Zusammenfassung
Die obstruktive Sialadenitis stellt die häufigste Entzündungsform der Speicheldrüsen dar. Im Untersuchungsmaterial des Speicheldrüsen-Registers der Jahre 1965–1985 entfielen von 3353 Untersuchungsfällen mit Speicheldrüsenentzündungen 1097 Fälle (ca. 30%) auf die obstruktive Sialadenitis. Der Altersgipfel des Vorkommens lag in der 6. Lebensdekade. 55,5% der Fälle wiesen eine männliche Geschlechtsdisposition auf. In 70% war die obstruktive Sialadenitis in den großen Speicheldrüsen lokalisiert, in 30% in den kleinen Speicheldrüsen.
Bezüglich der Histopathologie und Pathogenese lassen sich folgende Feststellungen treffen:
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1.
Nach dem Schweregrad lassen sich vier Stadien der obstruktiven Sialadenitis unterscheiden. Das Initialstadium ist durch eine mäßige Sekretstauung und Speichelgangerweiterung, eine fokale periduktale lymphozytäre Infiltration und einen noch weitgehenden Erhalt der Läppchenstruktur gekennzeichnet. In den Stadien 2 und 3 nimmt der Schweregrad der obstruktiven Entzündung zu. Im Stadium 4 findet sich eine ausgeprägte diffuse obstruktive Sialadenitis mit Sklerosierung der Drüsenläppchen, Schwund der Drüsenendstücke, multifokalen Gangregeneraten, Epithelmetaplasien und Lymphfollikelbildung. Das Endstadium entspricht einer Speicheldrüsenzirrhose mit Zerstörung der Läppchenstruktur. Zwischen Schwere und Dauer der Gangobstruktion sowie den morphologischen Veränderungen am Speicheldrüsengewebe besteht eine direkte Korrelation.
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2.
In der Pathogenese der obstruktiven Sialadenitis spielen zwei Faktoren eine entscheidende Rolle: Mechanische Gangobstruktionen und Veränderungen in der Zusammensetzung des Speichelsekretes.
Zu den mechanischen Gangobstruktionen gehören andere Speicheldrüsenkrankheiten (vor allem Speicheldrüsenadenome, Sialolithiasis und Speicheldrüsenzysten; seltener maligne Speicheldrüsentumoren) und Erkrankungen des angrenzenden Kopfhalsbereiches. In den kleinen Speicheldrüsen führen orale Läsionen (Prothesen, Leukoplakien, Stomatitis mit entzündlichen Vernarbungen) zur Entstehung einer obstruktiven Sialadenitis, weiterhin auch Oralkarzinome und Tumormetastasen. Die Sialolithiasis mit besonders langer Dauer der Obstruktion ist in einem wesentlich höheren Prozentsatz mit dem Stadium 4 der Sialadenitis korreliert als andere obstruktive Faktoren.
Primäre Sekretionsstörungen (sog. Dyschylien) mit Veränderungen der Elektrolytkonzentration und Schleimzusammensetzung führen zur Entstehung von Sekretschollen und Sphärolithen in den terminalen Speichelgängen. Dieser Befund läßt sich als sogenannte Elektrolyt-Sialadenitis definieren und stellt eine Sonderform der obstruktiven Sialadenitis dar. Unter experimentellen Bedingungen läßt sich durch Jodidgaben oder eine Kalziphylaxie eine obstruktive Sialadenitis erzeugen. Die Dyschylie mit Ausbildung von Kalziumkomplexen in den terminalen Speichelgängen ist das Vorstadium einer Sialolithiasis in den großen Speichelgängen.
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3.
Die obstruktive Sialadenitis muß differentialdiagnostisch von den anderen Formen der Sialadenitis abgegrenzt werden, bei denen bakterielle oder virale Infektionen, Strahleneinwirkungen oder immunpathologische Reaktionen die ätiologischen Faktoren darstellen. Allerdings können zusätzliche obstruktive Prozesse den Krankheitsverlauf auch bei den anderen Formen der Sialadenitis mitgestalten oder potenzieren.
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Seifert, G. (1988). Histopathologie und Pathogenese der obstruktiven Sialadenitis. In: Weidauer, H., Maier, H. (eds) Speicheldrüsenerkrankungen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-73339-0_1
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