Zusammenfassung
In diesem Beitrag versuche ich, den in der Familiensoziologie beschriebenen Wandel der Formen familialer Kommunikation zurückzuführen auf funktionale Differenzierung zwischen intimcodierten Partnerschaftssystemen und pädagogisch codierten Eltern-Kind-Systemen. In der aktuellen familiensoziologischen Diskussion in der BRD besteht wohl Konsens, daß die Beschreibung des Verhaltens im Bereich von Elternschaft, Partnerschaft und Haushaltsbildung, die mit Hilfe amtlicher Statistik und soziologischer Verlaufsstudien angefertigt werden kann, sich stark unterscheidet von dem seit dem 18. Jh. in Europa aufgekommenen (und weltweit verbreiteten) Ideal der bürgerlichen Familie. Allerdings werden die Unterschiede kontrovers bewertet, von manchen Autoren als Untergang der Familie, von anderen als Fortsetzung in gewandelten Formen gedeutet. In der alltagssprachlichen Entwicklung gibt es viele Anzeichen dafür, daß diejenigen Recht behalten, die den alten Begriff der Familie — der die Koppelung von Elternschaft, Liebespartnerschaft und Haushaltsführung in einem Sozialsystem unterstellt — aufgeben und dafür plädieren, als Familie nur noch die Wohngemeinschaft von Eltern und Kindern zu bezeichnen. Diese Auffassung wird gestützt durch empirische Beobachtungen der neueren Familiensoziologie, wonach die Form der Ehe heute nicht mehr als Selbstverwirklichungsbedingung i.S. des Liebesideals, dafür aber umso nachdrücklicher als Sozialisationsbedingung für den Nachwuchs gewählt wird. Dabei handelt es sich m.E. nicht um eine “zweite Wahl”, sondern auch um die Entfaltung eines Selbstverwirklichungsprojekts, das an die klassischmodernen Motive bürgerlicher Familienbildung anknüpft, sie unter veränderten Bedingungen respezifiziert und in pädagogischer Hinsicht sogar steigert.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Badinter E (1984) Die Mutterliebe. Geschichte eines Gefühls vom 17.Jahrhundert bisheute. Pieper, München
Pieper, München Beck U, Beck-Gernsheim E (1990) Das ganz normale Chaos der Liebe. Suhrkamp, Frankfurt/M.
Bernfeld S (1967) Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung, 1.Aufl. 1925. Suhrkamp, Frankfurt/M.
Bowlby J (1980) Bindung. Eine Analyse der Mutter-Kind-Beziehung. Kindler, München
Ciaessens D (1967) Familie und Wertsystem. Eine Studie zur “zweiten, soziokulturellen Geburt” des Menschen. Duncker & Humblot, Berlin.
Doehlemann M (1979) Von Kindern lernen. Zur Position des Kindes in der Welt der Erwachsenen. Juventa Materialien, München
Erikson EH (1966) Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit. In: Identität und Lebenszyklus. Drei Aufsätze. Suhrkamp, Frankfurt/M.
Giesecke H (1991) Vermutungen über die Zukunft der Familie. Pädagogik 7–8:6–9
Leupold A (1983) Liebe und Partnerschaft: Formen der Codierung von Ehen. Zeitschrift für Soziologie 4:297–327
Luhmann N (1982) Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. Suhrkamp, Frankfurt/M.
Luhmann N (1990a) Die Wissenschaft der Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt/M.
Luhmann N (1990b) Glück und Unglück der Kommunikation in Familien: Zur Genese von Pathologien. In: Soziologische Aufklärung 5. Westdt. Verlag, Opladen, S 218–227
Luhmann N (1990c) Sozialsystem Familie. In: Soziologische Aufklärung 5. Westdt. Verlag, Opladen, S 196–217
Luhmann N (1991) Das Kind als Medium der Erziehung. Zeitschrift für Pädagogik 1: Nave-Herz R (1988) (Hrsg) Wandel und Kontinuität der Familie in der BRD. Enke, Stuttgart
Parsons T (1975) Gesellschaften. Evolutionäre und komparative Perspektiven. Suhrkamp, Frankfurt/ M.
Prange K (1991) Intention als Argument. In: Luhmann N, Schorr (Hrsg) (1992) Zwischen Absicht und Person. Fragen an die Pädagogik. Suhrkamp, Frankfurt/M., S 58–101
Schwab D (1975) Familie. In: Brunner O, Conze W, Koselleck R (Hrsg) Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland Bd. 2. Klett-Verlag, Stuttgart, S 253ff
Tyrell H (1987) Romantische Liebe — Überlegungen zu ihrer “quantitativen Bestimmtheit”. In: Baecker D et al. (Hrsg) Theorie als Passion. Suhrkamp, Frankfurt/M., S 570–590
Tyrell H (1988) Ehe und Familie — Institutionalisierung und Deinstitutionalisierung. In: Lüscher K et al. (Hrsg) Die “postmoderne” Familie: Familiale Strategien und Familienpolitik in einer Übergangszeit. Universitätsverlag, Konstanz, S 145–156
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1994 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this paper
Cite this paper
Gilgenmann, K. (1994). Romantische Liebe und Liebe zum Kind. Zur Differenz der Codierung von Partnerschaft und Elternschaft. In: Herlth, A., Brunner, E.J., Tyrell, H., Kriz, J. (eds) Abschied von der Normalfamilie?. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-78381-4_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-78381-4_5
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-642-78382-1
Online ISBN: 978-3-642-78381-4
eBook Packages: Springer Book Archive