Abstract
Die Stellung der Kunst in der Gesellschaft ist paradox, und die Stellung der Gesellschaft zur Kunst ist es noch einmal. In der Moderne wurde die Kunst zum gesellschaftlichen Ort des Anderen zur Gesellschaft. Sie avancierte zum Feld der Abweichung, zur Institution der Alternative, zum Terrain der Negation. Die Paradoxie liegt darin, daß das Andere damit definiert und verortet wird; und daß die Kunst so durch Abweichung gerade übereinstimmt, durch Dissens Konsens mit der Gesellschaft herstellt.
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Anmerkungen
Welchen Anteil daran die Diskreditierungspropaganda der Nationalsozialisten gegenüber der modernen Kunst hat — sie bedienten sich der Prinzhornschen Entdeckungen zur Verfemung der modernen Kunst — vermag ich nicht genau zu beurteilen; der reaktionäre Muff, der noch heute durch manch „tolerantes” Vorurteil hindurchscheint, läßt allerdings eher hohe Anteilsgrade vermuten.
Das ist die These von Jean-François Lyotard, dem bedeutendsten philosophischen Theoretiker der Postmoderne. Ihm zufolge besteht „der beobachtbare sprachliche Zusammenhang aus sprachlichen ,Spielzügen’ ”: „Das soziale Band ist sprachlich, aber es ist nicht aus einer einzigen Faser gemacht. Es ist ein Gewebe, in dem sich … eine unbestimmte Zahl von Sprachspielen kreuzen, die unterschiedlichen Regeln gehorchen” (Jean-François Lyotard, Das postmoderne Wissen. Ein Bericht, Graz — Wien 1986, S. 41 bzw. 119).
Gilles Deleuze u. Félix Guattari, Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie, Bd. I, Frankfurt a. M. 1974, S. 353–496.
Vgl. insbesondere folgende Sammelbände: Identität, hrsg. v. Odo Marquard u. Karlheinz Stierle (Poetik und Hermeneutik VIII), München 1979; Tod des Subjekts?, hrsg. v. Herta Nagl-Docekal u. Helmuth Vetter, Wien — München 1987; Individualität, hrsg. v. Manfred Frank u. Anselm Ha-verkamp (Poetik und Hermeneutik XIII), München 1988; Die Frage nach dem Subjekt, hrsg. v. Manfred Frank, Gérard Raulet u. Willem van Reijen, Frankfurt a. M. 1988.
Paul Valéry, „Triomphe de Manet”, Œuvres, II, Paris 1960, S. 1326–1333, hier S. 1327.
Ebd.
Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, Sämtliche Werke, Kritische Studienausgabe in 15 Bänden, hrsg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, Bd. 3, München 1980, S. 355.
Vgl. Wolf gang Zapf, „Die Pluralisierung der Lebensstile”, in: ders. u. a.: Individualisierung und Sicherheit. Untersuchungen zur Lebensqualität in der Bundesrepublik Deutschland, München 1987, S. 16–30.
Wolfgang Zapf, „Zukunftsperspektiven gesellschaftlicher Entwicklung und Folgerungen für das Planen und Bauen”, Vortragsmanuskript 1988, 6f.
Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Frankfurt a. M. 1973, S. 30.
Detaillierter habe ich dies ausgeführt in Unsere postmoderne Moderne, Weinheim 1987 (2., durchges. Aufl. 1988).
Zitat aus dem Brief eines Lesers, eines interdisziplinär aktiven Hochschulpräsidenten.
Gerhard-Johann Lischka, „Superästhetik — wilde Ästhetik”, in: Philosophen-Künstler, hrsg. v. Gerhard-Johann Lischka, Berlin 1986, S. 29–41, hier S. 41.
Maurice Blanchot, Der Gesang der Sirenen. Essays zur modernen Literatur, Frankfurt a. M. 1988, S. 188f.
Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, Hamburg 1952, S. 572.
Zit. nach: Peter Weibel, Inszenierte Kunstgeschichte, Wien 1988, S. 23. Pessoa schrieb als mehrere — heteronyme — Autoren, die allesamt seine Erfindungen waren, vor allem Alberto Caeiro, Ricardo Reis, Alvaro de Campos. „Sei plural wie das Universum!” lautete einer seiner Wahlsprüche. „Pessoa” bedeutet im Portugiesischen „Person, Maske, Fiktion, Niemand”.
Achille Bonito Oliva, „Die italienische Trans-Avantgarde”, in: Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion, hrsg. v. Wolfgang Welsch, Weinheim 1988, S. 121-130, hier S. 130.
In diese Richtung zielen auch die in letzter Zeit verstärkt hervortretenden Formen einer „Philosophischen Praxis”.
Lapidar hat dies letztere Gianni Vattimo in seinem bezeichnenderweise „Jenseits vom Subjekt” betitelten Buch formuliert: Die „Situation des gespaltenen Subjekts stellt sich … als ,normale’ Situation des postmodernen Menschen” dar (Gianno Vattimo, Jenseits vom Subjekt, Graz — Wien 1986, S. 63).
Schiller vermerkt, daß der schöne Künstler leider keine Bedenken trage, dem Stoff „Gewalt anzutun, nur vermeidet er, sie zu zeigen”. Dagegen verlangt Schiller vom „pädagogischen und politischen Künstler”, der es mit Menschen zu tun hat — und entsprechend wäre dies auch vom kunstvollen Psychiater zu erwarten —, daß er diese Menschen nicht einfach als Stoff, sondern als Selbstzweck behandelt und also nicht Herrschaft auf sie ausübt, sondern ihnen zu ihrer Freiheit verhilft (Friedrich Schiller, „Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen”, in: ders. Sämtliche Werke, hrsg. v. Gerhard Fricke u. Herbert G. Göpfert, Bd. V, München 1980, Vierter Brief, 578).
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Welsch, W. (1990). Identität im Übergang. In: Benkert, O., Gorsen, P. (eds) Von Chaos und Ordnung der Seele. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-75242-1_3
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