Zusammenfassung
Das deutsche Arztrecht beruht nach verbreiteter Ansicht auf einer „typisierten Kasuistik der Zivilgerichte“ (1). Auch wenn die Verfahren gegen Ärzte nur einen verschwindend geringen Anteil der ärztlichen Behandlungsmaßnahmen betreffen (2), so kommt ihnen doch unter dem Gesichtspunkt unserer Thematik große Bedeutung zu. Diese Judikatur beschwört die Gefahr einer defensiven Medizin herauf: Ärzte entscheiden nicht allein nach medizinischen Gesichtspunkten, sondern auch oder sogar vorrangig nach juristischen. Aus juristischer Vorsicht wird etwa bei der Diagnose zu viel getan oder therapeutisch zu wenig gewagt. Diese Form der defensiven Medizin widerspricht letztlich dem, was der Ärztestand selbst von sich verlangt, nämlich, daß der Arzt „den Patienten nach den Regeln der Medizin gewissenhaft“ behandelt und versorgt (3). Und anderes verlangt auch die Rechtsprechung nicht von den Ärzten (4).
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Anmerkungen
Laufs, Arztrecht, 5. Aufl. 1993, S. 13.
Ulsenheimer/Bock, Verhalten nach einem Zwischenfall, in: Anästhesiologie & Intensivmedizin 1996, S. 141, nennen eine Zahl von weniger als 1‰.
OLG Düsseldorf, MedR 1986,197,199.
So zuletzt Groß, Die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Haftungs- und Schadensrecht, in: VersR 1996, S. 657667,663 f.
Das ist schwer zu belegen, aber manche Urteile lassen im Ergebnis oder in der Begründung den Gedanken naheliegend erscheinen. Vgl. etwa OLG Nürnberg, VersR 1992,754; BGH, NJW 1994,3012. Noch schwerer nachzuweisen ist eine den Patienten begünstigende Verhandlungsführung. Im Ergebnis so auch Tröndle, Selbstbestimmungsrecht des Patienten - Wohltat und Plage?, in: MDR 1983, S. 881: „Das rechtsstaatliche Gewissen hat… in der Bundesrepublik die Gewohnheit, gegen die Ärzte auszuschlagen.“
So auch v. Bar, Das ”Trennungsprinzip” und die Geschichte des Wandels der Haftpflichtversicherung, in: AcP 181, 1981, S. 289ff., 290, der in diesem Zusammenhang von einer bezeichnenden Diskrepanz spricht. In den Urteilen werde die Haftpflichtversicherung nicht erwähnt, doch äußerten sich einige der höchsten Richter privat durchaus über den Einfluß der Haftpflichtversicherung. Vgl. dazu auch Fuchs, Studien zur elterlichen Aufsichtspflicht, 1995, S. 303f., mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
Nach der überzeugenden Judikatur des BGH kann ein Behandlungsfehlerprozeß in aller Regel nicht ohne medizinische Sachverständigengutachten geführt werden. Vgl. dazu etwa BGH, VersR 1971,764.
OLG Düsseldorf, NJW 1990,771.
OLG München, VersR 1993, 1488; OLG Frankfurt, VersR 1994, 986; OLG München, VersR 1995,95.
BSG, NJW 1996,806.
Z.B. LG Duisburg, MedR 1984,196; und dazu Kern, Aufklärungspflicht und wissender Paüent, in: MedR 1986, S. 176–180,178.
Hartmann, in: Baumbach/Lauterbachi’Albers/Hartmann, ZPO, 52. Aufl. 1994, §300, Rdnr. 5.
So Schellhammer, Zivilprozeß, 6. Aufl. 1994, S. 376; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl. 1995, §300, Rdnr. 2.
Vgl. dazu zuletzt Schlesw.-Holst. OLG, MedR 1996,272 mit Problemstellung von Alpes.
Z.B. BGH, NJW 1995,776.
OLG Köln, VersR 1982,453; OLG München, NJW 1984,1412; kritisch dazu Kern, Rechtliche Anforderungen an den klinischen Einsatz von Assistenzärzten in Facharztausbildung (OLG Köln, VersR 1982,453), in: Der Chirurg, 1983, S. 558 f.
BGH, NJW 1984,655, seitdem ständige Rechtsprechung; zuletzt: KG, VersR 1995,300,301. Vgl. dazu insgesamt: Kern, Behandlung durch einen selbständig handelnden Assistenzarzt (Anfängeroperation), in: DMW 1990, S. 1368.
Vgl. Opderbecke/Weißauer, Facharztqualität versus formelle Facharztqualifikation, in: MedR 1993, S. 2 ff.; Ulsenheimer, Operationsdurchführung und -Überwachung eines “Berufsanfängers”, in: Gynäkologe 1993, S. 349 ff.
Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 6. Aufl., Köln 1995, S. 116, nach BGH, NJW 1992,1560,1561.
Vgl. Opderbecke/Weißauer, ík MedR 1993, S. 2,4; Ulsenheimer, in: Gynäkologe 1993, S. 349 ff.
So wohl auch schon Baur, Die Facharztpräsenz bei der Anfängeroperation, in: MedR 1995, S. 192.
Vgl. z.B. BGH, NJW 1978,1681.
Vgl. dazu insbesondere Schmid, Über den notwendigen Inhalt ärztlicher Dokumentation, in: NJW 1987,681.
OLG Düsseldorf, MedR 1996,79.
BGH, MedR 1986,39, mit Problemstellung von Kern.
Erst im Jahre 1988 fand die ärztliche Aufklärungspflicht als Berufspflicht Aufnahme in die Musterberufsordnung der deutschen Ärzte; vgl. dazu Ratzell Uppen, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte (MBO), 1995, S. 42.
Vgl. etwa nur BGH, VersR 1993,228.
BGH, VersR 1980,68,69.
So aber BGH, NJW 1994, 3012, allerdings bezüglich einer Beratungspflicht. Das Urteil vermag auch unter anderen Gesichtspunkten, etwa dem der Kausalität, wenig zu überzeugen. Insoweit war der BGH freilich an die Ausführungen der Vorinstanz gebunden.
OLG Schleswig, VersR 1989,1301 (L.).
BGH, JZ 1984,629, m. Anm. von Laufs/Kern, S. 631 f.
Vgl. dazu BGH, MedR 1996,213 und 215.
Dunz, Wann verwirklicht sich der Schaden aus mangelhafter Aufklärung über das Behandlungsrisiko? (OLG Karlsruhe, MedR 1983,190), in: MedR 1984, S. 184,185, spricht in diesem Zusammenhang von einer „etwas grobschlächtigen Dogmatik“.
Zur Fundamentalkritik vgl. Sick, Beweisrecht im Arzthaftpflichtprozeß, 1986.
Putzo, Die Arzthaftung. Grundlagen und Folgen, 1979, S. 59.
Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 6. Aufl. 1995, S. 149.
Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, S. 8, Rdnr. 10.
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Kern, BR. (1997). Schwachstellenanalyse der Rechtsprechung. In: Laufs, A., Wienke, A., Hirsch, G., Dierks, C., Graf-Baumann, T. (eds) Die Entwicklung der Arzthaftung. MedR Schriftenreihe Medizinrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-60501-7_24
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