Zusammenfassung
Es spricht für den Gedankenreichtum der Rechtsphilosophie von Gustav Radbruch, daß seine umstrittene Stellungnahme zum Rechtspositivismus in der Darstellung seines Lehrbuchs1 immer wieder zum erneuten Überdenken anregt. Sogar in befremdlichen Zusammenhängen glaubt man, auf diese Überlegungen Bezug nehmen zu dürfen. So verteidigte sich erst kürzlich ein wegen seiner Beteiligung an Terror-Todesurteilen angeklagter ehemaliger Richter des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs mit Radbruchs bekannten und oft angegriffenen Worten: „Für den Richter ist es Berufspflicht, den Geltungswillen des Gesetzes zur Geltung zu bringen, das eigene Rechtsgefühl dem autoritativen Rechtsbefehl zu opfern, nur zu fragen, was rechtens ist, und niemals, ob es auch gerecht sei. Man möchte freilich fragen, ob diese Richterpflicht selbst, dieses sacrificium intellectus, diese Blankohingabe der eigenen Persönlichkeit an eine Rechtsordnung, deren künftige Wandlungen man nicht einmal ahnen kann, sittlich möglich sei. Aber wie ungerecht immer das Recht seinem Inhalt nach sich gestalten möge — es hat sich gezeigt, daß es einen Zweck stets, schon durch sein Dasein, erfüllt, den der Rechtssicherheit. Der Richter, indem er sich dem Gesetze ohne Rücksicht auf seine Gerechtigkeit dienstbar macht, wird also trotzdem nicht bloß zufälligen Zwecken der Willkür dienstbar.
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Literatur
Gustav Radbruch, Rechtsphilosophie, S.Auflage (besorgt von Erik Wolf), Stuttgart 1956.
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© 1981 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
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Klug, U. (1981). Thesen zu einem kritischen Relativismus in der Rechtsphilosophie. In: Skeptische Rechtsphilosophie und humanes Strafrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-68278-0_1
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