Zusammenfassung
Ein Gespenst geht um in den Sozialwissenschaften. Es hört auf den Namen System- theorie und gibt sich epochal (Guntern 1980). Tatsächlich ist zu beobachten, daß „systemisches Denken“ immer mehr an Terrain gewinnt. Geraume Zeit haben sich die Sozialwissenschaften an der Physik orientiert, und tun dies z. T. jetzt noch, obwohl in der Physik selbst wichtige Perspektivenwechsel (Einsteinsche Relativitätstheorie, Heisenbergsche Unschärferelation) von statten gegangen sind. Nun überrascht es manchmal, daß die Physik, die ja immer als Hard-core-Naturwissenschaft gegolten hat, eine Wendung zum Mystischen vornimmt, bzw. ihren Erkenntnisraum soweit auslotet, daß man oft nicht mehr sagen kann, ob man diesseits oder jenseits der Grenze zum Mystischen operiert (Capra 1984; Pietschmann 1983). Ein gewisser Mystizismus liegt aber andererseits wieder nahe, geht es doch immer auch irgendwie um die Faustische Ambition zu erkennen, „was die Welt im innersten zusammenhält“. So finden wir auch bei Bateson (1981, S. 116), einem Paten der sozialwissenschaftlichen Systemtheorie, das Eingeständnis eines „mystischen Glauben(s) an die durchgängige Einheit dieser Welt“. In der Biologie hat sich die Auffassung von der Welt als einem balancierten Ökosystem durchgesetzt, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Folgen bedenkenloser menschlicher Eingriffe in Naturabläufe. Über biologische Fragestellungen hinausgehend wird bei Jantsch (1982) die systemtheoretische Vorstellung der Selbstorganisation zum evolutionären Grundprinzip des Universums überhaupt. Im Bereich der anwendungsorientierten Sozialwissenschaften war es in den letzten Jahren v. a. die Familientherapie, die ihre Konzeption und Pragmatik explizit systemtheoretisch dachte und ableitete.
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Krainz, E.E. (1988). Vom Individuum zum System — und zurück. In: von Ritter-Röhr, D. (eds) Gruppenanalytische Exkurse. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-73308-6_1
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