Zusammenfassung
Sehen wir die tragische Betrachtungsweise und das tragische Wissen als ein Aushalten und Verstehen der Konflikthaftigkeit des Seelischen, so kann das Wissen um inneren Konflikt auch eine ganz andere Gestalt als die einer Tragödie oder einer Erzählung vom Bösen annehmen. Doch auch dann stehen wir auf vertrautem Grund, sowohl klinisch wie literarisch. Vielleicht kann man zutiefst auch dieses als eine Art des tragischen Wissens ansehen: das Wissen um die Abgründigkeit und Doppelsinnigkeit der Wirklichkeit, ein Wissen und Erleben, das die Menschheitsgeschichte seit eh und je begleitet hat: „Fern ist der Grund der Dinge und tief, gar tief; wer will ihn finden?“1 — doch ein tragisches Wissen, das sich in der Kunstform des Romans, in den diesem eigensten Stilmitteln darstellt. Dabei geht es um die Einsicht und die Darstellung inneren Konfliktes in der Form des „Doppelwissens”, also des Ironischen. Auch ist es nicht der Konflikt zwischen Absolutem und Maß, der als Rahmen gilt, sondern zwischen Vordergründigem und Abgründigem — zwischen dem Gewohnten und dem Dämonisch-Tiefen. Der Unterschied zum Vorangegangenen ist nicht radikal. Der Akzent verschiebt sich, in bezug auf jene Dreiheit, lediglich von dem der Absolutsetzung zu dem der „Spaltung“. Das heißt aber: die zunehmende Verinnerlichung auch der Konfliktdarstellung.
„Dào chōng, ér yòng zhi zāi bù yíng. Yüän xī sì wàn wù zhi zōng.“
(Das Dao ist leer wie ein Becher, und doch, wird es gebraucht, kann es nicht voll werden. Welch Abgrund ist es! Es scheint der Urahne zu sein der unzähligen Dinge.)
(Lao Tse, Tao Te King, Kap. 4; nach den englischen Übersetzungen von T. C. Gibbs und Wing-Tsit Chan)
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© 1993 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
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Wurmser, L. (1993). „Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen“ — Doppelheit und Bruch in der Wirklichkeit bei Dickens. In: Die zerbrochene Wirklichkeit. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-77934-3_5
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