Zusammenfassung
Der Rechtsprechung ist bewusst, dass die Aufklärungsrüge problematisch ist. Das zeigt sich u.a. an dem Wandel ihrer dogmatischen Begründung von der Rechtsfertigungslehre hin zu einer aus dem Persönlichkeitsrecht und damit letztendlich verfassungsrechtlichen Überlegungen abgeleiteten Herleitung.
Die Aufklärungsrüge wurde, insbesondere auch mit ihrer Konsequenz der Beweislastumkehr, aus dem angloamerikanischen Rechtssystem übernommen, ohne dass hierzulande die Aufklärungsmechanismen zur Verfügung stehen, die im angloamerikanischen Rechtssystem mit der pre trial discovery beiden Prozessparteien offen stehen und damit die Beweismöglichkeiten auf Arztseite erheblich verbessern.
Die Aufklärungsrechtsprechung als solche ist nicht in Frage zu stellen, wohl aber die Entwicklung der letzten Jahre, die sie genommen hat. Die Darlegung des Entscheidungskonflikts ist nur noch für denjenigen Anwalt eine Hürde, der mit der Materie nicht erfahren genug ist und deshalb seinen Mandanten nicht entsprechend beraten (bzw. coachen) kann. Da von der subjektiven und revisionsrechtlich praktisch nicht überprüfbaren Glaubhaftigkeitsbeurteilung im Rahmen der Aufklärungsrüge alles entscheidend abhängt, ist angesichts der mittlerweile völlig verlorengegangenen Berücksichtigung allgemeiner Lebensrisiken für die Relevanz von Patientenentscheidungen subjektiven Einzelfallentscheidungen Tür und Tor geöffnet. Jedes Gericht, das einem Patienten etwas Gutes tun will, kann dieses Ziel über die Aufklärungsrüge und die von ihm individuell gesetzten Anforderungen an die Glaubhaftigkeit des Patienten und die Plausibilität seiner Argumentation in der Regel auch revisionssicher herbeiführen. Die Entwicklung hin zu einer Subjektivierung des Rechts dient nicht der Entscheidungssicherheit. Sie belässt es bei der Aufklärungsrüge als Schlupfloch für richterliches Unbehagen am formalen Ergebnis des Rechtsstreits. Das Auf und ab der Rechtsprechung zur Aufklärung, hier pointiert mit dem Schweinezyklus der Volkswirtschaftslehre verglichen, erklärt sich aus dieser Suche nach Einzelfallgerechtigkeit. Da die Resultate mal zugunsten des Patienten, mal zugunsten der Behandlerseite ausfallen, mag man zum Urteil kommen, dass sich die Schwankungen schon irgendwie ausgleichen. Vermutlich wäre mehr geholfen, wenn die Behandlungsfehlerbeurteilung stringenter ausfallen würde und man in der Beurteilung der Relevanz von Aufklärungsfehlern die “Kirche im Dorf’ ließe.
Article Footnote
Hier den Beitrag von Stegers, in diesem Band.
Vgl. zu dieser Problematik schon Ratajczak/Stegers, a.a.O., Rz. 23; dieser Problematik ist in Teilen dasXll. Kölner Symposium der Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. am 18.11.2000 gewidmet
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Ratajczak, T. (2001). Der Schweinezyklus in der Aufklärungsrechtsprechung. In: Ratajczak, T., Stegers, CM. (eds) Risiko Aufklärung. MedR Schriftenreihe Medizinrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-56611-0_1
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