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Die Wortbildung

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Zusammenfassung

Fahren wir nun fort, die chinesischen Wörter, hauptsächlich die einfachen, nach ihrem Bau zu untersuchen, so zeigen sich als Folge des Monosyllabismus merkwürdige Ergebnisse. Die Zahl der aussprechbaren Silben ist nicht unbegrenzt, und je mehr Wörter die Sprache hervorbrachte (es sei daran erinnert, daß wir es mit einer Kultursprache zu tun haben, die schon zu einer frühen Zeit einen reichen Wortschatz besaß), um so weniger ließ es sich vermeiden, daß zwei oder mehrere Wörter in der Aussprache einander ähnlich, ja identisch, wurden. Diese Homophonie nahm dadurch beträchtlich zu, daß das Chinesische im Laufe seiner Entwicklung, soweit wir sie kennen, immer zur Vereinfachung der Laute neigte. Um 800 v. Chr. herrschte noch eine beträchtliche Lautverschiedenheit, so daß die Homophone nicht übermäßig zahlreich waren. Aber schon gegen 500 n. Chr. duldete die Sprache nur noch einen einfachen Konsonanten im Anlaut (mit Ausnahme der ‚Affrikaten‘ ts, dz, ch, dj, Phoneme, die als einfache Laute angesehen werden können). Wörter wie pi, p’i, b’i, mi, ti, t’i, d’i, tsi, ts’i, li, ngi (ng wie in Gong) waren möglich, Konsonantenverbindungen wie in streng, bre chen, treiben, fliegen, planen gab es nicht. Noch größere Armut herrschte im Auslaut. So wie das Altgriechische im Wortauslaut nur n, r, s (oder x) oder Vokale zuließ, mußte jedes chinesische Wort dieser Zeit auf Vokal, p, t, k, m, n, oder ng enden. Der Sprachgeist duldete also Silben wie ka, kat, kap, kak, kan, kam, kang, nicht aber Endungen wie etwa lag, Beil, Tor, Most, Lump, fort usw. Das Ausmaß der dadurch auferlegten Beschränkung ist offensichtlich. In dieser Periode hatte die Sprache bereits ein Stadium erreicht, in dem viele Wörter unterschiedlicher Bedeutung und verschiedenen Ursprungs gleichlautend geworden waren. So lauteten z. B. die vier etymologisch verschiedenen Wörter für ‚hoch‘, ‚Fett‘, ‚Kuchen‘, ‚Lamm‘ alle gleich: kao. Natürlich finden wir solche Beispiele auch in anderen Sprachen. Die beiden französischen Wörter vin (Wein) und vain (vergebens) wurden früher verschieden ausgesprochen (der Grund für ihre unterschiedliche Schreibweise), haben aber heute die gleiche Aussprache. Im Englischen werden read (lesen) und reed (Ried) gleich ausgesprochen, doch weist die Schreibung auf einen früheren Unterschied hin. Leeren und lehren, Lied und Lid seien für das Deutsche angeführt. Im Schwedischen steht die Silbe led für nicht weniger als dreizehn entwicklungsgeschichtlich verschiedene Wörter. In europäischen Sprachen sind Beispiele dieser Art nicht so zahlreich oder verwirrend, daß sie zu Unsicherheiten führen würden. Aber in der erwähnten Periode muß die große Zahl der Homophone im Chinesischen zu Verständigungsschwierigkeiten beim Sprechen geführt haben. Dies sollte jedoch noch ausgeprägter hervortreten. Seit jener Zeit ist die chinesische Sprache auf dem Wege der Lautvereinfachung noch weiter fortgeschritten. Auch wird die Sachlage dadurch kompliziert, daß die Lautvereinfachung nicht in allen Teilen Chinas gleich verlief. In einigen Gebieten sind die Endkonsonanten -p, -t, -k abgefallen, in anderen haben sie sich erhalten; hier haben sich die alten stimmhaften Anlaute b’-, d’- g’- erhalten, dort wurden sie zu p-, t-, k-, oder p’, - t’-, k’-, usw. So spaltete sich das Chinesische in eine große Anzahl von Dialekten.

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Literatur

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  2. Dieses Idiom verbreitete sich südlich bis Melanesien und wurde schließlich das Pidgin-Englisch schlechthin. Ihm soll auch das Wort selbst entnommen sein: die korrumpierte kantonesische Form für das Englische ‚business ‘(Geschäft). (Andere Pidginsprachen: Australpidgin, das ‚Papiamento ‘auf Curaçao, das westafrikanische Pidgin usw. Es sei noch erwähnt, daß nicht jede Pidginsprache auf einer englischen Grundlage erwachsen ist).

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  6. Zur chinesischen Schriftreform und Einführung einer Buchstabenschrift siehe den interessanten Artikel ‚La Réforme de l’écriture Chinoise ‘in: Recherches Internationales à la lumière du marxisme, 7, Mai/Juni, 1958. Der Verfasser ist Wu Yü-Chang, Vorsitzender des Komitees für die Reform der chinesischen Schrift. Der Artikel wurde von André Lévy ins Französische übersetzt.

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Karlgren, B. (2001). Die Wortbildung. In: Schrift und Sprache der Chinesen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-56465-9_3

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