Zusammenfassung
Beide Faktoren veränderter Einstellung zu unseren wissenschaftlichtechnischen Lebensvoraussetzungen, nämlich Kompetenzverluste des Common sense einerseits und schwindende Zukunftsgewißheit andererseits, sind rationalitätskrisenträchtig. Das gilt jedenfalls dann, wenn man den in dieser Feststellung gebrauchten Begriff der Rationalität konventionell definiert. Rationalität ist danach eine Eigenschaft von Handlungen oder von Elementen in Handlungssystemen, sofern von den Handlungssubjekten gesagt werden kann, daß sie wissen, was sie tun müssen, damit sie können, was sie wollen. Die so bestimmte Rationalität ist näherhin das, was wir „Zweckrationalität“ nennen. Ersichtlich wächst der Grad erreichbarer Zweckrationalität in erster Linie mit der Validität, der Tauglichkeit des Wissens, durch das wir in Handlungszusammenhängen darüber informiert sind, was wir — um diese ebenso elementare wie einfache wichtige Struktur verbal hier noch einmal zu präsentieren — tun müssen, damit wir können, was wir wollen. Das Wissen, mit dessen Tauglichkeit die Zweckrationalität unseres Handelns entsprechend anwächst, bezieht sich dabei vor allem auf die beiden folgenden Elemente einer jeden Handlungssituation. Es bezieht sich, erstens, auf einen nach Gesichtspunkten pragmatischer Relevanz ausgegrenzten Wirklichkeitsbereich, in den wir durch unser Handeln verändernd oder auch konservierend eingreifen. Dieses Wissen hat zumeist deskriptiven Charakter. Es beschreibt den fraglichen Wirklichkeitsbereich. Das fragliche Wissen bezieht sich dann, zweitens, auf Theorien, die uns über naturale oder auch über soziale Gesetzmäßigkeiten belehren, die wir kennen müssen, damit wir unser Handeln gemäß den Annahmen über seine theoriegemäß zu erwartende realitätsverändernde oder auch realitätskonservierende Wirkung programmieren können. Nur soweit wir über solches Wissen verfügen, ist zweckrationales Handeln überhaupt möglich — einschließlich der Kalkulation seiner nicht-intendierten, aber unvermeidbaren Nebenfolgen, die sich in erträglichen Grenzen halten müssen, wenn Zweckrationalität unseres Handelns gewährleistet sein soll.
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Lübbe, H. (1994). Gründe veränderter Einstellung zu unseren wissenschaftlich-technischen Lebensvoraussetzungen IV: Rationalitätsverluste durch Verwissenschaftlichung unserer Zivilisation. In: Der Lebenssinn der Industriegesellschaft. Edition Alcatel-SEL-Stiftung. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-57937-0_7
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