Biochemische Veränderungen bei affektiven Erkrankungen als Aspekte biologisch-psychiatrischer Verlaufsforschung

Zusammenfassung

Eine der zur Zeit wichtigsten Hypothesen zur biologischen Genese affektiver Erkrankungen ist das Modell einer cholinerg-noradrenergen Imbalance im zentralen Nervensystem, das von Janowsky und Mitarbeitern (Janowsky et al. 1972; Janowsky u. Risch 1984) formuliert wurde. Dieses Modell (Abb. 1) geht von der Annahme aus, daß depressive Symptome immer dann entstehen, wenn ein für den Affekt wichtiges Gleichgewicht zwischen cholinergen und noradrenergen Neuronen im zentralen Nervensystem gestört ist. Das Modell stützt sich darauf, daß depressive Symptome dann beobachtet wurden, wenn pharmakologisch eine Überaktivität des eher depressionsbahnenden cholinergen Systems erzeugt wurde oder wenn pharmakologisch das eher depressionshemmende noradrenerge System gestört wurde. Für den ersten Fall sprechen Befunde einer depressionsauslösenden Wirkung einer akuten Gabe von Physostigmin oder einer chronischen Exposition gegen AzetylcholinesteraScinhibitoren wie Diisopropylfluorphosphat (DFP) (vgl. Abb. 1). Für den zweiten Fall sprechen im wesentlichen ältere Befunde einer Häufung depressiver Symptome bei Patienten, die mit hohen Dosen von Reserpin als Antihypertensivum behandelt wurden, einer Substanz, die zu einer weitgehenden Ausschaltung der noradrenergen Neurotransmission im ZNS führt.

Die im vorliegenden Artikel dargelegten Forschungsansätze stellen das Ergebnis einer fruchtbaren Zusammenarbeit vieler Kolleginnen und Kollegen aus dem Psychopharmakologischen Labor und aus der Psychiatrischen Klinik des Zentralinstitutes für Seelische Gesundheit dar und wurden von mir nur stellvertretend vorgestellt. Neben vielen anderen möchte ich hier besonders erwähnen (in alphabetischer Reihenfolge): Frau Dipl.-BioL B. Bering, Herrn Dr. J. G. Filser, Herrn Prof. Dr. W. F. Gattaz, Frau MTA S. Koch, Herrn Dr. H. W. Moises und Herrn Dr. F. J. Spira. Teile der Untersuchungen wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft durch eine Sachmittelbeihilfe gefördert (AZ Mu 467/5-1).