Zusammenfassung
Die Unterscheidung zwischen Thema und Struktur des Wahns ist klinisch üblich (vgl. Berner und Naske 1973) und scheint auf den ersten Blick unproblematisch zu sein. Unter den Themen werden dabei Größe, Verfolgung, Beziehung, Liebe, Eifersucht etc. verstanden. Diese Themen werden als rein inhaltliche Bestimmung des Wahns aufgefaßt im Gegensatz zu strukturellen Merkmalen wie z.B. dem Grad der Systematisierung.1 Entsprechend wird auch oft angenommen, daß die Themen nahezu beliebig seien, nicht hingegen die Struktur. Die einzige Ausnahme stellen bestimmte Themen dar, die bei gleichzeitigem Vorliegen einer affektiven Störung als “stimmungskongruent” gelten, was differentialdiagnostisch von Bedeutung ist (siehe Abschnitt 1).
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Notes
Zur Wahnstruktur vgl. Berner 1965, Berner et al. 1971, Berner 1975 sowie Berner 1987.
Für den Fall “Herr Z.” stellte sich diese Frage mithin wie folgt: Daß im Wahn die Inhalte “Jugoslawien” oder “Militär” auftreten, ist eindeutig Ausdruck der Biographie, daß überhaupt ein Wahn vorliegt, ist Ausdruck einer Krankheit. Wie aber das Vorhandensein von Verfolgungswahn zu werten ist, ist bis heute Gegenstand der Diskussion.
Das Lebensalter scheint einen Einfluß auf die Ausbildung bestimmter Wahnformen zu haben, wie die Untersuchungen von Berner 1965, Huber et al. 1975, Klaesi 1934 und Pauleikhoff 1969 zeigen.
Eine Abnahme von Größenideen ist interessanterweise nicht nur für den Wahn Schizophrener, sondern auch für den Wahn bei progressiver Paralyse bekannt (Pauleikhoff 1962, Vurdla, zit. nach Lenz 1964, S. 71).
Hierzu passen auch die oben angeführten Ergebnisse von Kranz zur weitgehenden Konstanz depressiver Wahninhalte über die Zeit.
Vgl. Pauleikhoff 1954, Kranz 1967.
Für eine ausführliche Diskussion der Überlegungen von Davidson (1973) und Rorty (1972) sowie weiterführende Literatur siehe Spitzer 1985, insbesondere Abschnitt 4.3.
Daß die Berufung auf grundlegend andere empfundene Qualitäten bei Fragen der Rechtfertigung von Erkenntnissen prinzipiell nicht weiterhelfen kann, haben wir an anderer Stelle gezeigt (vgl. Spitzer 1988a).
An dieser Stelle sei hervorgehoben, daß das vorgestellte Argument selbstredend nicht für die minutiösen Beschreibungen der “Wahnwelten” zutrifft, die seitens der “anthropologischen Psychiatrie geliefert wurden (vgl. Binswanger 1957, 1965 oder Straus und Zurr 1963). Diese Beschreibungen sind vielmehr eine Bestätigung unseres Arguments, denn es ist hier mit Recht von einer “Welt” die Rede: Sie wird im einzelnen beschrieben. Wir richten uns mit dem Argument vielmehr gegen eine manchmal im Praxisalltag zu beobachtende Tendenz.
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© 1989 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
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Spitzer, M. (1989). Zum Verständnis von Wahnformen und Wahnwelten. In: Was ist Wahn?. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-74722-9_7
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