Zusammenfassung
Blicken wir zurück: Wir sind von der Beobachtung der „zerbrochenen Wirklichkeit“, der Spaltung des Selbst- und Welterlebens ausgegangen und dabei auf eine Konvergenz klinisch-therapeutischer und literarisch-philosophischer Beobachtungen gestoßen. Was wir bei den schweren Neurosen immer wieder in ausgeprägter, oft in dramatischer Form angetroffen haben, Züge, die von manchen zum Ankerpunkt der Erklärung erkoren und zur Begründung eigener Theorien und Schulen verwendet wurden, enthüllte sich mehr und mehr als eine Gruppe von phänomenologischen Merkmalen, die nicht nur für die Psychopathologie gelten, sondern auch beim Aufeinanderprallen des mythischen mit dem rational-philosophischen Denken sichtbar werden.
„A crown’s worth of good interpretation!“(Eines Talers werte gute Auslegung.) (Shakespeare, Henry IV, Teil 2, 2.Akt, 2.Szene)
„Deuten heißt einen verborgenen Sinn finden.“(Freud, GW 11, S. 83)
Dieses Kapitel wurde ursprünglich als Vortrag im Kulturforum an der Universität von Stockholm gehalten, und zwar unter dem Titel „Psykoanalys som tolkande vetenskap“(Psychoanalyse als deutende Wissenschaft). Die der Einladung zugrundeliegende Fragestellung wurde mir von Marianne Faxen wie folgt übermittelt: „Vad är det som tolkas i psykoanalysen?... Den processen, med nágonting som täcker för nágonting som döljer nágonting som i sin tur beror pà... Jag tycker just att denna tolkningsmodell med tolkning pâ allt djupare nivâor är det mest fascinerande med psykoanalysen... Är det... blottläggande... eller är det hopläggning av pusselbitar eller är det den typ av schaktgrävning som arkeologer ägnar sig át?“(Was ist es, das in der Psychoanalyse gedeutet wird?... Der Vorgang, wobei eines etwas anderes überdeckt, das seinerseits etwas verhüllt, welches auf etwas Tieferem beruht... Ich denke gerade, daß dieses Deutungsmodell mit dem Deuten auf stets tieferen Ebenen das Faszinierendste an der Psychoanalyse ist... Ist dies ein Freilegen oder ist es eher das Zusammenstellen von Stücken eines Zusammensetzspiels oder ist es eine Art Tiefenschacht, wie ihn die Archäologen benützen?)
Später wurde der Vortrag als Grundlage für einen Essay zu einem Band über Rorty und die Psychoanalyse benutzt.
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© 1993 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
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Wurmser, L. (1993). Doppeltext und Kausalverständnis — Erkenntniskritische und wertethische Fragen in der Psychoanalyse. In: Die zerbrochene Wirklichkeit. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-77934-3_7
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