Gesundheitspolitik in der Sowjetunion

Zusammenfassung

Als das sowjetische Regime Ende 1917 an die Macht kam, herrschten katastrophale Gesundheitsverhältnisse. Durch Krieg und Revolution war die Versorgung, so beschränkt sie auch schon vor dem Krieg gewesen war, total zusammengebrochen. Die Lieferung von Medikamenten an die medizinischen Einrichtungen und besonders an die einzelnen Ärzte funktionierte überhaupt nicht mehr. Die Situation war so schlimm, daß Lenin in einer Ansprache vor den Sowjets im Dezember 1919 zugab, daß der Zusammenbruch der Öffentlichen Dienstleistungen, der Verwaltung und der Gesundheitsversorgung so verheerend sei, daß „entweder die Läuse den Sozialismus oder der Sozialismus die Läuse besiegen wird“. Damals waren über 20 Mio. Menschen an Typhus erkrankt.¹ Die 25000 Ärzte, die eine Bevölkerung von 160 Mio. medizinisch zu versorgen hatten, waren zahlenmäßig zu wenig, in den großen Städten konzentriert und mehr oder weniger qualifiziert, je nachdem, ob sie im Ausland oder in Rußland studiert hatten. In Anbetracht dieser Faktoren bei den gegebenen Zeitumständen ist es nicht überraschend — so erschreckend die Zahlen auch sind -, daß nach Schätzungen des Völkerbunds über 3 Mio. Menschen in der Sowjetunion an Cholera, Typhus, Paratyphus und Ruhr in der Zeit von 1917 bis 1923 gestorben sind. Glücklicherweise trifft ein solches Morbiditäts- und Mortalitätsmuster heute nicht mehr zu.