Zusammenfassung
Den Deutschen stehen mehr Gerichtswege offen als allen ihren Nachbarn. Nicht nur decken Fachgerichte alle Bereiche des öffentlichen Lebens ab und bieten sie prinzipiell Berufungs- und Revisionsmöglichkeiten, über sie hinaus besteht auch noch der Weg zur Verfassungsgerichtsbarkeit und gegebenenfalls noch der Möglichkeit des Anrufens von europäischen Gerichten. Jede einzelne Gerichtsinstanz arbeitet (relativ im internationalen Vergleich) schnell und effizient. Wenn dennoch in Deutschland über „die ständig steigende Prozeßflut“ gejammert wird, bezieht sich dies in erster Linie auf die Rechtsmittelhäufigkeit. Wenn eine Partei alle Möglichkeiten von Beschwerden, Berufungen und sogar Revision ausschöpft, kann sie den Prozeß für die Gegenpartei sehr lange hinzögern. In anderen Ländern scheinen ganz andere Probleme im Vordergrund zu stehen, so etwa in den Vereinigten Staaten die vielen Greuelgeschichten über unglaubliche Schadenersatzforderungen, die dann mit den Erfolgshonoraren von Anwälten und der Rechtsprechung von Jurys im Zivilprozeß solch hohe Summen erreichten, daß die Juristen in manchem internationalen Vertrag einen amerikanischen Gerichtsstand ausschlossen und daß die Versicherungen ihre Prämien erhöhten. Allerdings kann man von solchen spektakulären Fällen nicht auf eine allgemeine ’Prozeßflut‘ verallgemeinern. Die dramatisierten Einzelfälle des Haftungsrechts verdecken eher die strukturellen Probleme der amerikanischen Justiz, die man nur verdeutlichen kann, wenn man untersucht, von welchen Parteien eigentlich Prozesse herrühren, welche Streitgegenstände sie betreffen und welche sozialen Konflikte dem Rechtsstreit zugrunde liegen.
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Note
Vgl. Christiane Simsa: Gerichtliche und außergerichtliche Abhandlung von Verkehrsunfällen in Deutschland und in den Niederlanden, Diss., VU Amsterdam 1995.
Vgl. John Langbein: The German Advantage in Civil Procedure, University of Chicago Law Review 52 (1985) 823–857.
Vgl. Cappelletti: Procedure orale et procedure ecrite, Milano 1971.
Vgl. Roswitha Svensson: Repräsentativbefragung der Richter in der DDR, unveröff., Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin 1990.
Alle Angaben aus dem Bericht über die Justizwahlen 1989, in: Neue Justiz 8 (1989) 303.
Ekkehard Klausa: Ehrenamtliche Richter, Frankfurt 1972.
Lawrence Friedman: The Legal System, New York 1975 (deutsch: Das Rechtssystem im Blickfeld der Sozialwissenschaft, Berlin 1981).
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Blankenburg, E. (1995). Indikatorenvergleich von Rechtskulturen. In: Mobilisierung des Rechts. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-57870-0_7
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