Zusammenfassung
Die beiden in diesem Kapitel erläuterten Straftatbestände — der Räuberische Angriff auf Kraftfahrer (§ 316 a) und der Erpresserische Menschenraub (§ 239 a) haben nicht nur Raub- und Erpressungsähnlichkeit, auch im Verhältnis zueinander lassen sich einige Gemeinsamkeiten festhalten: Beide Straftatbestände sind — wie der Kleinbuchstabe hinter der Paragraphenzahl andeutet — erst nachträglich in das Strafgesetzbuch aufgenommen worden, gehörten also 1871 noch nicht zum Besonderen Teil des StGB. Darüber hinaus steht ihre Entstehung in demselben geschichtlichen und politischen Zusammenhang. Beide Strafvorschriften sind Erzeugnisse nationalsozialistischer Verbrechensbekämpfungspolitik. Außerdem wurde bei beiden Straftatbeständen der Anstoß zu ihrer Schaffung durch tatsächliche kriminelle Ereignisse („Lindbergh-Baby-Entführung“;1 „Gebrüder Götze“) gegeben,2 die die Bevölkerung in Unruhe versetzten und den NS-Machthabern willkommener Anlaß für weitere Exempel einer zunehmenden Brutalisierung, Primitivierung und Verrohung hoheitlicher Verbrechensverfolgung waren (näher dazu unten Rn. 4).3 Den Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ haben Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer und Erpresserischer Menschenraub als Straftatbestände insofern überdauert, als sie nach Gründung der Bundesrepublik in entnazifizierter — wenngleich nicht unbedingt rechtsstaatlich vorbildlicher4 — Fassung weiterhin Bestandteile des Strafgesetzbuches geblieben sind. Vor allem wegen ihrer hohen Strafdrohung sind diese Strafvorschriften immer noch umstritten und vielfältiger Kritik ausgesetzt.5
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Literatur
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Mitsch, W. (2001). Raub — und erpressungsähnliche Delikte. In: Strafrecht Besonderer Teil 2. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-56559-5_2
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