Skip to main content

Die Hexachlorbenzol (HCB)-Porphyrie

Teil II: Die türkische Porphyrie (HCB-Porphyrie-Epidemie in der Türkei) und die experimentelle HCB-Porphyrie mit einer Übersicht über die eigenen experimentellen Befunde

  • Chapter
Neue Entwicklungen in der Dermatologie
  • 18 Accesses

Zusammenfassung

Einleitend wird eine Übersicht über die Porphyrin-Biosynthese (Enzyme der Haembiosynthese und ihre Regulation), die beim Menschen bisher beobachteten Porphyrin-Krankheiten und die den Stoffwechselstörungen zugrunde liegenden Enzym-Defekte gegeben. Eine Besonderheit stellt die Porphyria cutanea tarda (PCT) dar, weil sie einmal als angeborene Erkrankung (Uroporphyrinogen-Decarboxylase-Defekt in allen Zellen) und auch als erworbene Krankheit (isolierte Funktionsstörung der Uroporphyrinogen-Decarboxylase in der Leber) beobachtet wird.

In den Jahren 1954–1957 wurde im Südosten der Türkei (Anatolien) ein epidemieartiges Vorkommen einer Porphyrie beobachtet. CAM wies alsbald nach, daß diese Epidemie eine Intoxikation durch den Verzehr von HCB-kontaminiertem Saatgetreide ausgelöst worden war. Bei der Intoxikation wurden zwei Krankheiten unterschieden: Kara Yara und Pembe Yara. Kara Yara trat bei Kindern und Erwachsenen auf, die mit der Nahrung HCB aufgenommen hatten, während Pembe Yara nur bei Neugeborenen und Säuglingen vorkam, die HCB mit der Muttermilch oder diaplacentar erhalten hatten. Pembe Yara verläuft schwerer, meist tödlich und weist keine Geschlechtsdifferenz auf. Im Gegensatz dazu befällt Kara Yara besonders Männer und Knaben und zeigt eine Hautsymptomatik vergleichbar der menschlichen PCT. Zusätzlich findet sich aber auch eine Symptomatik vergleichbar den akuten Formen der hepatischen Porphyrie: Koliken, neurologische und muskuläre Störungen.

Die Porphyrinbefunde aus den Jahren 1954–1960 sind wegen der damals nicht so ausgefeilten Porphyrin- analyse für nicht eindeutig zu verwerten: Zusammenfassend muß man aber annehmen, daß eine starke Vermehrung der Porphyrinausscheidung im Urin auftrat, wobei vorherrschend hochcarboxylierte Porphyrine (Uro- und Heptaporphyrin) ausgeschieden wurden. Im Gegensatz zur PCT fand sich aber auch eine vermehrte Ausscheidung der Porphyrinvorstufen (ALA und PBG), was wiederum mit der „Akut-Symptomatik“ der HCB-Porphyrie übereinstimmt. Eine Nachuntersuchung von mehr als 200 Menschen, die an der türkischen Porphyrie erkrankt waren, nach mehr als 30 Jahren zeigte, daß noch 17 Menschen eine pathologisch veränderte Porphyrin-Ausscheidung in Urin und Stuhl aufwiesen. Aufgrund zahlreicher tierexperimenteller Untersuchungen konnten wir zeigen, daß durch Applikation von 0,05% HCB-haltigem Futter sich bei weiblichen Wistar-Ratten nach einem Zeitraum von etwa 60 Tagen eine hepatische Porphyrie auslösen läßt: Die Porphyrie ist zu diesem Zeitpunkt gekennzeichnet durch eine massive Ablagerung von Porphyrinen (Uro- und Heptaporphyrin) in der Leber und eine entsprechend gesteigerte Ausscheidung im Urin (zusätzlich findet sich in der Galle und im Stuhl eine vermehrte Exkretion, wobei jedoch niedrig carboxylierte Porphyrine, z. B. Coproporphyrine, vorherrschend anfallen). Im Urin läßt sich zusätzlich eine gesteigerte Ausscheidung der Porphyrin-Vorstufen, δ-Aminolävulinsäure (ALA) und Porphobilinogen (PBG), nachweisen. Zur Zeit der Manifestation der HCB-Porphyrie lassen sich in der Leber der Versuchstiere eine massive Hemmung der Uroporphyrinogen-Decarboxylase und eine vergleichbar starke Induktion der ALA-Synthase, das Schlüsselenzym der Haembiosynthese, nachweisen.

Während sich die HCB-Porphyrie erst nach ca. 60 Tagen kontinuierlicher HCB-Gabe nachweisen läßt, findet sich bereits nach wenigen Tagen (3–14 Tage) eine massive Induktion der P-450-Isoenzyme. HCB ist ein Mischtyp-Induktor, d.h. es werden durch das chlorierte Benzol verschiedene P-450-Isoenzyme vermehrt: Phenobarbital-induzierbares P-450 (P-450b der Ratte), Methylcholanthren-induzierbares P-450 (P-450c), Isosafrol-induzierbares P-450 (P-450d), Pregnenolon-16a-carbonitrat-induzierbares P-450 (P-450e) und das Ethanol oxidierende P-450-System (MEOS). Darüber hinaus wird das P-450-System nicht nur in der Leber, sondern auch in der Haut induziert. Zur Zeit der Manifestation der HCB-Porphyrie läßt sich bei der Ratte auch die Δ4-3-Oxosteroid-5α-Reduktase nachweisen. Es kommt damit zu einem vermehrten Anfall von 5β-H-Steroiden, die potente Induktoren der ALA-Synthase sind. Die Applikation von HCB-Metaboliten, wie Pentachlorphenol (PCP), Pentachlorbenzol (PCB) oder Trichlorphenol (TCP), führt nicht zu einer Verstärkung der HCB-Porphyrie, obwohl sie die P-450-Isoenzyme in der Leber in vergleichbarer Weise wie HCB vermehren. Ebenso haben Induktoren und Inhibitoren der P-450-Isoenzyme nur eine modifizierende Wirkung auf die Entstehung der HCB-Porphyrie.

Chloroquin, ein Pharmakon, das bei der Behandlung der menschlichen PCT eine maßgebliche Rolle spielt, wirkt nach den Befunden der Literatur über die Bildung von Porphyrin-Chloroquin-Komplexen. Darüber hinaus konnte hier gezeigt werden, daß Chloroquin die HCB-bedingte Induktion der ALA-Synthase der Leber aufhebt und somit sicher nicht nur über eine Porphyrin-Chloroquin-Komplex- Bildung seine therapeutische oder prophylaktische Wirkung entfaltet.

Summary

A review of porphyrin biosynthesis (enzymatic pathways and regulatory mechanisms) as well as its disturbances resulting in well-defined porphyric diseases is presented. Special emphasis is given to porphyria cutanea tarda (PCT), a disease which is due to an inborn error (generalized uroporphyrinogen-decarboxylase deficiency) or as an acquired form (exclusive hepatic deficiency of uroporphyrinogen-decarboxylase). During 1954–1957, an endemic outbreak of PCT was observed in southeastern Turkey (Anatolia). Very soon it became clear that HCB poisoning was the cause of the disease. Two different forms could be distinguished by the Turkish physicians. 1. Kara Yara: occurred in children and in adults after ingestion of HCB contaminated bread. 2. Pembe Yara was observed only in newborns and infants exposed to HCB by diaplacental transfer and/or by breast milk. This type had a severe course with a high mortality rate. There were no sex differences in Pembe Yara, whereas in Kara Yara men and boys were affected more frequently; moreover, Pembe Yara showed the typical signs of the acute form of hepatic porphyria, namely colics, neurologic disturbances and disorders of the muscular system. Sensitive analytical methods did not allow a clearcut diagnosis of their porphyric state at that time. A rise of urinary porphyrin excretion especially of highly carboxylated porphyrins (uro- and heptaporphyrins) was detected in all patients. In contrast to classical PCT excretion of porphyrin precursors (ALA and PBG) was also increased, a finding more related to the different forms of “acute porphyria” [acute intermittent porphyria (AIP), porphyria variegata (PV), hereditary coproporphyria (HC)]. In a control examination 20 years later, 200 patients were studied and 17 persons had increased values of fecal or urinary porphyrins. In several experiments it could be demonstrated that female Wistar rats exposed to HCB (0.05% in the diet) developed a hepatic porphyria 60 days after treatment with HCB. The intoxication is characterized by hepatic porphyrin deposits (uro- and heptaporphyrin) and a concomitant rise of urinary porphyrins and an increase of porphyrin excretion in feces and bile. At the time of manifestation of the HCB porphyria an increased formation of 5β-H-steroids is measured, which are potent inducers of ALA synthesis. Application of the major HCB metabolites as pentachlorophenol (PCP), pentachlorobenzene (PCB) or trichlorophenol (1,2,4-TCP) does not induce the experimental disease, although PCP, PCB and TCP are mixed type P-450 inducers comparable with HCB. Chloroquine (CQ) is used in the treatment of human PCT and this drug facilitates porphyrin excretion (formation of CQ/porphyrin complexes) and thereby abolishes induced ALA-S induction.

Unserem Lehrer, Herrn Prof. Dr. med., Dipl. Chem. H. Ippen, Universitätshautklinik Göttingen, in Dankbarkeit gewidmet

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 54.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 69.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1988 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

About this chapter

Cite this chapter

Goerz, G., Lissner, R. (1988). Die Hexachlorbenzol (HCB)-Porphyrie. In: Hornstein, O.P., Hundeiker, M., Schönfeld, J. (eds) Neue Entwicklungen in der Dermatologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-73581-3_14

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-73581-3_14

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-540-19142-1

  • Online ISBN: 978-3-642-73581-3

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics