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Krankheitsbewältigung als psychosozialer Prozeß

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Leben mit dem Herzinfarkt

Zusammenfassung

Aus medizinischer Sicht führt der Herzinfarkt zu einem bleibenden Defekt des Herzmuskels. Seine Behandlung zielt nicht auf Heilung, sondern darauf, ein Fortschreiten der Grunderkrankung — konkret: der atherosklerotischen Wandveränderung an den Herzkranzgefäßen — zu verhindern (Hopf u. Kaltenbach 1984, S.6). Aus sozialwissenschaftlicher Sicht löst der Herzinfarkt einen psychosozialen Streß-prozeß aus. Dieser Vorgang ist kurz und treffend als „Ego-Infarkt“ (Cassem u. Hackett 1973, S.382) bezeichnet worden, weil seine vielleicht wichtigste Folge in der dramatischen, häufig chronisch werdenden Beeinträchtigung des Selbstvertrauens und Selbstwertgefühls besteht. Eine Vernachlässigung psychosozialer Folgen eines Herzinfarkts kann die „innere Gesundungsbereitschaft“ der Betroffenen beeinträchtigen und zu vermeidbaren seelischen Störungen mit ebenso vermeidbaren Folgelasten für Ehe, Familie und Erwerbstätigkeit beitragen. Auch kurzfristige somatische Rückwirkungen psychischer Krankheitsfolgen sind nicht auszuschließen (Pancheri et al. 1978). Wer sich um das Verständnis einer schweren chronischen Krankheit bemüht, muß deshalb u. E. von einem ganzheitlichen Krankheitsbegriff (Milz 1985) ausgehen. Er muß akzeptieren, daß eine solche Erkrankung meist zugleich eine außerordentliche seelische Beanspruchung darstellt. Da eine Vielzahl von Wechselwirkungen zwischen somatischen, psychischen und sozialen Prozessen möglich sind, muß er berücksichtigen, daß die durch den Organschaden und seine Begleitumstände — z. B. starke Schmerzen, Überweisung in die ungewohnte Umgebung einer Intensivstation, lange stationäre Behandlung — ausgelösten seelischen Prozesse den Genesungsverlauf erheblich zu erschweren vermögen. Unsere theoretischen Überlegungen fußen insbesondere auf den Arbeiten des Soziologen Leonard I. Pearlin und des Psychologen Richard S. Lazarus, v. a. aber auf Grundeinsichten der soziologischen Klassik und hier insbesondere auf Überlegungen von Emile Durkheim, Charles H. Cooley und George H. Mead. Die Bewältigung einer schweren chronischen Krankheit ist ein prozeßhaftes, komplexes und hochinterde-pendentes Geschehen. Bei seiner theoretischen Rekonstruktion sind daher gelegentliche Überschneidungen beabsichtigt und gelegentliche Wiederholungen unvermeidlich.

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© 1987 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

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Badura, B. (1987). Krankheitsbewältigung als psychosozialer Prozeß. In: Leben mit dem Herzinfarkt. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-71713-0_2

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