Zusammenfassung
Workflow-Management-Systeme werden von ihren Herstellern mit großem Aufwand und unter der Verwendung fortgeschrittener Implementierungstechniken auf den praktischen Einsatz vorbereitet. Funktionalität, Stabilität und Verfügbarkeit haben ein nahezu akzeptables Maß erreicht. Sinnvolle Anwendungsgebiete und Verwendungsmöglichkeiten sind ausreichend bekannt. Vor diesem Hintergrund wiegt es besonders schwer, daß die zugehörigen Entwicklungsverfahren für Workflow-Management-Anwendungen weitaus weniger verstanden und ausgereift sind. Das gilt vor allem für die wichtige Phase des Systementwurfs, in dem Workflow-Typen als ausführbare Repräsentationen der Geschäftsprozesse in einer Workflow-Sprache formuliert werden. Diese Phase der Anwendungsentwicklung ist zu stark durch experimentierendes Vorgehen, fehlende Methodik und den Mangel an Werkzeugen geprägt, die workflow-spezifische Entwicklungsaufgaben unterstützen. Aus dieser Situation heraus motiviert sich das vorliegende Buch.
Um die bisher bekannten Verfahrensansätze zur Entwicklung von Workflow-Schemata umfassend zu untersuchen, wurde in Kap. 2 ein Erklärungsmodell für Entwicklungsverfahren eingeführt. Dazu gehört eine grafische Notation, mit der sich bislang zusammenhanglos nebeneinanderstehende Verfahrensansätze einheitlich darstellen, vergleichen und bewerten lassen. Die Untersuchung bestätigt im wesentlichen die Beobachtung, daß viele der bisherigen Verfahren lediglich systemspezifische Workflow-Schemata liefern, die kaum portabel und schlecht wiederverwendbar sind und erst nach einer aufwendigen Implementierung auf ihre Eigenschaften hin überprüft werden können.
Den erkannten Defiziten heutiger Entwicklungsansätze stellte Kap. 3 die systematische Workflow-Typ-Konstruktion gegenüber. Diese neuartige Form der Workflow-Typ-Entwicklung ist durch strukturiertes Vorgehen mit konkreten Handlungsanweisungen für den Entwickler und klar definierte Entwurfsoperationen charakterisiert. Die Workflow-Typ-Konstruktion stellt eine Verfeinerung des bisherigen Systementwurfs dar, der sich damit in „Planung“, „Entwicklung“, „Bewertung“ und „Realisierung“ von Workflow-Typen untergliedert. Die Einführung von Workflow-Typen als eigenständige Darstellungsform verhindert gleich zwei Nachteile anderer Verfahren. Zum einen kann ein Entwickler Inhalte eines Geschäftsprozeß-Schemas selektiv nutzen und damit die Probleme vermeiden, die für Dokumentationszwecke erstellte Geschäftsprozeß-Modelle sonst nach sich ziehen. Es steht ihm weiterhin frei, aus einem Geschäftsprozeß-Schema ganz unterschiedliche Workflow-Typ-Konfigurationen zu erzeugen, je nach Entwicklungsziel der geplanten Workflow-Management-Anwendung. Zum anderen erlaubt die Unterscheidung von systemneutral formulierten Workflow-Typen und sprachspezifischen Workflow-Schemata, Workflow-Typen einmal zu erstellen und für verschiedene Workflow-Management-Systeme zu implementieren. Dies geschieht nicht wie bei genormten Workflow-Sprachen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern wird durch ein mehrstufiges Entwicklungsverfahren mit Werkzeugunterstützung realisiert.
Die vorgeschlagene Workflow-Typ-Konstruktion unterstützt den Entwickler in der Phase zwischen Geschäftsprozeß-Modellierung und Workflow-Schema-Implementierung, indem über Aufgabentypstrukturen, Workflow-Typ-Konfigurationen, Workflow-Typen und Workflow-Schemata ein durchgängiger Entwicklungsdatenbestand gepflegt und schrittweise transformiert wird. Die Überführung zwischen diesen Entwicklungsdaten geschieht mit Hilfe klar definierter Entwurfsoperationen. Die Diskussion workflow-spezifischer Entwurfsoperationen erfolgte sehr ausführlich in Kap. 4 bis 6, weil diese Entwurfoperationen das Konstruktionsverfahren konstituieren. Am Beispiel des funktionsbezogenen, verhaltensbezogenen und operationsbezogenen Aspekts wird deutlich, wie Entwurfsoperationen für eine systematische und nachvollziehbare Workflow-Typ-Konstruktion aussehen.
Workflow-Typen und die Operationen zu ihrer Bearbeitung führen zu einer weiteren Möglichkeit im vorgestellten Konstruktionsverfahren: Die systematische Bildung von Varianten eines Workflow-Typs erlaubt einem Entwickler, auf die Besonderheiten des jeweiligen Entwicklungsprojekts oder die Wünsche der Anwender gezielt einzugehen. Auch die Eigenschaften des später einzusetzenden Workflow-Management-Systems können berücksichtigt werden oder davon unabhängig die Funktion, die Struktur, das Ausführungsverhalten und die Art der Applikationsintegration von Workflow-Typen. Für die Ausgestaltung und die Variation des funktionsbezogenen, verhaltensbezogenen und operationsbezogenen Aspekts wurden in Kap. 7 zusätzlich eigene Teilverfahren angeboten. Ein Beispiel dafür ist die Definition neuer Ausführungsanweisungen, durch die anwendungsspezifische Ausdrucksmittel für die Workflow-Ausführung entstehen, die wiederum kompaktere Kontrollflußdefinitionen liefern. Ein anderes Beispiel ist die Technik zur schrittweisen Kontrollflußverlagerung zwischen Workflow-Management-System und externen Applikationen. Die Beispiele zeigen, daß nicht nur der Workflow-Typ als Ganzes Gegenstand der Entwicklung ist, sondern jeder einzelne Aspekt geplant, entworfen, untersucht, bewertet und oftmals noch verbessert werden kann.
Trotz sorgfältiger Konstruktion eines Workflow-Typs ist nicht garantiert, daß er auf Anhieb alle funktionalen und nichtfunktionalen Anforderungen erfüllt. Zur Vervollständigung der Entwurfsoperationen und Variationsmöglichkeiten wurden deshalb in Kap. 7 verschiedene Merkmale von Workflow-Typen und deren Komponenten erarbeitet. Auf der Grundlage dieser Merkmale folgte eine Bewertung der Workflow-Typen nach unterschiedlichen Kriterien. Eine wichtige Anwendungsmöglichkeit der Bewertung war die Auswahl derjenigen Workflow-TypVariante, die priorisierten Anforderungen am besten entspricht. Da diese Bewertung der Workflow-Typen vor ihrer Implementierung im Workflow-Management-System erfolgt, kann sich ein Entwickler frühzeitig ein Bild über die Eigenschaften der zukünftigen Workflow-Management-Anwendung machen.
Insbesondere die dynamischen Eigenschaften eines Workflow-Typs — das Verhalten seiner Workflow-Instanzen zur Ausführungszeit — sind für einen Entwickler von Bedeutung. Um diese Eigenschaften verläßlich zu bestimmen, ist für die Workflow-Instanz und alle weiteren ausführungsrelevanten Komponenten eine Repräsentation erforderlich, die eine Untersuchung mit formalen Methoden erlaubt. Im Rahmen dieses Buchs wurden sowohl Verteilte Transitionssysteme als auch Petri-Netze dazu verwendet, das Ausführungsverhalten von Workflow-Instanzen zu untersuchen. Durch Model-Checking gelingt es, als Ausdrücke in temporaler Logik formulierte Eigenschaften der Workflow-Typen zu validieren. Dieses Vorgehen liefert keine Aussagen über die absolute Korrektheit, es erlaubt einem Entwickler allerdings, die korrekte Funktionsweise einzelner Ausführungsanweisungen, die von Ausführungsanweisungen induzierte Workflow-Ausführung und die Eigenschaften einer Kontrollflußdefinition genau zu bestimmen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung geben Hinweise darauf, wie die vorgefundene Eigenschaft zu verändern oder das erkannte Problem zu umgehen ist. Ist der Entwickler mit dem Konstruktionsergebnis zufrieden, kann er den Entwicklungsvorgang — nunmehr auf der Grundlage zuverlässig gewonnener Merkmalsausprägungen — beenden.
Um das vorgeschlagene Konstruktionsverfahren auch werkzeuggestützt einsetzen zu können, wurde die Entwicklungsumgebung WorCRAFT prototypisch implementiert. Darin stehen dem Entwickler eine Vielzahl der eingeführten Entwurfsoperationen zur Verfügung. Seine Entwicklungstätigkeit wird bis zu der Auswahl eines Workflow-Management-Systems unterstützt, in dessen Workflow-Sprache die Workflow-Typen überführt werden sollen.
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Böhm, M. (2000). Zusammenfassung und Ausblick. In: Entwicklung von Workflow-Typen. Informationstechnologien für die Praxis. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-59669-8_8
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