Zusammenfassung
Wenn Lernen viel mit komplexem Verhalten, aber nichts mit echtem Erkenntniszuwachs zu tun hat, dann muß man sich natürlich fragen, zu welchem Zweck man eigentlich, mit oft nicht gerade geringem Aufwand, das quantitative Ausmaß an sogenannter Erblichkeit von verschiedenen Verhaltensweisen zu bestimmen versucht. Erblich ist dabei jener Anteil am Verhalten, von dem vermutet wird, daß er genetisch fixiert ist und somit auf die Nachkommen übertragen werden kann. Der verbleibende Rest ebendesselben Verhaltens wird dann konsequenterweise dem determinierenden Einfluß der Umwelt zugeschrieben, so daß die — im einfachsten Fall rein additive — Summe der beiden Faktoren die konkrete Ausprägung einer Verhaltensweise bestimmt. In vielen Fällen allerdings hat sich herausgestellt, daß auch die Art der Interaktion selbst zwischen Genom und Umwelt die Form von Verhaltensweisen beeinflussen kann. Nichtsdestotrotz wird in all diesen Fällen davon ausgegangen, daß es prinzipiell möglich sein muß, diese zwei unterschiedlichen Formen einer Instruktion des Organismus zu unterscheiden. Der tiefere naturwissenschaftliche Zweck dieser Unterscheidung ist dabei vor allem darin zu suchen, daß eine biologische Theorie des Verhaltens sich naturgemäß primär für die genetisch vermittelten Anteile interessieren wird, da auch nur diese allein für die Evolutionstheorie von Bedeutung sind. Alles andere, was durch diverse Umwelteinflüsse und weitere, zum Teil rein zufallsbedingte Faktoren verursacht wird, ist für diese zentrale Theorie der Biologie ohne jedwede besondere Bedeutung, da seit der empirischen Widerlegung von La-marcks Ideen feststeht, daß es keine Vererbung solcherart erworbener Eigenschaften geben kann. Die Bemühungen der Biologen, den für sie einzig wichtigen, da evolutionsrelevanten Anteil aus allen beobachtbaren Merkmalen herauszuschälen, sind deshalb gut verständlich und sollten deswegen auch in erster Linie ohne jene zahlreichen vermeintlichen Implikationen für die Bewertung menschlichen Verhaltens gesehen werden. Letzteres treibt allerdings gerade im Bereich der experimentellen Psychologie ihre schönsten Blüten und dies nicht ganz ohne Zufall. Die Debatte um den Dauerbrenner Natur versus Kultur ist in einem solchen Maße ideologisch überfrachtet worden, daß hier gar nicht der Versuch unternommen werden soll, ihn in allen seinen sattsam bekannten Details näher zu beschreiben. Was im Rahmen einer evolutionären Erkenntnistheorie vielmehr von Interesse ist, das muß sich auf die grundsätzliche methodische Berechtigung einer solchen Berechnung der Erblichkeit beziehen. Sollte sich diese als in ihren Axiomen kritisierbar oder sogar widerlegbar herausstellen, so hätte dies allerdings auch unweigerlich Konsequenzen für die bislang übliche Aufspaltung in Natur und Kultur und die damit assoziierte Polemik in der öffentlichen Debatte.
Wir werden die einzelnen Gene finden, selbst bei komplexen Charaktereigenschaften, die von mehreren Genen beeinflußt sind. Robert Plomin
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Heschl, A., Loserl, H. (1998). Über die Erblichkeit von Jazzophilie. In: Das intelligente Genom. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-58883-9_13
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