Zusammenfassung
Ernst Troeltsch (1865 – 1923) und Wilhelm Bousset (1865 – 1920) waren seit der Studentenzeit in naher Freundschaft verbunden. Sie fand ihren Niederschlag in einem Briefwechsel, der in allen Lebens- und Arbeitsstadien durchgehalten wurde, am intensivsten in der Jugend und in Troeltschs Heidelberger Zeit. Bousset und seiner den Nachlaß mit Sorgfalt verwaltenden Frau ist es zu danken, daß Troeltschs Briefe aus den Jahren 1895 – 1919 vollständig vorliegen 1). Wenn auch Boussets korrespondierende Äußerungen fehlen, so entwirft sich doch aus den Briefen von Troeltsch ein sehr lebendiges Bild der beiden Gelehrten, ihrer persönlichen Eigenart und ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Sie ist Hauptthema der Briefe: „Denn“, so schreibt Troeltsch aus dem Vikariatsjahr, „ich bin nun einmal seit langem gewöhnt, meine Fortschritte in Gemeinschaft mit Dir zu tun und wie man ja ein Bedürfnis nach irgendwelchem Publikum unabweislich hat, so habe ich im Stillen unwillkürlich meine Arbeit mit dem Gedanken begleitet, was Du nun wohl dazu sagen würdest“(München, 11. IX. 89). Dieser Grundtenor bleibt hinfort bestehen. Über das wissenschaftsgeschichtlich Bedeutende hinaus — den Blick in die liberale Theologie zwischen 1880 und 1920 —, haben die Briefe ihren persönlichen Reiz: Boussets große seelsorgerliche Gabe wird sichtbar durch das Vertrauen, mit dem Troeltsch sich ihm gegenüber ausspricht; Troeltsch selbst tritt dem Leser in der Unmittelbarkeit entgegen, die auch seine Kolleges auszeichnete.
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Literaturverzeichnis
Die wissenschaftliche Korrespondenz von W. Bousset wurde uns durch seinen Neffen, Hermann Bousset, Stuttgart, sorgfältig geordnet, anvertraut. Es liegen vor: insgesamt 44 Briefe sowie 60 Brief- und Postkarten aus der Zeit 1885 – 1919; davon aus Studium und Vikariat 17 Briefe und 1 Karte (1885/89), aus den Heidelberger Jahren 24 Briefe und 22 Brief- und Postkarten (1894/1914). Die Numerierung im folgenden ist unabhängig von der Gesamtzahl vorgenommen. Altertümliche Schreibweisen sind beibehalten; eckige Klammern bezeichnen Zusätze des Hrsg. Zu Boussets Briefnachlaß vgl. E. Dinkler, in: Theol. Rundschau 38 (1973) 335 f. Die Korrespondenz bietet wertvolle Ergänzung zu A. F. Verheule, Wilhelm Bousset, Leben und Werk (Amsterdam 1973), dazu W. G. Kümmel, in: ThR 38 (1973) 334 f.
C. Neumann (1860 – 1934), vgl. Heid. Jhb. XVI (1973) 13 f. m. Abb. — Unübertroffen in der Charakteristik des Freundes ist C. Neumanns Nachruf „Zum Tode von Ernst Troeltsch“, in: Deutsche Vierteljahrsschrift f. Literaturwiss. u. Geistesgesch. I (1923) 161/171.
Zur Veröffentlichung kam nur die Vorlesung Glaubenslehre (1925) nach Kollegnachschrift von G. von Le Fort.
Vgl. E. Troeltsch, Die „kleine Göttinger Fakultät“von 1890, in: Christi. Welt 34 (1920). — Zur Religionsgeschichtl. Schule und ihren Vertretern: Rel. in Gesch. u. Geg.-wart3 Bd. V (1961) 991/994 (J. Hempel) und im einzelnen Verheule, op. cit. 12 fund 324/352.
Bousset dagegen, der bei den Behörden als zu radikal galt, verblieb in Göttingen (seit 1896 Extraordinarius für Neues Testament und Exegese), trotz dreimaliger Versuche des Freundes und anderer Kollegen, seine Berufung nach Heidelberg durchzusetzen. Erst 1916 erhielt er ein Ordinariat in Gießen.
Bespr. von: A. Lipsius, Lehrbuch der ev.-prot. Dogmatik3 (1893) in: Gott. Gel. Anz. 1894.
Eduard Grafe, 1855 – 1922, Neues Testament; Joh. Meinhold, 1861 – 1928, Altes Testament; Karl Sell, 1845 – 1914, Kirchengeschichte; Arnold Meyer, 1861 – 1934, Neues Testament u. prakt. Theologie.
G. Loeschcke, 1852 – 1915, klass. Archäologie, 1890 – 1912 Bonn; H. Dietzel, 1857 – 1935, Volkswirtschaft, seit 1890 Bonn.
Ad. Jülicher, 1857 – 1938, Neues Testament u. Alte Kirchengesch., seit 1889 Marburg.
Heinr. Jul. Holtzmann, 1832 – 1910, Neues Testament, 1858 – 1874 in Heidelberg; Friedr. Spitta, 1852 – 1924, Neues Testament u. prakt. Theologie.
Adalbert Merx, 1838 – 1909, Altes Testament.
Adolf Hausrath, 1867 – 1906, Kirchengeschichte.
Ludw. Lemme, 1867 – 1927, Systemat. Theol., Vertreter der positiven Richtung.
Carl Holsten, 1825 – 1897, Neues Testament.
Heinr. Bassermann, 1849 – 1909, prakt. Theologie.
Georg Grützmacher, 1866 – 1914, Kirchengeschichte. — Ad. v. Harnack, Berlin, geb. 1851, Kirchen- u. Dogmengesch., gest. 1930 in der Med. Klinik Heidelberg.
Ferd. Hitzig, 1807 – 1875, Altes Testament, zuletzt Heidelberg.
Paul Feine, 1859 – 1933, Neues Testament.
Alfr. Rahlfs, 1856 – 1935, Altes Testament, Textkritik; seit 1891 Göttingen.
Herm. Schultz, 1836 – 1903, Systemat. u. prakt. Theologie, seit 1876 Göttingen.
W. Bousset, Der Antichrist in der Überlieferung des Judentums, des NT u. der Alten Kirche (1895).
H. Gunkel, Schöpfung und Chaos in Urzeit u. Endzeit (1895).
William Wrede, 1859 – 1906, Neues Testament; 1891 Priv.-Doz. Göttingen, 1895 Breslau.
Jul. Wellhausen, 1844 – 1918, Altes Testament; seit 1892 Göttingen.
Joh. Weiss, 1863 – 1914, Neues Testament; 1888 Priv.-Doz. Göttingen, 1895 Marburg, 1908 Heidelberg (s. unten Brief 10).
Arnold Meyer, Jesu Muttersprache. Das galiläische Aramäisch in seiner Bedeutung für die Reden Jesu u. der Evangelien überhaupt (1896).
E. Troeltsch, Religionsphilosophie u. theolog. Principienlehre, Lit.-bericht über d. J. 1895, in: Theol. Jahresbericht 15.
Ad. Kamphausen, 1829 – 1910, Altes Testament, seit 1859 in Bonn.
Martin Rade, 1857 – 1940, Systemat. Theologie, seit 1900 Marburg. Mitbegründer u. -hrsg. der,Christl. Weif‘, deren,Freunde‘sich jährl. in Eisenach trafen. An der Herbstsitzung 1896 teilzunehmen bat Troeltsch am 25. 9. 96 Bousset dringend: „Denn ich brauche etwas Deckung. Ich habe so etwas das Gefühl, dass es eine Schlacht giebt u. hoffe nur, dass alles gut ausgeht.“Er täuschte sich nicht. Nach einem Vortrag von J. Kaftan über Logoslehre sprang Troeltsch aufs Katheder u. eröffnete seine Gegendarstellung der theolog. Situation mit den Worten „Meine Herren, es wackelt alles.“Als F. Kattenbusch ihm „schofele Theologie“vorwarf, verliess Troeltsch protestierend den Saal; vgl. W. Köhler, Ernst Troeltsch (1941) 1.
E. Troeltsch, Religion u. Kirche, in: Preuss. Jhbb. 81 (1895) = Ges. Schriften II; Atheistische Ethik, ebda. 82 (1895)=ges. Schr. II; Die Selbständigkeit der Religion, in: Zs. f. Theol. u. Kirche 5 u. 6 (1895).
Die Systematiker Jul. Kaftan, Berlin (s. I, Anm. 4); Wilh. Herrmann, Marburg (1846–1922); Theod. Häring, 1848 – 1928, 1889 Göttingen, seit 1894 Tübingen.
Beide waren Boussets Schüler während ihres Studiums in Göttingen 1896/98 bzw. 1894/95: W. Lue-ken, geb. 1875, Verf. der religionsgesch. Studie über den Erzengel Michael (1898); dazu Bousset, in: ThR 2 (1899) 105 u. 7 (1904) 269. — P. Wernle, 1872 – 1939. Später Basel, NT und Kirchengeschichte.
Troeltschs Verlobung mit Bassermanns Tochter wurde von dieser 1897 aufgelöst; vgl. auch Brief 6.
Ad. Deissmann, 1866 – 1937, in Heidelberg von 1898 – 1908 als Nachfolger Holstens auf dem Lehrstuhl für NT, anstatt des von Troeltsch u. A. vorgeschlagenen W. Bousset.
Max Weber, 1864 – 1920, Nationalökonomie, in Heidelberg 1897 – 1919, wohnte im gleichen Haus wie Troeltsch, Ziegelhäuser Landstrasse 17, gegenüber dem Schloss. — P. Hensel, 1860 – 1930, Neukantianer, seit 1897 in Heidelberg.
Bousset war Begründer (1897) u. Herausgeber (seit 1898, bzw. 1901 zus. mit W. HeitmÜller) der,Theolog. Rundschau‘; vgl. Verheule, op. cit. 32 f.
1896 – 1899 erschienen von Troeltsch Literaturberichte über,Religionsphilosophie u. prinzipielle Theologie‘in: Theolog. Jahresbericht XV — XVIII.
Boussets,Hauptprobleme der Gnosis‘(1907) wurde in langjährigen Studien vorbereitet; Verheule, op. cit. 131 ff.
Carl Schmidt, 1868 – 1938, Kirchengeschichte u. kopt. Literatur.
Alb. Eichhorn, Das Abendmahl im Neuen Testament (1898).
H. Lietzmann, Zur Menschensohnfrage, Lic. Diss. 1896 = Arbeiten d. rhein. Pred.-Verein NF 2 (1899) 1–4. — P. Wernle, Der Christ u. die Sünde bei Paulus (1897).
W. Bousset, Jesu Predigt in ihrem Gegensatz zum Judentum, ein religionsgesch. Versuch (1892).
Der Aufsatz konnte für die in Frage kommenden Jahre nicht verifiziert werden.
G. Ecke, Die theolog. Schule A. Ritschis u. die ev. Kirche der Gegenwart I (1897).
E. Troeltsch, Geschichte u. Metaphysik, in: ZThK VIII (1898), Erwiderung auf Kaftans Angriff gegen „Die Selbständigkeit der Religion“; s. Brief 3, Anm. 33.
Hundertjahrfeier des Geburtstags von Richard Rothe, 1799 – 1867, bedeutender Dogmatiker in Heidelberg; vgl. H. Bornkamm, in: Ruperto-Carola, Sonderband, Aus der Gesch. der Universität Heidelberg u. ihrer Fakultäten (1961) 146/150.
W. Anz, Zur Frage nach dem Ursprung des Gnostizismus (Leipzig 1897).
Vgl. oben Brief 4, Anm. 36.
1899 fand in Hermannstadt die Einweihung des Denkmals von G. D. Teutsch, Landesbischof von Siebenbürgen, statt unter Teilnahme delegierter Vertreter deutscher ev. Fakultäten, so auch Ad. v. Harnack u. H. v. Schubert. Vgl. Troeltsch, Erinnerung an Siebenbürgen, in: Christi. Welt XIII (1899) 1233/38.
Deutscher Idealismus, in: Realencyclopädie f. prot. Theol. u. Kirche3, hrsg. v. Hauck-Herzog, 8 (1900) = E. Troeltsch, Ges. Schr. IV.
Leibniz u. die Anfänge des Pietismus, in: Der Prot, am Ende des 19. Jhs., hrsg. v. C. Werckshagen I (1902) = E. Troeltsch, Ges. Schr. IV.
Grundprobleme der Ethik, in: ZThK XII (1902) = E. Troeltsch, Ges. Schr. II.
Troeltschs Art.,Aufklärung‘war bereits 1897 in der Realencycl. von Hauck-Herzog erschienen.
Gegen den Pfarrer H. Weingart (1866 – 1921) erfolgte 1899 ein kirchl. Disziplinarverfahren wegen kritisch-theolog. Anschauungen.
W. Bousset, Die Religion des Judentums im Späthellenist. Zeitalter (1902).
Ders., Das Wesen des Christentums, in: ThR (1901) 89 ff.
E. Troeltsch, Das Historische in Kants Religionsphilosophie (1904, Sonderdruck aus Kant-Studien IX).
Englische Moralisten, in: Realencycl. f. prot. Theol. u. Kirche3, 13 (1903) =Ges. Schr. IV.
Rud. Otto, 1869 – 1937, systemat. Theologie, 1897 – 1914 Göttingen, dann Marburg; W. HeiT-müller, 1869 – 1926, Neues Testament; Friedr. Naumann(1860 – 1919); über Boussets Beziehungen zu Naumann vgl. Vermeule, op. cit. 25/29.
Troeltsch war seit 1901 verheiratet mit der Tochter eines mecklenburgischen Hauptmanns u. Gutsbesitzers.
W. Bousset, Jesus (1904).
s. Teil I, Anm. 3.
1908 versuchte man in Heidelberg von liberaler Seite zum 2. Mal erfolglos W. Bousset auf den durch Deissmanns Fortgang freigewordenen neutestl. Lehrstuhl zu bekommen; vgl. oben Brief 4, Anm. 37.
G. Grützmacher s. Anm. 19; G. Hoennicke, Lic. Dr. Priv.-Doz. für NT in Berlin; A. Juncker, Lic. ao. Prof. für NT in Breslau.
W. Bousset, Kantisch-Fries’sche Religionsphilosophie u. ihre Anwendung auf die Theologie, in: ThR (1909) 419 ff.; 471 ff.; zu dem „Dissensus“zw. Troeltsch-Bousset vgl. Verheule, 385 ff.
A. Kalthoff, 1850 – 1906, Begründer eines theolog. Radikalismus, leugnete die histor. Existenz Jesu. Sein Buch „Das Christusproblem“erschien 1903 in 2. Aufl.
W. Bousset, Kyrios Christos, Geschichte des Christusglaubens von den Anfängen des Christentums bis Irenäus (1913).
Troeltschs Berufung nach Berlin bedeutete zugleich den Übergang in die philos. Fakultät..
Reinh. Seeberg, 1859 – 1935, syst. Thcol., seit 1898 in Berlin.
Heinr. Weinel, 1874 – 1936, NTliche u. syst. Theol., seit 1907 in Jena.
H. von Schubert, 1859 – 1931, Kirchengesch., in Heidelberg seit 1906; vgl. auch Heidelberger Jhb. XVI (1972) 11 f. m. Abb.
Gottfr. Traub, 1869 – 1956, ev. Theologe u. Politiker; 1911 erfolgte ein kirchl. Diszisplinarverfah-ren wegen kirchenkrit. Verhaltens gegen ihn, das grosses Aufsehen erregte.
Erwin Preuschen, 1867 – 1920, zuletzt Gießen.
Martin Dibelius, 1883 – 1947, seit 1914 in Heidelberg, nachdem der dritte Versuch, Bousset durchzubringen, gescheitert war.
Walther Bauer, 1877 – 1945, zuletzt Göttingen.
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Dinkier -von Schubert, E. (1976). Ernst Troeltsch. In: Heidelberger Jahrbücher. Heidelberger Jahrbücher, vol 20. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-66423-6_2
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