Zusammenfassung
Ein Neuphilologe, der eingeladen wird, vor Altphilologen zu sprechen, gleicht dem verlorenen Sohn, der in die Heimat zurückkehrt und freundlich empfangen wird. Sie, meine Damen und Herren, sind als klassische Philologen den Quellen und dem Quellgebiet unserer abendländischen Kultur treu geblieben, während der aktualitätssüchtige Neuphilologe diesen Quellströmen nachfolgt in die offene Weite fremder Länder. Wenn einer eine Reise getan hat und dann — wie ein Lachs — zu den Quellen zurückkehrt, so kann er etwas erzählen. Wovon ich erzählen möchte, ist, wie eine der von Ihnen gehegten kastalischen Quellen zu einem befruchtenden Stromland der abendländischen Tradition wurde. Wenn wir uns hier wie bei einer Mauerschau treffen, so ist für Sie, als beati possidentes, der Blick hinaus in die nachantike Geschichte ein bloßes divertimento; aber für den Neuphilologen löst der Blick aus der nie fertigen Welt der Aktualität zurück in das abgeklärte Kastalien stets nostalgische Gefühle aus. Während ich in Ihrem Kreis das Wohlgefühl habe, wieder einmal innerhalb des Limes zu sein, komme ich mir wie ein Trojanisches Pferd vor; denn ich wünschte, daß die Mauern, die unsere Disziplinen trennen, abgetragen würden. Diese Mauern sind gar nicht so alt: im 18. Jahrhundert standen sie noch nicht — damals waren alle Philologen klassische Philologen, und die Weltliteratur wurde von ihnen als universalgebildeten Humanisten mitverwaltet. Dann kam das 19. Jahrhundert, das „historische Zeitalter“, und mit ihm das Spezialistentum.
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Sühnel, R. (1987). Vergil in England: Ein Vortrag (1964). In: Make it New. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-72543-2_1
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