Zusammenfassung
Will man die thematische Frage beantworten, ob ein Strafantrag gegen einen Mediziner wegen Fehlbehandlung oder Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts eines Patienten ein anwaltlicher Kunstfehler oder - um im Bild zu bleiben - indiziert ist, so sind Nutzen und Risiken1 dieses Rechtsweges für den Patienten gegeneinander abzuwägen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, indem sie die Krankenunterlagen und ggf auch die Stellungnahme des Arztes an seinen Haftpflichtversicherer beschlagnahmt2, Behandlungsdokumente der vor- und nachbehandelnden Ärzte anfordert3, Zeugen vernimmt und meist ein für den Antragsteller kostenloses Gutachten in Auftrag gibt.
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Literatur
Nutzen-Risiko Schemata zu den verschiedenen Rechtswegen finden sich in Stegers, „Das arzthaftungsrechtliche Mandant in der anwaltlichen Praxis, 2.A., 1989, S. 273–278
BVerfGE 32, 373; BGH, NJW 1992, 763 [765]; Ulsenheimer, Arztstrafrecht, 2.A., Rz. 431
Beschlagnahme bei als Zeuge in Frage kommendem Arzt verstößt gegen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit LG Hagen, MedR 1993, 268 mit Problemstellung d. Verf..
Nicht nur der zur Privatklage Berechtigte kann Nebenklage bei der fahrlässigen Körperverletzung erheben. Für die Anschlußbefugnis reicht es, wenn sie zur Wahrnehmung der Interessen aus „besonderen Gründen, namentlich wegen der schweren Folgen der Tat“, geboten erscheint. OLG Düsseldorf, NJW 1983, 1337; BGH NStZ 1992, 452; LG Tübingen, NStZ 1988, 520 mit ablehnender Anmerkung von Pelchen; Beulke, DAR 1988, 114 ff.; Böttcher, JR 1987, 135; Fabricius, Die Stellung des Nebenklagevertreters, NStZ 1994, 2577; zum Ganzen Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 2.A., 1998, Rz. 442.
Durch das 6. Strafrechtsänderungsgesetz vom 26.1.1998 (BGBl I, 164) ist inzwischen auch der Versuch der einfachen Körperverletzung gem. § 323 Abs. 2 strafbar. Findige Staatsanwälte könnten insbesondere bei Seriendelikten, z.B. radiologischen Untersuchungen, Biopsien oder gar größere Operationen ohne ausreichende Indikation geneigt sein hierin ein vorsätzliches Handeln zu sehen. Nach neuer Gesetzeslage wäre dieses Vorgehen selbst dann strafbar, wenn es letztendlich nicht zu der radiologischen Untersuchung oder Operation gekommen ist, sondern der Arzt entsprechendes etwa durch Beratung und Unterzeichnenlassen einer Einwilligungserklärung lediglich versucht hat.
Eine Kostenerstattungspflicht bei „mutwilliger“ Strafanzeige befürwortet Deutsch, NJW 1982, 680. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht Urteil vom 25.2.1987–1 BvR 1086/85 - ausgeführt, daß derjenige, der guten Glaubens eine Strafanzeige erstattet, keine Nachteile dadurch erleiden darf, daß sich seine Behauptung nach reiflicher Prüfung als unrichtig oder unaufklärbar erweist.
Eine Einstellung gem. § 153 a StPO beinhaltet de jure keine Schuldfeststellung. Dies widerspräche der Unschuldsvermutung. Hierauf weist Ulsenheimer, a.a.0., Rz. 477 unter Bezugnahme auf das BVerfG, Strafverteidiger 1987, 325 ff. [326] hin.
vgl. Ulsenheimer, Arztstrafrecht, 2. A., 1998, 1; nur 5% der Ermittlungsverfahren endet mit Urteil. Und - so mündliche Mitteilung eines großen Haftpflichtversicherers an den Verfasser - nur in ca. 5% der angemeldeten Arzthaftpflichtschäden läuft gleichzeitig ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren.
Händel, Strafprozeßordnung, 7. A., 5, Rz. 16 zu § 153 a.
Tötungsdelikte sind mit einbezogen.
Vgl. 20 Jahre Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der AK Nordrhein, herausgegeben von Hoppe/Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Düsseldorf 1996, 36; der neueste Bericht weist insoweit 26,2% (76 von 214) aus, vgl. Weltrich, Beck und Smentkowski, Rheinisches Ärzteblatt 1998, 10 f.
ZRP 1985, 215
Schöck, in Alternativkommentar zur StPO, Bd. 2 Teilband 1, Rz. 6 zu § 153 a.
So aber Dahs. NJW 1996, 1192; Schoreit, in Karlsruher Kommentar zur StPO 1993, Rz. 4 zu § 153 a beklagt dahingegen, daß sich der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur Rechtsgewährung in unverantwortlicher Weise entzogen habe.
Vgl. Ulsenheimer, MedR 1997, 207 und Ratajczak, MedR 1988, 80 ff.
Abs. 2 StGB
BGH, MedR 1998, 326 (329 re. Sp.) mit ablehnender Anmerkung von Jung/Wigge.
Vgl. Auszug aus dem Referentenentwurf eines 6. Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) des BMJ, GZ: 11 A 1 4000/571I-230077/97.
Unzulässig ist das Klageerzwingungsverfahren jedoch bei „einfacher Körperverletzung“ (§§ 223, 229 StGB i.V.m. § 172 Abs. 2, 3 StPO.
So aber Löwe-Rosenberg (Meyer-Goßner), § 153 StPO Rz. 70.
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Stegers, CM. (2000). Strafanzeige gegen Ärzte — ein anwaltlicher Kunstfehler?. In: Ratajczak, T., Schwarz-Schilling, G. (eds) Medizin und Strafrecht. MedR Schriftenreihe Medizinrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-59701-5_3
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