Zusammenfassung
Wenn schon die Thematisierung der Möglichkeit, daß ein Streit vor Gericht getragen werden könnte, das Verhältnis zwischen den Parteien verändert, dann tut dies erst recht das Einleiten eines Verfahrens selbst. Allerdings setzt sich auch nach Einreichen einer Klage das Spiel zwischen Mobilisieren und Vermeiden von hartnäckigem Streit oft noch fort. Oft genügt es, daß der Kläger angezeigt hat, wie ernst er es meint, um zu bewirken, daß der Beklagte einlenkt, und der Fall ohne jede Verhandlung wieder aus den Gerichtsregistern ausgetragen werden kann. Die Klage ist hier eine Fortsetzung außergerichtlicher Drohungen ’im Schatten des Rechts‘. Andere Verfahren, die bei manchen Streitgegenständen bis zur Hälfte aller Fälle ausmachen, enden im weiteren Verlauf der Verhandlung mit einem Vergleich: Entweder außergerichtlich im Schatten des Verfahrens, oder — wie vor deutschen Gerichten üblich — explizit mit Hilfe des Gerichts. Bestimmten Parteien und bei bestimmten Streitgegenständen kommt es nicht auf die rechtliche Entscheidung, sondern auf die Beendigung eines Streits an — und dies ist sicherlich nicht gegen das Interesse von vielen Richtern, die sich durch den Vergleich das Abfassen einer Urteilsbegründung ersparen können. Die Verfahrenssoziologie fragt, welches die Parteienkonstellationen und welches die Streitgegenstände sind, bei denen das bloße Drohen mit einem Prozeß die vornehmliche Funktion des Anrufens des Gerichts ist; und welches diejenigen sind, bei denen vor Gericht der Streit vorzeitig beendet werden kann; und welche Parteien das Gericht anrufen, um bis zur rechtlichen Entscheidung und deren Begründung zu prozessieren.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Note
Beatrice Caesar-Wolf, Dorothee Eidmann & Barbara Willenbacher: Die gerichtliche Ehelösung nach dem neuen Scheidungsrecht. In: Zeitschrift für Rechtssoziologie 4 (1983) 202–246.
Marc Galanter: Why the’ Haves ‘Come out Ahead — Speculations on the Limits of Legal Change. In: Law and Society Review 9 (1974) 95–160.
Rolf Bender & Rolf Schumacher: Erfolgsbarrieren vor Gericht, Tübingen 1980, S. 138.
Elmar Steinbach: Strukturen des amtsgerichtlichen Zivilprozesses, GMD Birlinghoven 1979, S. 96 ff.
Rolf Bender & Rolf Schumacher, aaO., 1980, S. 24, 49.
Erhard Blankenburg & Siegfried Schönholz, aaO., 1979, S. 138–186.
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1995 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Blankenburg, E. (1995). Soziologie von Gerichtsverfahren. In: Mobilisierung des Rechts. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-57870-0_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-57870-0_5
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-540-55731-9
Online ISBN: 978-3-642-57870-0
eBook Packages: Springer Book Archive