Zusammenfassung
Psychologische Forschung wird zwischen der Forderung, die zu untersuchenden Probleme zu vereinfachen und der Betonung der Komplexität derselben Probleme, in Bewegung gehalten. Bei jedem IJntersuchungsvorhaben ist zu entscheiden zwischen rigorosem Vereinfachen und damit der innewohnenden Gefahr der Trivialisierung, und der Betonung der Komplexität mit der damit verbundenen Gefahr, daß das Untersuchungsproblem unlösbar wird. Oft scheint es so, als ob das Finden einer Position, irgendwo in der Mitte zwischen den genannten Spannungspolen, zu den schwierigsten Aufgaben der empirischen Psychologieforschung überhaupt gehört. Die Erforschung des Gedächtnisses ist diesem Spannungsfeld ebenfalls unterworfen. Und gerade die Gedächtnisforschung liefert ein Paradebeispiel dafür, wie eine allzu rigorose Einschränkung auf die Untersuchung eines Teilproblems eine Eigengesetzlichkeit entwickeln kann, die den Rahmen der Problemeinordnung in einer Art und Weise verschiebt, so daß Erkenntnisfortschritt stagniert. Als Beispiel einer solchen Entwicklung mag die unverhältnismäßig einseitige Betonung des verbalen Gedächtnisses oder noch extremer die lange behavioristische Tradition des verbalen Lernens gelten. Es sind dies Beispiele, in denen methodologische Paradigmen nicht nur das Forschungsvorgehen, sondern auch die Forschungsfragen kontrollierten. Man kann feststellen, daß bei zahlreichen Beiträgen der Gedächtnisforschung die verwendeten Prozeduren methodisch wohl zufriedenstellend, und die Ergebnisse reliabel sind, daß diese Ergebnisse aber größtenteils nicht von allzugroßer Relevanz sind für Phänomene des Gedächtnisses, die uns in komplexen Alltagssituationen beschäftigen.
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Perrig, W.J. (1988). Die Komplexität des menschlichen Gedächtnisses. In: Vorstellungen und Gedächtnis. Lehr- und Forschungstexte Psychologie, vol 28. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-74182-1_1
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