Das erste Jahr nach Entdeckung der Röntgenstrahlen

Zusammenfassung

Röntgens Entdeckung führte dazu, daß sich weltweit viele Naturwissenschaftler, Mediziner und Ingenieure spontan mit dem Komplex Röntgenstrahlen auseinandersetzten. Bis zum März 1896 wurden z. B. allein von der Pariser Akademie der Wissenschaften etwa 20 Vorträge zum Themenkreis Röntgenstrahlen gehalten. In seiner bereits erwähnten zweiten Mitteilung über „Eine neue Art von Strahlen“ (vgl. S. 5) beschreibt Röntgen am 9. März 1896 ausführlich die Ionisationswirkung der X-Strahlen bei Gasen und den starken Einfluß des den Kathodenstrahl bremsenden Materials auf die Intensität der entstehenden X-Strahlen. Ferner nennt er Einzelheiten eines neu entwickelten Entladungsapparates mit einem Aluminiumhohispiegel als Kathode, in dessen Brennpunkt ein gegenüber der Spiegelachse um 45° geneigtes Platinblech als Anode angebracht war. Bis Ende 1896 lassen sich mehr als 1100 Veröffentlichungen nachweisen, die sich auf Röntgens Entdeckung beziehen. Ein solches Phänomen war bis dahin in der Entwicklungsgeschichte der Wissenschaften noch nie aufgetreten. Es belegt eindrücklich das Aufsehen, das die neuen Strahlen in und außerhalb der Fachweit erregten. Die meisten dieser Arbeiten waren unbedeutend und haben heute höchstens noch ein gewisses historisches Interesse. 1896 erschienen aber durchaus auch schon sehr bemerkenswerte Beiträge zu den Eigenschaften und zu der Natur, zu der Erzeugung und zu dem Nachweis sowie zu den Anwendungsmöglichkeiten der Röntgenstrahlen in Medizin und Technik. Dabei überwogen am Ende des Jahres die aus England, Frankreich und den USA stammenden Beiträge bei weitem die deutschen. O. Classer hat in seinem Buch Wilhelm-Conrad Röntgen und die Geschichte der Röntgenstrahlen faszinierende Einzelheiten zu dieser Entwicklung beschrieben und ein vollständiges „Verzeichnis der im Jahre 1896 veröffentlichten Bücher und Broschüren“ sowie der „veröffentlichten Arbeiten über Röntgenstrahlen“ zusammengestellt (Glasser 1959). Ein kurzes Eingehen auf einige dieser Arbeiten vermittelt einen Eindruck von der damals bestehenden ungewöhnlichen Situation.