Zusammenfassung
Kapitel 12 hat gezeigt, daß das traditionelle Modell der Wirtschaftspolitik zahlreiche Schwächen und Mängel, z. T. sogar Fehler aufweist und insofern natürlich revisionsbedürftig war. Überraschenderweise hat die moderne Kritik jedoch nicht beim gravierendsten Mangel angesetzt, der Vernachlässigung des Einflusses der Unsicherheit auf Form und Wirkung wirtschaftspolitischer Entscheidungen; ganz im Gegenteil: die moderne Theorie vernachlässigt Unsicherheit sogar noch stärker als das traditionelle Modell. Andere Mängel hingegen, etwa die Rolle von Erwartungen und Verhaltensänderungen und vor allem die wenig befriedigend begründete Annahme der Preisrigiditäten wurden in das Zentrum einer heftigen Kontroverse gerückt: Aktivistische Stabilisierungspolitik ist nach Meinung, der mit den traditionellen konkurrierenden, neueren Modelle bestenfalls wirkungslos, eher jedoch wohlfahrtssenkend, da sie Strukturanpassungen über den Preismechanismus verzögert oder verhindert und Schwankungen eher verstärkt als abschwächt. Die Ablehnung des traditionellen Modells durch die neueren Ansätze stammt aus theoretischen, wirtschaftspolitischen und ideologischen Überlegungen: In der Theorie hat das Wiederaufleben klassischer und neoklassischer Strömungen den Glauben an das rasche und wirkungsvolle Arbeiten des Preismechanismus und an die jederzeit-vollständige Markträumung verstärkt und unsicherheitstheoretische Überlegungen in den Hintergrund treten lassen. Anhaltende Unterbeschäftigungsgleichgewichte und kräftige kumulative Prozesse werden für weniger wahrscheinlich gehalten, Anpassungsprozesse laufen nach moderner Ansicht rasch und in die richtige Richtung; Stabilisierungspolitik ist unter diesen Voraussetzungen nicht nötig, würde aber auch nicht wirken.
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Tichy, G. (1999). Die großen wirtschaftspolitischen Kontroversen der Gegenwart. In: Konjunkturpolitik. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-58485-5_13
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