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Das Blut ist der Sitz der Lebensseele Von einem Ethos des Schlachtens und Schächtens der Tiere

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Tiere ohne Rechte?

Zusammenfassung

Der Konflikt zwischen einem an der Leidensvermeidung orientierten Tierschutz und der in einer multikulturellen Gesellschaft erst recht indispensablen verfassungsrechtlich verankerten Freiheit der Religionsausübung (Grundgesetz Art. 4 Abs. 2) legt nahe, das religiös begründete Ethos der Tierschlachtung näher zu befragen. Werthaltungen fallen nicht vom Himmel, sondern resultieren aus einer durch Einübung verinnerlichten Praxis, die sich unter veränderten historischen Bedingungen immer wieder neu auf ihren Geltungsanspruch befragen lassen muß. Die hochsensible und emotional geführte Auseinandersetzung über den Konflikt zwischen dem Leid der Schlachttiere einerseits und unbedingten religiösen Verpflichtungen andererseits verlangt nach einer ideen- und kulturgeschichtlichen Untersuchung über Herkunft und Sinn von Werthaltungen nicht nur zum Zweck der Selbstaufklärung. Ein solcher problemgeschichtlicher Rechenschaftsbericht spannt den hermeneutischen Rahmen auf, innerhalb dessen ein systematischer Wertediskurs sinnvoll überhaupt erst geführt werden kann.

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Notes

  1. Vgl. dazu Renate Beyer: „Tut dem Kamel nichts Böses an“. Geliebte und andere Tiere im Islam. In: Wolf-Rüdiger Schmidt: Geliebte und andere Tiere im Judentum, Christentum und Islam, Gütersloh 1996, sowie vor allen Dingen die informative Studie von Beate Andelshauser: Schlachten im Einklang mit der Scharia. Die Schlachtung von Tieren nach islamischem Recht im Lichte moderner Verhältnisse, Sinzheim 1996, Pro Universitate Verlag.

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  2. Ihre 100jährigen Jubiläen feierten z.B. folgende Fleischerinnungen u.a. auch mit der Herausgabe von Jubiläumsbroschüren: Darmstadt 1978; Flensburg 1981; Stuttgart 1982; Kaiserslautern 1983; Frankfurt a.M. 1984; Heilbronn 1985; Herne 1989; Aalen 1991; Bingen 1995; Bruchsal 1996 u.a.m.

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  3. Vgl. Francoise Salvetti/Emil M. Bührer: Der Metzger. Eine Kulturgeschichte des Metzgerhandwerks. Erweiterung der dt. Ausgabe von Hans-Peter de Longueville, München 1988, 96ff.

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  4. Vgl. R. Koch/H.-P. de Longueville: Zunftschätze aus der Geschichte des Frankfurter Fleischerhandwerks, Frankfurt 1984; Franz Lerner: Geschichte des Frankfurter Metzger-Handwerks, Frankfurt a M. 1959.

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  5. Art. „Lamm“ in: Gerd Heinz-Mohr: Lexikon der Symbole. Bilder und Zeichen der christlichen Kunst, München 10. Aufl. 1988, 176-178.

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  6. Einen kurzen, aber typischen Eindruck des Modus der (Selbst-)Darstellung der Metzgerhandwerksgeschichte vermittelt H.-G. von Mutius: Art. „Fleisch, Fleischer“, in: Lexikon des Mittelalters. Bd. IV., München, Zürich 1989, 541-545.

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  7. Lerner 1959, 335 f.

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  8. Vgl. Art. „Lamm, Lamm Gottes“, in: E. Kirschbaum (Hrsg.): Lexikon christlicher Ikonographie. Bd. III., Rom u.a. 1971, 7-14; Art. „Lamm und Widder“, in: Manfred Lurker: Wörterbuch biblischer Bilder und Symbole, München 2. Aufl. 1978, 183-187; G. Binding: Art. „Agnus Dei“, in: Lexikon des Mittelalters. Bd. I., München, Zürich 1980, 214-216; Art. „Lamm“, in: Heinrich Schmidt/Margarethe Schmidt: Die vergessene Bildersprache christlicher Kunst, München 1981, 72-78; Art. „Lamm“, in: O. de Chapeaurouge: Einführung in die Geschichte der christlichen Symbolik, Darmstadt 1984, 68-71; Art. „Lamm“, in: Gerd Heinz-Mohr: Lexikon der Symbole, München 10. Aufl. 1988, 176-178; Art. „Lamm“, in: Hans Biedermann: Knaurs Lexikon der Symbole, München 1989, 261 f.; Art. „Lamb, Sheep“, in: James Hall: Illustrated Dictionary of Symbols in Eastern and Western Art, The University Press, Cambridge, England 1994, 32.

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  9. Vgl. Art. „Labarum“, in: Biedermann 1989, 260.

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  10. Schmidt 1981, 72 f.

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  11. Vgl. Kirschbaum 1971, 10; Binding 1980, 216.

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  12. Schmidt 1981, 73.

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  13. In die gleiche Richtung weisen die Spekulationen über die christliche „Lamm-Gottes-Theologie“ von Wolf-Rüdiger Schmidt und Renate Beyer, in: Schmidt 1996, 104: „Die Lamm-Gottes-Theologie benötigt das Wissen der alten Opfervorstellung vom Leben nicht mehr und verschafft sich damit Freiheit von jenem Leid, das über das Leid des Menschen hinausgeht.“

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  14. Zu beziehen von der Fördergemeinschaft des Deutschen Fleischer-Verbandes e.V., Kennedyallee 53, 60596 Frankfurt am Main.

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  15. Altes Lied, abgedruckt in der Deutschen Fleischer-Zeitung vom 2. September 1884, zit. n. Hans-Peter de Longueville: 1885–1985. 100 Jahre Fleischer-Innung Heilbronn, Heilbronn 1985, 145.

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  16. Art. „Schlachten“, in: Johann Heinrich Zedier: Grosses vollständiges Universal-Lexikon. Bd. 34, Leipzig, Halle 1742, Reprint Graz 1961,1633-1640,1637.

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  17. S. Ph. De Vries: Jüdische Riten und Symbole, Wiesbaden 1981,153.

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  18. Michael Landmann: Das Tier in der jüdischen Weisung, Heidelberg 1959, 13.

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  19. Landmann 1959, 106.

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  20. Hanna Rheinz: „Und schont die Seele der Tiere“. Tier und Tierschutz im Judentum, in: Schmidt 1996, 65f.

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  21. Rheinz 1996, 83f.

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  22. Landmann 1959, 127 f.

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  23. Rheinz 1996, 78. Wie belastet der Streit um das betäubungslose Schächten bis heute von der Holocaust-Erfahrung ist, davon zeugen auch diverse Dokumente, die der Vorsitzende der Vereinigung „Ärzte gegen Tierversuche“, Dr. med. Werner Hartinger (Das betäubungslose Schächten der Tiere im 20. Jahrhundert. Eine Dokumentation, München 1996. „die grüne Reihe“. Fachverlag für Tierschutzliteratur. Fred Wipfler, Glockenblumenstr. 26, D-80935 München) vorlegt.

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  24. Ebd. Vgl. M. F. Brumme: „Mit dem Blutkult der Juden ist endgültig in Deutschland Schluß zu machen.“ Anmerkungen zur Geschichte der Anti-Schächt-Bewegung, in: Medizingeschichte und Gesellschaftskritik, FS f. Gerhard Baader, hrsg. v. M. Hubenstorf/H.-U. Lammel u.a., Husum 1997, 378-397.

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  25. Die heftige Ablehnung der biblisch-theologischen Unterscheidung von Schöpfer und Schöpfung, im Gegensatz zur mit Göttern bevölkerten Natur der griechischen Mythologie, wurzelt in dem romantisch-sentimentalischen Gefühl des Leidens am Verlust der ursprünglichen Einheit, wie es sich beispielsweise in den Gedichten von Schiller (z.B. „Die Götter Griechenlands“, „Resignation“) und Hölderlin (z.B. „Brot und Wein“), aber auch in der Religionsphilosophie vor allem des jungen Schelling spiegelt. Auf diesem Hintergrund bildete sich die bis heute immer wieder vorgebrachte feindselige Bewertung der monotheistischen jüdisch-christlichen Religion heraus, die beschuldigt wird, z.B. die Umweltkrise verursacht zu haben. Vgl. auch Andreas-Holger Maehle: Kritik und Verteidigung des Tierversuchs, Stuttgart 1992, der zu dem Ergebnis kommt, daß im 17. und 18. Jahrhundert „Verweise(n) auf die tierschonende Haltung anderer Religionen“ „Randnotizen“ bleiben. „Die große Mehrzahl der Argumentationen zugunsten einer humaneren Einstellung zum Tier basierte eindeutig auf biblisch-christlichen Grundsätzen. … Erst Mitte des 19. Jahrhunderts, mit Arthur Schopenhauers Parerga und Paralipomena …, erreichte die Kritik an der jüdisch-christlichen Sicht des Mensch-Tier-Verhältnisses auf der Basis des Brahmanismus und Buddhismus eine breitere Öffentlichkeit.“ (a.a.O. 112).

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  26. Landmann 1959, 130: „Aber mit seiner Tierphilosophie saugt sie unvermeidlich … sein antijudäisches Vorurteil ein. Wiewohl er sich mit ihren Bestrebungen im ganzen einig weiß, wird daher der Jude der Tierschutzbewegung stets mit einem gewissen Mißtrauen begegnen.“

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  27. Arthur Schopenhauer’. Preisschrift über die Grundlage der Moral, § 19, 7; vgl. Eugen Drewermann: Der tödliche Fortschritt. Von der Zerstörung der Erde und des Menschen im Erbe des Christentums, Regensburg 6. Aufl. 1990, 101.

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  28. Vgl. Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, 2. Bd., § 177, 389-392, u. Drewermann, 1990, 103 U.Ö. Vgl. zum Hintergrund des sogenannten biblischen Herrschaftsauftrags Genesis 1,28 ff. Heike Baranzke/Hedwig Lamberty-Zielinski: Lynn White und das dominium terrae (Gen 1,28b). Ein Beitrag zu einer doppelten Wirkungsgeschichte, in: Biblische Notizen 76, 1995, 32-61.

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  29. Drewermann 1990,104.

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  30. Schopenhauer: Parerga und Paralipomena, 2. Bd., § 177, 390.

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  31. Drewermann 1990, 100. Die Autoren vergangener Jahrhunderte (vgl. z.B. in: Maehle 1992, bes. 106 f.) sowie der Gegenwart (vgl. z.B. in: Bernd Janowski, Ute Neumann-Gorsolke, Uwe Gleßmer (Hrsg.): Gefährten und Feinde des Menschen. Das Tier in der Lebenswelt des alten Israel, Neukirchen-Vluyn 1993) sind hier deutlich anderer Meinung.

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  32. Herz Bamberger: Das Tier in der Philosophie Schopenhauers, Würzburg 1897, 112 ff. Nicht nur von jüdischer Seite protestierte man gegen Schopenhauers Verunglimpfungen des Alten Testamentes und der jüdischen Kultur. Auch der christliche Landgerichtsrat Ignaz Bregenzer konnte sich in seiner vom „Verband der Thierschutzvereine des Deutschen Reichs“ preisgekrönten „Thier-Ethik“ (Bamberg 1894) „mit den Schopenhauerschen Invektiven gegen das Judenthum ebensowenig als mit dessen Verherrlichung des Buddhismus befreunden“ (a.a.O. 57) und korrigiert beides nach seiner Überzeugung. Zu unserem Zusammenhang schreibt der Jurist Bregenzer: „Das Judenthum hat es also noch nicht zum rechtlichen Thierschutz gebracht, wenn man von einigen sakralrechtlichen Bestimmungen absieht. Daraus kann man ihm gewiß keinen Vorwurf machen — hat doch auch das Christenthum diesen Schritt noch lange nicht zu machen vermocht. Bei den Israeliten ist, wie überall, der Theorie die thierfreundliche Praxis weit vorangegangen. … Die späteren Talmudbestimmungen über das Schlachten (,Schächten’) der Thiere waren von thierfreundlichem Geiste diktirt und bedeuteten für die damalige Zeit einen Fortschritt; in der Gegenwart aber wird das Schächten wohl mit Recht als thierquälerisch gegenüber den anderen Schlachtmethoden angegriffen.“ (a.a.O. 57 f.) Im Hinblick auf das Christentum vermerkt Bregenzer, daß es hinsichtlich eines Tierethos „im Wesentlichen auf dem Boden des Judenthums“ (58) stehe, daß aber in der Folge der „psychologischen“ Interpretation der Gottebenbildlichkeit „das Humanitätsprinzip des Christenthums dem Thiere zunächst Nachtheil zu bringen“ (59) scheine und zu einer „hochmüthigen Betonung der ‚Menschenwürde ‘“ (63) geführt habe.

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  33. Von Albert Löw (Thierschutz im Judenthume nach Bibel und Talmud, Brünn 1890, 9) bis Hanna Rheinz (1996, 65).

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  34. Scbaefer 1889, 14; M. L. Bamberger-Schönlanke: Über Tierschutz nach den Lehren der Thora, in: Jeschurun II, 1915, 83 Anm.1; Landmann 1959, 127; Rheinz 1996, 72.

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  35. Löw 1890, 25. Vgl. Jeremy Cohen: “Be Fertile and Increase, Fill the Earth and Master It”. The Ancient and Medieval Career of a Biblical Text, Ithaca and London 1989, 23 f., 187 Anm. 64. David Kenneth Jobling: “And Have Dominion…” The Interpretation of Old Testament Texts concerning Man’s Rule over the Creation (Genesis 1, 26.28; 9,1-2; Psalm 8, 7-9) from 200 B.C. to the Time of the Council of Nicea, Union Theological Seminary, New York, Diss. 1972, 244 Anm. 48: “Rabbinic sources go to absurd lengths to show that Gen 1, 28 refers to the use of, not the consumption of animals. Fanciful examples are given of how one might conceivably put fishes and birds to work.” Jobling stellt für die christliche Exegese der Spätantike dagegen eine ungehemmtere Rezeption der stoischen Anthropozentrik fest, die in der Folge nur singuläre Überlegungen bezüglich der Einschränkung der menschlichen Verfügungsmacht über die Welt und die Tiere entlassen. Ein anonymes Fragment aus dem 4. Jh. (In verba, faciamus, MPG 44, 264 D) ist nach Jobling “the clearest Christian exegesis of Gen 1,26.28 rejecting the eating of meat” (ebd.). Die Dynamisierung der dominium terrae-Stelle hin auf eine uneingeschränkte oder gar willkürliche Verfügungsgewalt des Menschen wurde aber in der Antike bis weit in die nachmittelalterliche Zeit durch andere Faktoren, wie die allegorisierende Exegese, die dem stoischen Ideal des Weisen verpflichtet war, sowie durch statische Kulturtheorien verhindert. Vgl. dazu Jobling (1972) und Baranzke/Lamberty-Zielinski 1995, 32-61.

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  36. Noah J. Cohen: Tsa’ar Ba’ale Hayim — The Prevention of Cruelty to Animals: Its Bases, Development, and Legislation in Hebrew Literature, The Catholic University of America Press, Washington, D. C. 1959; Heinz-Jürgen Loth: Jüdische Religion, in: Michael Klöcker/Udo Tworuschka (Hrsg.): Ethik der Religionen. Lehre und Leben. Bd. 5 Umwelt, München, Göttingen 1986, 18; Rheinz 1996, 68. Der Rabbiner Josef Wohlgemuth (Das Tier und seine Wertung im alten Judentum, Frankfurt a. M. 1930) erlaubt einen tieferen Blick in die Sperrigkeit rabbinisch-talmudischer Erörterungen. Er nennt als eine talmudische Basisverpflichtung gegen Tiere „das Verbot, ein Glied von einem lebenden Tiere zu genießen“ (49). Die bereits erwähnte Halacha vom Schmerz der Tiere sei ein Satz, „der völlig isoliert steht unter den vielen Erörterungen, die von … dem Leid der Tiere handeln und die uns noch beschäftigen werden. Er stammt freilich von einem späteren Halachisten, … Es ist nur dann verboten, dem Tiere einen Schmerz zuzufügen, wenn man es quält, ohne daß sich daraus ein Vorteil ergibt.… Der Zusammenhang dort lehrt aber, daß dieser Satz bedeutet, man dürfe dem Tier nicht, unnütz’ einen Schmerz bereiten. Es können Fälle eintreten, wo es sich um einen Konflikt der Pflichten handelt und das Interesse des Tieres vor einem höheren Interesse zurücktreten müsse.“ (53) Vorrang vor der Vermeidung tierlichen Schmerzes hätte z.B. der Liebesdienst an einem gehaßten Feind zum Zwecke der ethischen Vervollkommnung als Inbegriff der Religionsgesetze (vgl. a.a.O., 63). Wohlgemuth läßt bei aller Betonung der Barmherzigkeitsforderung gegenüber dem Tier aus dem Geiste der Heiligen Schrift keinen Zweifel an der klaren Vorordnung des Menschen selbst vor dem Schmerz der Tiere.

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  37. Vgl. z.B. Cohen 1959, Chapter DC: Shehitah.

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  38. Löw 1890, 27 f.; Cohen 1959,104 u. 198 Anm. 655.

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  39. Vgl. Cohen 1959, 195 f. Anm. 646. Das chassidische „Buch der Frommen“ geht sogar soweit zu fragen: „Wie darf der Schuldige das Unschuldige schächten und essen?“ Ein Talmudspruch erklärt sogar, eigentlich sei nur dem Weisen der Fleischgenuß gestattet, nicht aber dem rohen, ungebildeten Menschen. Denn „die Tiere sind göttlich, rein und unverfälscht; die Menschen nur menschlich, und selbst das nicht immer, Gott seis geklagt! Denn wir sollen erst werden, was sie sind — unschuldig!“ (zit. n. Wohlgemuth 1930, 53 und 53 Anm. 12). Wie erschreckend entfremdet die gegenwärtige jüdische und israelische Tierschutz-und Landwirtschaftswirklichkeit ihrem eigenen Barmherzigkeitsethos ist, darüber informiert Hanna Rheinz (1996, 72 ff.).

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  40. Wohlgemuth 1930, 69-87. Im Islam ist die Jagd nicht verboten; ihre Durchführung untersteht aber den Vorschriften der formlosen Schlachtung (vgl. Andelshauser 1996, 70 f.).

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  41. Wohlgemuth 1930, 55.

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  42. Mischna-Traktat Baba Mezia, zit. n. Löw 1890, 19 f.; vgl. S. Kaatz: Noch einmal über Tierschutz, in: Jeschurun II, 1915, 181 u.a.m.

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  43. Landmann 1959, 52-56. Das Ineinander von Anthropozentrik und Barmherzigkeit spiegelt sich auch im Meinungsspektrum der Rabbiner: Für M. L. Bamberger-Schönlanke (Über Tierschutz nach den Lehren der Thora, in: Jeschurun II, 2, 1915, 81) ist außer Zweifel: „Tier-und Pflanzenwelt sind somit vom Weltschöpfer dem Menschen zur Dienstbarmachung für seine Zwecke übergeben.“ Gemäßigter äußert sich I. Heinemann (Tierschutz nach jüdischer und griechischer Anschauung, in: Jeschurun II, 3, 1915, 139 f.): Zwar teile das Judentum den Humanismus der Stoa sowie die Überzeugung einer grundsätzlichen Schranke zwischen Mensch und Tier; aber nach jüdischer Anschauung würden die Menschen nicht durch die Vernunft verbunden und geadelt, sondern durch die Gottebenbildlichkeit, die „von der jüdischen Ethik nicht nur als Gabe, sondern vor allem als Aufgabe betrachtet“ werde. Nach I. Unna (Tierschutz im Judentum, Frankfurt am Main 1928) besitzt das Tier nur eine animalische Seele im Gegensatz zur göttlichen, unsterblichen Seele des Menschen (6; vgl. auch 18). Aufgrund seiner höheren Stellung in der Schöpfung hat der Mensch das Recht, anderen Lebewesen zu seinem Nutzen das Leben zu nehmen (19). Dieses Recht ist jedoch durch die Lebensnotwendigkeit (18) und die Barmherzigkeitsforderungen eingegrenzt. Nur die Wahrung seiner Menschenwürde berechtigt ihn zur Herrschaft: „Die Behandlung der Tiere wird als Prüfstein für den Charakter der Menschen betrachtet“ (11). Josef Wohlgemutb, der unmißverständlich den Vegetariern die Urteilsfähigkeit darüber abspricht, ob der Mensch physiologisch auf Fleischnahrung angewiesen ist oder nicht (1930, 45), macht darauf aufmerksam, daß nicht nur die Halacha vom Schmerz der Tiere durch die Religionsgesetze relativiert wird, sondern auch darauf, daß andererseits der Talmud Barmherzigkeitspflichten in Bibeltexte erst hineinlegt (vgl. 1930, 62).

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  44. Landmann 1959, 81. Vgl. Brumme 1997.

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  45. Es versteht sich von selbst, daß diese Entscheidung nicht aus den religiösen Primärquellen Bibel und Koran zu erheben ist, sondern allein von der Interpretation der theologischen Gelehrten abhängt, da chemische und elektrische Betäubungsverfahren vor der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht zur Verfügung standen. Die Betäubung rigoros abzulehnen mit dem tatsächlich vorgebrachten Argument, sie sei in den Offenbarungsschriften nicht erwähnt, kann aber kaum ernst genommen werden. Darauf kann man nur erwidern, daß weder Moses noch Mohammed Auto gefahren sind. Vgl. dazu Andelshauser 1996, 121 Anm. 679: „Nach konsequenter Befolgung dieser Philosophie müßten sich die Muslime noch immer auf dem technischen Stand des 7. Jahrhunderts n. Chr. befinden.“

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  46. „Vor allem die Annahme der Grausamkeit und Tierquälerei, die die Muftis allen oder bestimmten westlichen Betäubungsverfahren zuschreiben, veranlaßt sie, deren Einsatz zu untersagen. Statt dessen empfehlen die Gelehrten, die Tiere mit Seilen zu fesseln und sie sich so auf schonendere Weise gefügig zu machen. Nur solche Betäubungsarten, die dem Tier nachweislich keine unnötigen Leiden zufügen bzw. diese gegenüber der herkömmlichen Schlachtung sogar verringern, sind für einen Teil der Gelehrten akzeptabel. Ihre Auffassungen bezüglich der diversen Betäubungsmethoden in diesem Punkt weichen allerdings erheblich voneinander ab.“ (Andelshauser 1996, 126). Zur Beurteilung der Elektroschock-Kurzbetäubung vgl. z.B. das Gutachten von Hartinger 1997, 78 f.

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  47. Der Rabbiner I. Unna (Das Schächten vom Standpunkt der Religion und des Tierschutzes, hrsg. v. der Reichszentrale für Schächtangelegenheiten, Berlin 1931) verteidigt das betäubungslose Schächten auf der Basis der Gutachten aus den Jahren 1885, 1894, 1902, 1908 und 1927/29. Vgl. auch Hartinger 1996 und Brumme 1997, 385.

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  48. Vgl. Francine Patterson u. Wendy Gordon: Zur Verteidigung des Personenstatus von Gorillas, in: Paola Cavallieri/Peter Singer (Hrsg.): Menschenrechte für die Großen Menschenaffen. „Das Great Ape Projekt“. München 1994, 108f. Vgl. auch den Artikel „Volles Bewußtsein erwiesen“, in: Hartinger 1996.

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  49. Vgl. zum Hintergrund: Heike Baranzke: Ökologische Anfragen an den Schöpfungsbericht (Gen 1), in: Hans Werner Ingensiep/Kurt fax: Mensch, Umwelt und Philosophie. Interdisziplinäre Beiträge, Bonn 1988, 119-138; dies./Lamberty-Zielinsky 1995, 32-61; dort findet sich auch weitere exegetische Hintergrundliteratur speziell zur Problematik der priesterschriftlichen Pentateuchquelle.

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  50. Das, ‘bedeutet als bibelexegetisches Kürzel, daß sich innerhalb des angegebenen Textkorpus’ auch textquellenfremdes Material integriert befindet.

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  51. In verständlicher Form informiert über den literatur-und theologiegeschichtlichen Hintergrund des Alten Testamentes Eugen Sitarz (Hrsg.): Höre, Israel! Jahwe ist einzig. Bausteine für eine Theologie des Alten Testamentes, Stuttgart 1987.

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  52. Zur Struktur und historisch-literarischer Einordnung der Priesterschrift vgl. Sitarz (Hrsg.) 1987 und Baranzke 1988.

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  53. Vgl. den Genesiskommentar von Josef Scharbert in der Reihe: Die Neue Echter Bibel. Genesis 1-11, Würzburg 1983, 95f.

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  54. Vgl. dazu die oben unter II. gemachten Ausführungen und Literaturhinweise.

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  55. Vgl. auch Wohlgemuth 1930, 26.55; sowie den Levitikuskommentar von Walter Kornfeld in der Reihe: Die Neue Echter Bibel. Levitikus, Würzburg 1983, 66-68.

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  56. Diesen Zusammenhang bekräftigt auch Dtn 12, 20-28. Vgl. dazu den Deuteronomiumkommentar von Georg Braulik in der Reihe: Die Neue Echter Bibel, Deuteronomium 1-16, 17, Würzburg 1986, 99 f. Auch in der islamischen Kultur gilt das Blutverbot nach Koran 2:173; 5:3; 6:145 und 16:115, doch scheint hier der Begründungszusammenhang, daß das Blut als Sitz der Lebensseele Gott, dem Herrn des Lebens gehört, nicht mehr präsent zu sein. Stattdessen werden hygienische Gründe angeführt. Blut gilt als von Natur unrein und die „Schlachtung kommt damit einer Reinigung des Tieres gleich, die es dem Menschen erst erlaubt, auf vollkommene Weise’ aus dem Tier Nutzen zu ziehen.” (Andelshauser 1996, 33).

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  57. Vgl. Hanna Rheinz zum „,Standort Deutschland’, die Juden und die Tierversuche“, in: Schmidt 1996, 82-84 und die Dokumente in: Hartinger 1997.

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  58. Rheinz 1996, 85. Mit den Implikationen der Öko-Kaschrut-Bewegung für Ernährung und Schlachtung setzt sich ausführlich der Reform-Rabbiner Arthur Waskow in seinem Buch „Down to Earth Judaism. Food, Money, Sex, and the Rest of Life“, New York 1995, auseinander.

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  59. Rheinz 1996, 85 f.

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  60. Ich stütze mich hier vor allem auf die bereits angeführte sehr differenzierte Studie von Beate Andelshauser 1996 sowie auf die Aufsätze von Renate Beyer in: W. R. Schmidt 1996 und Herbert Eisenstein: Mensch und Tier im Islam, in: Paul Münch (Hrsg.): Tiere und Menschen. Geschichte und Aktualität eines prekären Verhältnisses, Paderborn u.a. 1998, 121-145.

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  61. Eisenstein 1998, 121; vgl. a.a.O., 139 f.

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  62. Vgl. Beyer 1996, 133 ff.: Koran 14,32 f.; 16,5-7, 14, 65 f., 68 ff.; 67,15 etc.

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  63. Beyer 1996, 136.

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  64. Vgl. Eisenstein 1998, 122; vgl. aber Koran 11,64-68 zum Schutz des Kamels.

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  65. Vgl. Beyer 1996, 136 f.

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  66. Beyer 1996,132.

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  67. Andelshauser 1996, 71-79.

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  68. A.a.O., 59.

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  69. Vgl. a.a.O., 60 f.

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  70. A.a.O., 66.

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  71. A.a.O., 68.

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  72. Vgl. dazu R. Beyer 1996,129-152. Der Tiermediziner Riethmüller aus dem hessischen Lahn-Dill-Kreis forderte daher in einem Brief an mich vom 14. April 1998: „… Um das Schächten zum Opferfest durch Laien zu verhindern, war ich schon vor 20 Jahren der Meinung, man sollte diese Handlungen in wenige zugelassene deutsche und türkische Betriebe im Kreisgebiet verlegen und damit kanalisieren, um tierschutzwidrige Vorgänge und unhygienische Umstände bei der Beseitigung der Konfiskate zu verhindern. Diese Organisation hat sich gut bewährt, da somit kein Gläubiger gezwungen war, in die Illegalität zu flüchten. … Durch den guten Kontakt zu den Moslems und durch das häufige Beobachten der Schächtvorgänge habe ich erkannt, welche Ethik mit dem Schächten verbunden ist. Angefangen vom Berühren des Tieres bis zum Gebet vor dem Schächtschnitt. Gleichzeitig war zu erkennen, daß das gekonnte Schächten nach meiner Auffassung sehr wohl tierschutzgerecht ist.…“

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  73. Vgl. auch Manfred Karremann/Karl Schnelting: Tiere als Ware. Gequält — getötet — vermarktet, Frankfurt a. M. 1992.

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  74. José Ortega y Gasset: Über die Jagd, Stuttgart 1957, 56 f.

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  75. Ebermut Rudolph: Schulderlebnis und Entschuldung im Bereich säkularer Tiertötung. Religionsgeschichtliche Untersuchung, Frankfurt a. M. 1972.

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  76. Den Vertrauenskonflikt einfühlsam ins Bild gesetzt hat der Rembrandt-Schiller Christopher Paudiss (1625–1666) in dem Gemälde „Der alte Bauer mit dem Kälbchen und dem Metzger“. Eine Abbildung findet sich in dem Ausstellungskatalog: Dialog der Kreaturen. Tier und Mensch in der Europäischen Malerei, Paderborn 1997. ISBN 3-925608-41-9.

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  77. Opfer. Ein Zyklus von Herlinde Koelbl. Mit einem Essay von René Girard. Edition Braus. Eine Vorfassung meines Artikels ist erschienen unter dem Titel „Lammfleisch Gottes“ in: DIE ZEIT vom 4. April 1998. Die Redaktion der Zeit hatte diesem Artikel das Bild eines mit durchschnittener Kehle ausblutenden Schafes aus dem Opferzyklus von Herlinde Koelbl beigefügt. Ich nehme diese Anregung bei dieser Gelegenheit gerne auf, die mich zu einer tieferen Beschäftigung mit dem Akt des Tötens herausforderte.

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  78. Als einer der Wenigen bewahrt der Naturphilosoph Klaus Michael Meyer-Abich den Gedanken der Schuldigkeit: „Wie man damit lebt, dass wir nur um den Preis anderen Lebens leben können, ist grundsätzlich eine religiöse Frage. Ich finde den Gedanken, mit dem Blut eines Tieres sein Leben der Erde in Dankbarkeit für das Fleisch rituell zurückzugeben, höchst sinnvoll. Wir Christen, die wir mehrheitlich die Massentierhaltung zulassen, also um den Preis der Tierquälerei Geld sparen, haben keinerlei Recht, uns gegenüber anderen Religionen als Vorbild zu gebären.“ pie Woche, 3. April 1998). Diese Äußerung setzt selbstverständlich voraus, daß die bloße geistlose Existenz eines Rituals natürlich nicht hinreichend ist. Ein barmherziger Gott wird nur durch barmherziges Verhalten geehrt.

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Baranzke, H. (1999). Das Blut ist der Sitz der Lebensseele Von einem Ethos des Schlachtens und Schächtens der Tiere. In: Joerden, J.C., Busch, B. (eds) Tiere ohne Rechte?. Schriftenreihe des Interdisziplinären Zentrums für Ethik an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-58533-3_25

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