Zusammenfassung
Kontinuierliches und störungsfreies Wachstum — ein alter Traum der Menschheit — ist offenbar nicht das Entwicklungsgesetz der Wirtschaft, weder der vorkapitalistischen, noch der kapitalistischen und wahrscheinlich auch nicht der postkapitalistischen, soferne es eine solche je geben wird. Man muß als Beweis dafür nicht unbedingt die sieben fetten und die sieben mageren Jahren der Bibel bemühen; soweit Zahlenangaben aus früheren Zeiten überliefert wurden oder rekonstruiert werden konnten, zeigen alle dasselbe Bild: eine mehr oder weniger regelmäßige Aufeinanderfolge von guten und schlechten Zeiten. Seit der Industrialisierung glaubt man darin markante Gesetzmäßigkeiten erkennen zu können, die vor allem vor dem Zweiten Weltkrieg nach herrschender Meinung1 besonders deutlich ausgeprägt waren: Auf die „ Prosperität“ folgte zwangsläufig die „ Depression“, auf die Gründerzeit die Gründerkrise, auf die „ roaring twenties“ die Weltwirtschaftskrise. In der Zeit zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Ölkrise waren die Unterschiede zwischen Zeiten guter und Zeiten schlechter Konjunktur allerdings recht klein geworden; auf eine Wachstamsbeschleunigung folgte meist bloß eine Wachstamsverlangsamung, vielleicht eine „ Flaute“, bloß in seltenen Unglücksfallen eine Rezession. Seit der Ölkrise sind zwar die Rezessionseinbrüche nicht nennenswert tiefer geworden, die Aufschwünge reichen jedoch in der Regel nicht mehr aus, Vollbeschäftigung zu erreichen.2
It id probably fair to say, that a great deal more effort has gone into the job of constructing theoretical models than has gone into the job of testing the models against the facts.
D.J. Coppock, 1959
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Notes
Die herrschende Meinung wurde von Romer (1986a; 1986b; 1986c) in Frage gestellt; siehe dazu Abschnitt 3.4.
Wieweit dahinter konjunkturelle Probleme stehen und wieweit strukturelle muß in diesem Rahmen offen bleiben. hen achtziger Jahren zu erheblicher Bedeutung auf, und blieben in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren merklich relevanter als vor der Ölkrise.3
Zwar mindern Konjunkturschwankungen die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt nach Ansicht der Gleichgewichtskonjunkturtheorie, vor allem des Ansatzes der realen Konjunkturzyklen, keineswegs, doch wird diese Ansicht von der früheren Konjunkturtheorie wie von neuesten Ansätzen (Romer 1993, 13f; Stiglitz 1993) bestritten.
„ The divorce between economics and politics is now just about complete; and if there is an alliance with another academic subject, it tends to be mathematics.“ (Krainer 1992)
Siehe dazu auch Mankiw (1990, 1645f).
Daß die Ölkrise als „ Ölschock“ — und zwar als Angebotsschock — bezeichnet wird, hat die Praxis akzeptiert; daß aber auch ein Offenmarktkauf der Notenbank ein Schock ist — und zwar je nach Autor ein monetärer oder ein Nachfrage-schock — belustigt oder erzürnt Notenbankpräsidenten — je nach Charakter. Die Verwirrung steigt, wenn der Ölschock als supply innovation, als Angebotsinnovation bezeichnet wird; noch verwirrender die Bezeichnung Angebotsüberraschung, weil die Zeitreihenanalyse, anders als die Erwartungstheorie nicht darauf abstellt, ob das Ereignis von den Beteiligten — die über vielfache Informationen verfügen können — erwartet wurde oder nicht, sondern ob es aus der Entwicklung der jeweiligen Zeitreihe (in der Vergangenheit) prognostiziert werden konnte oder nicht.
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Tichy, G. (1994). Die neue Konjunktur-Dichotomie. In: Konjunktur. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-57944-8_1
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