignome und Hämostase. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-79744-6_1

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