Zusammenfassung
Wir hatten uns vorgenommen, zunächst das Weltbild Deutschlands (der Alten Bundesländer) so darzustellen, wie es sich aus östlicher Sicht zeigt, um anschliessend die Unterschiede zum Weltbild des östlichen Mitteleuropa aufzuzeigen.
Dabei haben wir festgestellt, daß dieses Weltbild einem Puzzlebild vergleichbar ist, bei dem alle Puzzleteile prinzipiell zueinander passen und nur noch zu verfeinern sind. Insofern kann man behaupten, daß Deutschland ein komplexes Land ist.Die Gesellschaft zeichnet sich durch klare Strukturen aus. Dieser Sinn für klare Strukturen ist in allen gesellschaftlichen Bereichen, sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben, spürbar. Nichts überläßt man dem Zufall, alles wird genauestens geplant, festgelegt und auf perfektionistische Weise durchgeführt. Spontane Entscheidungen werden dadurch gebremst, denn sie rufen Unbehagen und Unsicherheit hervor. Vorschriften und Regelungen werden als ,normal‘ betrachtet. Man scheint fast permanent in einer ,Habt-acht-Stellung‘ zu verharren und wirkt dadurch angespannt. Es scheint eine Form von ,Großzügigkeit‘ zu fehlen, um mit der Lebensverhältnissen entspannter umgehen zu können. Die Angst, durch, falsches‘ Verhalten die genau festgelegten Grenzen zu verletzen oder sogar zu überschreiten, ist so groß, daß das starke Sicherheitsbedürfnis sofort nach Regeln verlangt, wenn solche im Einzelfall fehlen.
Der stark ausgeprägte Individualismus jedoch trägt dazu bei, daß Menschen sich zunehmend von den traditionellen ormen und Werten entfernen oder diese neu definiert werden müssen. Diese Lebensweise, die sehr viel Energie kostet, und die innere Anspannung haben auch Auswirkungen auf das psychische Befinden. Der steigende Konsum an Aufputsch- und Beruhigungsmitteln ist ein klarer Beweis dafür, ebenso wie die verschiedensten Therapieformen, die angeboten werden. Von diesen wird reger Gebrauch gemacht, da viele Probleme von keiner Gemeinschaft, die hinter dem Individuum steht, aufgefangen werden können, so daß dieses alleine zurechtkommen muß. Die Probleme werden dann entweder in Talkshows herausposaunt oder beim Therapeuten verarbeitet. Es ist kein Zufall, daß diese Berufsgruppe so stark vertreten ist.
„Ich fühle mich wie eine Waschmaschine, morgens stelle ich die fünfzehn Programme ein, und abends gehen sie aus.“
Die deutsche Gesellschaft in den Alten Bundesländern wird nicht nur vom Individualismus, sondern auch von einem starken Leistungsprinzip geprägt. Bezogen auf das Zitat heißt das, daß man funktionieren muß und sich wie eine Maschine fühlt, die sich keine Schwäche erlauben darf, denn jede Schwäche ist in der Gesellschaft negativ besetzt. Alle ,Teile‘ müssen funktionieren, andernfalls würde eine neue ,Waschmaschine‘angeschafft werden.
Ein anderer Aspekt ist, daß materielle Wünsche sehr stark ausgeprägt sind. Die entsprechenden Konsumgegenstände machen den hohen Wohlstand aus. Selbst die Verflachung gesellschaftlicher Hierarchien und ihrer Machtstrukturen ist eine Folge davon. In dieser Hinsicht braucht man sich um Willkür und Machtmißbrauch nicht zu sorgen. Der allgemein hohe Lebensstandard („Jeder ist satt.“) verhindert, daß Machtmißbrauch gegenüber dem ,kleinen Mann‘ notwendig ist.
Wenn Machtmißbrauch in Form von Korruption aufgedeckt wird, dann meistens in den obersten Schichten der Gesellschaft. Ein Polizist, der genügend verdient, um seine Familie zu ernähren, hat es nicht nötig, die Einnahmen aus Strafzetteln in die eigene Tasche zu stecken.
Man braucht keine Angst vor der , Obrigkeit‘ zu haben, sie ist wählbar und abwählbar, also ersetzbar. Die Obrigkeit wird entweder aus Steuergeldern oder durch die Konsumgüterproduktion finanziert, und dieser Tatsache sind sich die Menschen in den Alten Bundesländern bewußt. Dieser Faktor ist tief in ihrem Bewußtsein verankert.
Der Aspekt der ,Zeit‘ bestimmt in höchstem Maß die Lebensweise. Genaueste Termineinhaltung definiert diese. Die Zeit nicht zu beachten, wird als direkte Mißachtung des anderen gedeutet, denn Zeit ist in jedem Fall „teuer“. Nicht nur die Arbeits-, sondern insgesamt die Lebensweise wird in vielem explizit durch Verträge (z. B. zwischen Eheleuten) geregelt.
Die Globalisierung macht diese Art zu leben und zu arbeiten noch komplizierter und erfordert noch mehr Anstrengungen, noch mehr Zeit und Mobilität, als früher ü blich war. Wenn wir uns nicht bewußt werden, daß langfristige zwischenmenschliche Beziehungen hierzulande, aber auch mit den Menschen jenseits der Grenze, Grundlage des Lebens sein sollten, um gute Nachbarschaft und ertragreiche Geschäfte zu ermöglichen, stellt sich die Frage, ob dann nicht auch unsere Fähigkeit, im internationalen Wettbewerb zu bestehen, bald beeinträchtigt werden wird.
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Mochtarova, M. (2000). Zusammenfassung. In: Erfolgreiche Geschäfte im östlichen Mitteleuropa. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-57299-9_6
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