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Die psychosomatische Erkrankung in der „Theorie der Interaktionsformen“ (Lorenzer): Metatheorie statt Metasemantik

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Tatort Körper — Spurensicherung
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Zusammenfassung

Es ist sicherlich inzwischen einsichtig geworden, daß die verschiedenen psychoanalytisch orientierten Konzepte psychosomatischer Körperstörungen vor allem am Problem scheiterten, die qualitativ verschiedenen Prozesse, die in einer psychosomatischen Krankheitsgenese eine wesentliche Rolle spielen, der Sachlage angemessen miteinander zu vermitteln. Dies gilt nicht nur für die Vermittlung von biologischen und seelischen Prozessen, sondern ebenso für die Einbeziehung von und die Vermittlung mit sozialen Prozessen. Versteht man etwa mit Jores (1973, S. 29) die psychosomatischen Erkrankungen als spezifisch menschliche, die beim Tier nur unter den künstlichen Bedingungen eines Laborexperiments erzeugt werden können, und sieht man die Differentia specifica des Menschen mit Herbart (1824, Bd. II, S. 3) — und im Einklang mit der 6. These über Feuerbach von Marx — in seiner gesellschaftlichen Existenzweise, dann sind auch die wesentlichen Bedingungen psychosomatischer Erkrankungen nicht im Menschen, sondern auf gesellschaftlichem Terrain zu suchen. Zielt Wissenschaft auf das konkrete Wesen ihres Gegenstands und blendet man die spezifischen, historisch gewordenen sozialen Prozesse aus dem Vermittlungszusammenhang aus, dann würde die psychoanalytische Psychosomatik fraglos zu einer wesenlosen und d. h. Scheinwissenschaft disqualifiziert werden. Die Notwendigkeit einer Vermittlung von naturwissenschaftlichen und psychoanalytischen Erkenntnissen wurde zwar gelegentlich gesehen — auch wenn die damit verbundenen Probleme für gegenwärtig nicht lösbar gehalten wurden oder in vulgärmaterialistischer oder stischer Manier „gelöst“ wurden, sei es im Zuge eines biologistischen Reduktionismus, der Abstraktionen als konkret unterstellt, einer Bindestrich-„Vermittlung“, die den Ausgangspunkt des Vermittlungsproblems bereits als dessen Lösung ausgibt, oder metasemantischer Operationen konstruktivistischer Prägung.

Das Konkrete ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also Einheit des Mannigfaltigen. Im Denken erscheint es daher als Prozeß der Zusammenfassung, als Resultat, nicht als Ausgangspunkt, obwohl es der wirkliche Ausgangspunkt und daher auch der Ausgangspunkt der Anschauung und der Vorstellung ist. Im ersten Weg wurde die volle Vorstellung zu abstrakter Bestimmung verflüchtigt; im zweiten führen die abstrakten Bestimmungen zur Reproduktion des Konkreten im Wege des Denkens. Hegel geriet daher auf die Illusion, das Reale als Resultat des sich in sich zusammenfassenden, in sich vertiefenden und aus sich selbst sich bewegenden Denkens zu fassen, während die Methode, vom Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen, nur die Art für das Denken ist, sich das Konkrete anzueignen, es als ein geistiges Konkretes zu reproduzieren. Keineswegs aber der Entstehungsprozeß des Konkreten selbst.

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