Zusammenfassung
Von jenen Organisationen, mit denen wir uns hier hauptsächlich befassen wollen, erwartet man, daß sie die Interessen ihrer Mitglieder fördern. Von Gewerkschaften erwartet man, daß sie sich um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder bemühen; von Bauernverbänden, daß sie sich um eine für ihre Mitglieder günstige Gesetzgebung bemühen; von Kartellen, daß sie sich um höhere Preise für die angeschlossenen Unternehmungen bemühen; von einer Aktiengesellschaft, daß sie die Belange ihrer Aktionäre för dert;1) und vom Staat, daß er die gemeinsamen Interessen seiner Bürger fördert.
Wiedergegeben mit freundlicher Erlaubnis des Verlags J.C.B. Mohr und des Verfassers Mancur Olson: Die Logik des kollektiven Handelns, Tübingen, 1968, S. 1–51, gekürzt.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
R.M. MacIver, Interests, Encyclopaedia of the Social Sciences, 7, New York, 1932, S. 147.
A. Bentley, The Process of Government, Evanston, 111., 1949, S. 211.
D.B. Truman vertritt eine ähnliche Auffassung; vgl. sein The Governmental Process, New York, 1958, S. 33–35.
Vgl. auch S. Verba, Small Groups and Political Behavior, Princeton, N.J., 1961, S. 12–13.
R. Cattell. „Concepts and Methods in Measurement of Group Syntality“, in A.P. Hare, E.F. Borgatta und R.F. Bales (Hrsg.), Small Groups, New York, 1955, S. 115.
Vgl. J.M. Clark, The Economics of Overhead Costs, Chicago, 1923, S. 147
und H. Knight, Risk, Uncertainty, and Profit, Boston, 1921, S. 193.
E. Chamberlin, Monopolistic Competition, 6. Aufl.,.Cambridge, Mass., 1950, S. 4.
Vgl. die eingehendere Diskussion bei M. Olson, Jr. und D. McFarland, The Restoration of Pure Monopoly and the Concept of the Industry, Quarterly Journal of Economics, 76 (1962), S. 613–631.
R. Michels behauptet in seiner klassischen Untersuchung, „ohne Organisation ist die Demokratie nicht denkbar“und „das Prinzip der Organisation muß also als die conditio sine qua non der sozialen Führung der Massen betrachtet werden“. Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie, Stuttgart, Neudruck der 2. Aufl., 1925, S. 24–25; vgl. auch R.A. Brady, Business as a System of Power, New York, 1943, S. 193.
A. Heard, The Costs of Democracy, Chapel Hill, 1960, insbesondere Fußnote 1, S. 95–96. Im Jahre 1947 gab die National Association of Manufactures z.B. über 4,6 Mill. Dollar aus, und genau so viel gab während eines etwas längeren Zeitraumes die American Medical Association für eine Kampagne gegen die Pflichtkrankenversicherung aus.
“Wenn die ganze Wahrheit einmal zutage käme..., würde sich zeigen, daß die Lobby in allen ihren Verzweigungen eine Milliarden-Dollar-Branche ist”. Kongreß der Vereinigten Staaten, Ausschuß zur Untersuchung von Lobby-Tätigkeiten (House, Select Committee on Lobbying Activities), Report, 81. Cong. 2. Sess. (1950), zit. im Congressional Quarterly Almanac, 81. Cong., 2. Sess., 6, S. 764–765.
Soziologen wie auch Ökonomen haben beobachtet, daß ideologische Motive allein nicht genügen, um fortgesetzte Anstrengungen grosser Massen herbeizuführen. Max Weber liefert ein bemerkenswertes Beispiel: “Alles Wirtschaften wird in der Verkehrswirtschaft von den einzelnen Wirtschaften zur Deckung eigener ideeller oder materieller Interessen unternommen und durchgeführt. Auch dann natürlich, wenn es sich an die Ordnungen von wirtschaftenden, Wirtschafts- oder wirtschaftsregulierenden Verbänden orientiert…. In einer sozialistisch organisierten Wirtschaft wäre dies nicht prinzipiell anders… Die Interessenkonstellationen wären abgeändert, die Mittel der Interessenwahrnehmung andere, aber jenes Moment würde ganz ebenso zutreffen.So sicher es ist, daß rein ideologisch an fremden Interessen orientiertes wirtschaftliches Handeln vorkommt, so sicher ist auch, daß die Masse der Menschen nicht so handelt und nach allen Erfahrungen nicht so handeln kann.... In einer Verkehrswirtschaft ist das Streben nach Einkommen die unvermeidliche letzte Triebfeder alles wirtschaftlichen Handelns.” M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, in: Grundriß der verstehenden Soziologie, 4. Auflage, Tübingen 1956, 3. Abt., 1. Halbband, S. 118/19.
T. Parsons und N. Smelser gehen noch weiter, wenn sie annehmen, daß “Leistung” durchwegs in der Gesellschaft den “Belohnungen” und Sanktionen” proportional ist. Vgl. ihr Economy and Society, Glencoe, 1954, S. 50–69.
Vlg. jedoch Abschnitt IV: “Exklusive und inklusive Gruppen”.
Diese einfache Definition konzentriert sich auf zwei Gesichtspunkte, die im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung sind. Der erste Gesichtspunkt ist, daß die meisten Kollektivgüter nur im Hinblick auf eine bestimmte Gruppe definiert werden können. Ein Kollektivgut paßt nur zu einer Gruppe von Menschen, ein anderes Kollektivgut nur zu einer anderen Gruppe; eines mag der ganzen Welt nützen, ein anderes nur zwei bestimmten Menschen. Ausserdem sind einige Güter für die eine Gruppe Kollektivgüter und gleichzeitig Individualgüter für eine andere, weil einige Menschen gehindert werden können, sie zu konsumieren, andere dagegen nicht. Nehmen wir zum Beispiel eine Parade. Sie stellt für diejenigen, die in hohen Häusern an der Paradestraße wohnen, ein Kollektivgut dar, ist aber für die Leute, die erst einen Tribünenplatz an der Straße kaufen müssen, um zuschauen zu können, ein Individualgut. Der zweite Gesichtspunkt: wenn die relevante Gruppe bestimmt ist, definieren wir ein Kollektivgut mit Musgrave als ein Gut, das potentiellen Konsumenten praktisch nicht vorenthalten werden kann. Dieser Ansatz wurde gewählt, weil die von Organisationen aller Art produzierten Kollektivgüter offenbar so beschaffen sind, daß ein Vorenthalten praktisch nicht durchführbar ist. Allerdings, bei einigen Kollektivgütern wäre ein Vorenthalten physisch möglich, aber wie Head gezeigt hat, muß der Ausschluß nicht nowendigerweise technisch unmöglich, sondern lediglich unpraktisch oder unwirtschaftlich sein. Head hat auch klar gezeigt, daß die Nicht-Ausschlußfähigkeit in der traditionellen Auffassung von Kollektivgütern nur eine von zwei Grundeigenschaften ist. Die zweite ist, wie er betont, die “Verbundenheit” des Angebots. Ein Gut besitzt “Verbundenheit”, wenn es, einmal für ein Individuum verfügbar, auch anderen leicht oder kostenlos gegeben werden kann. Das Gegenstück zur “Verbundenheit” wäre Samuelsons reines Kollektivgut, also ein Gut, deseen fortgesetzter Konsum durch ein Individuum die für andere verfügbare Menge nicht schmälert. Bei der hier verwendeten Definition ist “Verbundenheit” keine notwendige Eigenschaft eines Kollektivgutes. Wie spätere Abschnitte dieses Kapitels zeigen werden, hat zumindest eine Art der hier betrachteten Kollektivgüter überhaupt keine “Verbundenheit”; und nur wenige, wenn überhaupt welche, haben den Grad von “Verbundenheit”, der sie als reine Kollektivgüter qualifizieren würde. Nichtsdestoweniger zeigen die meisten der hier betrachteten Kollektivgüter ein hohes Maß an “Verbundenheit”. Zur Definition und Bedeutung kollektiver Güter vgl. G. Head, Public Goods and Public Policy, Public Finance, 17, (1962), S. 197–219
R.A. Musgrave, Finanztheorie, Tübingen 1966
P.A. Samuelson, The Pure Theory of Public Expenditure; Diagrammatic Exposition of A Theory of Public Expenditure; und Aspects of Public Expenditure Theories, in Review of Economics and Statistics, 36 (1954), S. 387–390, 37 (1955 J, S. 350–356, und 40 (1958), S. 332–338. Zu etwas anderen Auffassungen über die Nützlichkeit des Konzepts kollektiver Güter vgl.
J. Margolis, A Comment in the Pure Theory of Public Expenditure, Review of Economics and Statistics, 37 (1955), S. 347–349
und G. Colm, Theory of Public Expenditures, Annals of the American Academy of Political and Social Science, 183 (1536), S. 1–11.
R.M. MacIver in Encycjopaedia of the Social Sciences, 7, s.147.
Einige komplexe Erscheinungen im Verhalten kleiner Gruppen werden behandelt in M. Olson, Jr. und R. Zeckhauser, An Economic Theory of Alliances, Review of Economics and Statistics, 48 (1966), S. 266–279 und in Collective Goods, Comparative Advantage, and Alliance Efficiency, in R.N. McKean (Hrsg.), Issues in Defense Economics, A Conference of the Universities — National Bureau-Committee for Economic Research, New York, 1967, S. 25–48.
Ich bin Alan Williams zu Dank verpflichtet, dessen Studie über Gemeindeverwaltungen (The Optimal Provision of Public Goods in a System of Local Government, Journal of Political Economy, 74 (1966), S. 18–33) meine Aufmerksamkeit auf die Bedeutung dieser externen Wirkungen (spillovers) zwischen Gemeindeverwaltungen lenkte.
24) Es bestehen einige interessante Parallelen zwischen meinen Begriffen “exklusiver” und “inklusiver” Kollektivgüter und einigen neueren Arbeiten anderer Nationalökonomen. Zunächst besteht eine Beziehung zwischen diesen Begriffen und John Heads oben zitiertem Artikel über Public Goods and Public Policy (Public Finance, 17 (1962), S. 197–219). Mir wurde die ganze Tragweite meiner Erörterungen inklusiver und exklusiver Kollektivgüter erst bewußt, als ich Heads Artikel ganz gelesen hatte. Soweit ich es jetzt sehe, können diese Begriffe mit Hilfe seiner Unterscheidung zwischen den beiden definierenden Eigenschaften des traditionellen Kollektivgutes erklärt werden: Undurchführbarkeit des Ausschlusses und “Verbundenheit” des Angebots. Mein exklusives Kollektivgut ist dann ein solches Gut, bei dem — zumindest innerhalb einer gegebenen Gruppe — ein Ausschluß nicht durchführbar ist, bei dem es aber gleichzeitig keinerlei “Verbundenheit” des Angebots gibt, so daß die Mitglieder der Gruppe hoffen, daß andere von der Gruppe ferngehalten werden können. Auch bei meinem inklusiven Kollektivgut ist ein Ausschluß nicht durchführbar — zumindest innerhalb einer gegebenen Gruppe -, es ist jedoch auch, zumindest in beträchtlichem Grade, durch “Verbundenheit des Angebots” gekennzeichnet, und das erklärt, warum sich zusätzliche Mitglieder des Gutes erfreuen können, ohne daß der Konsum der alten Mitglieder wesentlich, wenn überhaupt, eingeschränkt wird. Es besteht zweitens eine Beziehung zwischen meiner inklusivexklusiv Unterscheidung und der Schrift von James M. Buchanan An Economic Theory of Clubs, Economica, 32 (1965), S. 1–14. In Buchanans Schrift wird angenommen, daß ein Ausschluß möglich sei, daß aber ein (eng begrenztes; Maß von Angebots “verbundenheit” bestehe, und es wird gezeigt, daß unter diesen Annahmen,die optimale Anzahl der Verbraucher eines gegebenen Kollektivgutes begrenzt ist, sich von Fall zu Fall ändern wird und manchmal sehr klein sein kann.
Rikers interessantes, in The Theory of Political Coalitions dargelegtes Argument, daß in vielen politischen Konstellationen eine Tendenz zu Koalitionsgewinnen der Minderheiten besteht, schwächt keineswegs unsere Folgerung, daß inklusive Gruppen ihre Mitgliedschaft zu erhöhen versuchen, denn Rikers Argument bezieht sich nur auf Null-Summen-Situationen, und eine solche Situation wird hier nicht analysiert. Keine Gruppe, die ein inklusives Kollektivgut erstrebt, wäre in einer Null-Summen-Situâtion, da der Gewinn definitionsgemäß steigt, je mehr Individuen sich der Gruppe anschließen und je mehr von dem Kollektivgut beschafft wird. Nicht einmal Gruppen, die ein exklusives Kollektivgut erstreben, passen in Rikers Modell, denn obwohl die Menge, die zu einem gegebenen Preis verkauft werden kann, feststeht, kann die Menge und der Preis erhöht werden, und der Gewinn für die Gruppe also variabel sein. Es ist schade, daß Rikers sonst so anregendes und nützliches Buch einige Erscheinungen, wie Militärbündnisse, berücksichtigt, die für seine Null-Summen-Annahme äußerst ungeeignet sind. S. W. H. Riker, The Theory of Political Coalitions, New Haven, Conn. 1962.
Über die Tragweite der Forderung nach Einmütigkeit s. das bedeutende Buch von James M. Buchanan und Gordon Tullock, The Calculus of Consent: Logical Foundations of Constitutional Democracy, Ann Arbor, 1962, besonders Kapitel 6. Ich glaube, daß einige Unklarheiten dieser nützlichen und provozierenden Untersuchung mit Hilfe einiger Ideen, die in der vorliegenden Studie entwickelt wurden, geklärt werden können; s.z.B. meine Besprechung des Buches in der American Economic Review, 52 (1962), S. 1217–1218.
Olson und McFarland, a.a.O.
“Die numerisch einfachsten Gestaltungen, die überhaupt noch als soziale Wechselwirkungen bezeichnet werden können, scheinen sich zwischen je zwei Elementen zu ergeben: so daß jeder von beiden rudimentär in einzelnen Zügen sich fühlbar macht, bald auftaucht, bald verschwindet, oder latent wird, Indem also derartige in der mittleren numerischen Zone gelegenen Gebilde auch objektiv an dem entscheidenden Charakter der darunter und der darüber gelegenen partiell oder abwechselnd teilhaben, erklärt sich die subjektive Unsicherheit in der Bestimmung darüber, welcher von beiden sie angehören”. G. Simmel, Soziologie, Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Leipzig, 1960, S. 247–336 und S. 403–453.
Zwang ist hier als Strafe definiert, die eine Person auf eine niedrigere Indifferenzkurve als die versetzt, auf der sie sich befinden würde, wenn sie ihren Anteil an den Kosten des Kollektivgutes ohne Zwang bezahlt hätte. Ein positiver Anreiz wird definiert als jede Belohnung, die eine Person, welche ihren Anteil an den Kosten des Kollektivgutes beigetragen hat und dafür eine Belohnung erhält, auf eine höhere Indifferenzkurve versetzt, als die, auf der er sich befinden würde, wenn sie ihren Anteil an den Kosten nicht bezahlt und die Belohnung verwirkt hätte. Mit anderen Worten: selektive Anreize sind definitionsgemäß in den Augen der einzelnen von größerem Wert als der individuelle Anteil an den Kosten des Kollektivgutes. Sanktionen und Anreize von geringem Wert reichen nicht aus, um eine latente Gruppe zum Handeln zu veranlassen. Über einige Probleme der Unterscheidung und Definition von Zwang und positiven Anreizen vgl. A. Kuhn, The Study of Society, A Unified Approach, Homewood, 111., 1963, S. 365–370.
Deutsch benutzte den Ausdruck “Mobilisierung” in ganz ähnlichem Zusammenhang, aber in einem anderen Sinn. Vgl. K.W. Deutsch, Social Mobilization and Political Development, American Political Science Review, 55 (1961), S. 493–514.
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1979 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Olson, M. (1979). Die Logik des kollektiven Handelns. Kollektivgüter und die Theorie der Gruppen. In: Pommerehne, W.W., Frey, B.S. (eds) Ökonomische Theorie der Politik. Hochschultext. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-67420-4_13
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-67420-4_13
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-540-09632-0
Online ISBN: 978-3-642-67420-4
eBook Packages: Springer Book Archive