Zusammenfassung
Die Einkommensteuer knüpft als Personensteuer an das von einer natürlichen Person (= Steuersubjekt) erzielte Einkommen (= Steuerobjekt) an, d.h. die ökonomische und steuerliche Leistungsfähigkeit einer natürlichen Person wird an dem von ihr erzielten Einkommen gemessen. Die ökonomische Interpretation der Leistungsfähigkeit setzt dabei nicht nur voraus, daβ bei Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens ausschlieβlich Vorgänge berücksichtigt werden, die mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang stehen, vielmehr ist zudem eine exakte Trennung zwischen Einkommenserzielung einerseits und Einkommensverwendung andererseits zwingend erforderlich. Der Steuergesetzgeber hat sich diesbezüglich zwar eindeutig festgelegt und Leistungsfähigkeit im Sinne von Einkommenserzielung interpretiert, damit ist jedoch noch nicht abschlieβend geklärt, was unter ‘Einkommen’ zu verstehen ist. Eine theoretisch fundierte Abgrenzung des steuerpflichtigen Einkommens läβt grundsätzlich unterschiedliche Möglichkeiten zu:
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(1)
Der Quellentheorie zufolge umfaßt das Einkommen ausschließlich Einkünfte, die dem Steuerpflichtigen regelmäßig aus einer Einkunftsquelle zufließen (z.B. Arbeitslohn, Betriebsrente, Unternehmergewinn). Einkünfte, die aperiodisch oder einmalig zufließen sowie Wertanderungen des Vermögens (z.B. VeräuBe-rungsgewinne oder -verluste, einmalige Barabfindungen usw.) werden nach der Quellentheorie bei der Bemessung des steuerpflichtigen Einkommens nicht be-rücksichtigt. Die preußische Einkommensteuer von 1891 basierte auf der Quellentheorie, Ansätze einer quellentheoretischen Interpretation des steuerpflichtigen Einkommens finden sich aber auch im heutigen Einkommensteuersystem (so z.B. bei der Abgrenzung der sog. Überschußeinkünfte, vgl. dazu Teil B 3.2.3).
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(2)
Die Reinvermögenszugangstheorie erweitert demgegenüber das steuerpflichtige Einkommen: Danach sind grundsätzlich alle (regelmäßigen und/oder unregelmäßigen) Einkünfte sowie Vermögensmehrungen als Einkommen der Be-steuerung zu unterwerfen; maßgebend ist jeweils der Zeitpunkt der Realisation, also des tatsachlichen Zugangs beim Steuerpflichtigen. Die Reinvermögenszugangstheorie wurde weitgehend im Reichseinkommensteuergesetz von 1920 umgesetzt und tendenziell auch in das heutigen Einkommensteuersystem übernommen (so z.B. bei der Abgrenzung der sog. Gewinneinkünfte, sowie bei der Besteuerung von Zinserträgen, die aus Vermögen erwirtschaftet werden, das aus bereits versteuertem Einkommen gebildet wurde; gerade die Zinsbesteuerung stößt bei aus diesem Grande bei vielen Steuerpflichtigen auf Unverständ-nis, ist aber in der Logik der Reinvermögenszugangstheorie begründet.).
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Bossert, R. (1997). Allgemeine Charakteristik der Einkommensteuer. In: Unternehmensbesteuerung und Bilanzsteuerrecht. Physica-Lehrbuch. Physica, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-59272-0_4
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