Die Capillaritis alba

Zusammenfassung

Als „Capillaritis alba“ wird im deutschsprachigen Schrifttum seit etwa 20 Jahren mitunter eine Affektion im Bereich distaler Beinregionen bezeichnet, deren Erstbeschreibung als „Atrophie blanche“ auf Milian (1929) zurückgeht. Offensichtlich identische Fälle wurden seinerzeit auch von Gottron als „Spontanatrophie über Varizen bzw. beim varikösen Symptomenkomplex“ herausgestellt. Dieses keineswegs seltene Krankheitsbild hat im Lauf der Zeit recht unterschiedliche Deutungen erfahren. Nach Milian — der übrigens schon von Anfang an auf die häufige Koinzidenz mit dem „varikösen Symptomenkomplex” hingewiesen hatte — handelte es sich um einen chronischen Entzündungsprozeß mit Beteiligung feinster Hautgefäße im Rahmen von Syphilis, Tuberkulose und anderen Infektionskrankheiten. Ein neuer Akzent wurde wenig später von Gougerot und Touraine gesetzt, die eine primäre Capillaritis für das Entscheidende hielten und die Atrophia alba als sklerosierende und atrophisierende Sonderform der großen Gruppe ihrer chronischen Capillaritiden einordneten. Die weitere Entwicklung brachte — wenn auch nicht allgemein und insgesamt eher zögernd — eine Zuordnung zu den Hautveränderungen der chronisch-venösen Insuffizienz (Grimmer, Hauser, Santler, Schneider und Fischer u.a.m.). Die rein deskriptive Anwendung des Terminus „Atrophia alba“ kann allerdings — wie auch Literaturbeispiele aus jüngster Zeit zeigen — immer wieder zur Verwischung nosologischer Grenzen führen. Unserer Meinung nach stellt die Atrophia alba aber nicht nur eine morphologische, sondern auch eine nosogenetische Entität dar. Auf offensichtlich vorkommende vereinzelte Ausnahmen sei mangels eigener Erfahrungen hier nicht eingegangen.