Zusammenfassung
Der Geist kennt kaum einen stärkeren Drang als den nach der Erkenntnis der „Wirklichkeit“, nach dem, was er sich gegenüberstellen kann. Diesem Drang entspricht die überwältigende Fülle der Antworten, die in allen Zeiten und Zonen von Philosophie und Ethik, von Theologie und von den großen Künsten auf die Frage nach dem Wesen der Wirklichkeit gegeben wurden. An dieser ungeheuren Fülle geistiger Gebilde scheint sich allenthalben ein eigenartiges Phänomen zu zeigen. Dieses Phänomen besteht darin, daß der menschliche Geist, indem er die Wirklichkeit in den Gebilden seines Erkennens erfaßt, an dieser Wirklichkeit zugleich auch eine Veränderung vornimmt. Offenbar versieht er im Vorgang des Erfassens das Erkannte mit Zügen, die der Faktizität des Angetroffenen entweder ein Mehr hinzufügen, womöglich aber auch etwas wegnehmen: jedenfalls aber eine Veränderung bewirken. Wenn z. B. Schopenhauer in der Vorrede zur ersten Auflage von „Die Welt als Wille und Vorstellung“ meint: „Ein System von Gedanken muß allemal einen architektonischen Zusammenhang haben, d. h. einen solchen, in welchem immer ein Teil den anderen trägt..., der Grundstein endlich alle, ohne von ihnen getragen zu werden — der Gipfel getragen wird, ohne zu tragen“ — so fordert er für die Bewältigung der Wirklichkeit durch das philosophische Denken ein Mehr: nämlich eine architektonische Strukturierung, wie sie sich im schlichten Hinsehen auf die bloße Wirklichkeit nicht zeigt.
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Tellenbach, H. (1980). Die Wirklichkeit, das Komische und der Humor. In: Heidelberger Jahrbücher. Heidelberger Jahrbücher, vol 24. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-67713-7_6
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