Skip to main content

Ableitung der Notwendigkeit und des Inhalts des positiven Rechts

  • Chapter
Das subjektive Rechtfertigungselement
  • 198 Accesses

Zusammenfassung

Die endliche Subjektivität verwirklicht sich nicht eingeschränkt auf bloße Geistvollzüge in einem subjektiven Innenraum. Vielmehr greift das endliche Subjekt auf die es umgebenden realen Objekte in den Vollzügen des Wollens, in welchen es eine Subjekt-Objekt-Identität im Objekt an sich setzt, aus (dazu oben im 2. Abschnitt, § 1 II, III). Bedingung der Möglichkeit dieser Vermittlung ist, dass das Subjekt über ein Medium verfügt, welches in den äußeren Raum hineinreicht. Dieses Medium ist der Leib des Subjekts. „Die Leiblichkeit ist die Gegenwärtigkeit des Geistes in der Welt.“2 Kraft dieses Mediums ist das Subjekt überhaupt erst in dieser anwesend. Es ist, in Gestalt der Sinneswahrnehmung, bereits das „Mittel“ zur Konstitution sogenannter hinnehmender Erkenntnis dieser Welt im geistigen Bewusstsein. Und jegliches Wirken in der Welt sowie jegliches Gestalten derselben vermag sich allein über das Medium der Leiblichkeit zu vollziehen. Die Welt nun, in die sich das Subjekt durch den Leib hineinvermittelt, ist eine raum-zeitliche Einheit. Die Wirkvollzüge der einzelnen Subjekte vollziehen sich ausnahmslos in demselben Raum und in derselben Zeit. Insofern ist ein „Außerhalb“ nicht vorstellbar. Weiterhin ist diese Einheit keine unendliche, sondern eine begrenzte Einheit. Deshalb ergibt sich notwendig ein wechselseitiger Einfluss der leiblichen Wirkvollzüge der einzelnen Subjekte. Raum, den ein Subjekt für sich in Anspruch nimmt, steht anderen Subjekten nicht — jedenfalls zunächst nicht — zur Verfügung.5

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 129.00
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 119.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info
Hardcover Book
USD 159.99
Price excludes VAT (USA)
  • Durable hardcover edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

References

  1. Auf solcher Basis könnte endliche Subjektivität schon nicht gedacht werden, weil bereits deren Konstitution ein sich notwendig im äußeren Raum vollziehendes Anerkennungsverhältnis mit dem anderen Subjekt voraussetzt (näher oben im 2. Abschnitt, § 2 II). Zum Folgenden auch Höffe, Rechtsimperativ, 48 ff.

    Google Scholar 

  2. Coreth, Anthropologie, 128.

    Google Scholar 

  3. Näher zum Ganzen Coreth, Anthropologie, 127 ff.

    Google Scholar 

  4. Freilich wurde und wird der Begriff „Welt“ in der Philosophiegeschichte in unterschiedlicher Bedeutung gebraucht; einen knappen Überblick gibt Vossenkuhl, Welt, 327 f.; siehe auch Coreth, Hermeneutik, 72 ff.

    Google Scholar 

  5. Hierzu Kants, MdS RL, AB 84, Hinweis auf die Kugelgestalt der Erde (dort im Zusammenhang des Sachenrechts). — Mit dem Begreifen der begrenzten raum-zeitlichen Einheit, in welcher die Subjekte sich vorfinden, beschränkt Kant die „Willkürlichkeit“ einer Gemeinschaft, von der Fichte ausgeht, in der Tat deutlich; vgl. Zaczyk, Fichte Studien, Bd. 7, 245.

    Google Scholar 

  6. Hinsichtlich der Willensfreiheit ergibt sich insoweit die Notwendigkeit, dass diese überhaupt interpersonal muss erscheinen können; hierzu E. A. Wolff, Kausalität, 58 f., und Zaczyk, Unrecht, 145 f. — Auf der Basis der vorliegend explizierten Auffassung folgt dieses Können aus der Endlichkeits-Unendlichkeits-Einheit der Subjektkonstitution; näher oben im 2. Abschnitt, § 3 I.

    Google Scholar 

  7. Zum Folgenden siehe fundamental Kant, MdS RL, Einleitung, §§ C — E.

    Google Scholar 

  8. Eine Erkenntnis, die auch den Rechtsbegriff, das-gesetz und das-prinzip der Kant’schen Rechtslehre durchwirkt; vgl. MdS RL, Einleitung, §§ C — E. Erläuternd dazu Höffe, Rechtsimperativ, 52 ff. — Diesen Grundsachverhalt hat Zaczyk, Unrecht, 145 ff, auch ders., Staat und Strafe, 78 f., im Kontext der Kant’schen Rechtsphilosophie besonders deutlich herausgearbeitet. — Siehe ferner auch Hollerbach, Selbstbestimmung, 13: “… das Thema Selbstbestimmung — oder sagen wir: die Sache Selbstbestimmung — die ganze Rechtsordnung durchzieht, und das ist naturgemäß so, da es in ihr allenthalben um das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft, von Freiheit und Bindung, von Recht und Pflicht sowie um Kollision bzw. Koordination von Interessen geht.“ (Instruktive Beispiele auf S. 13 f.).

    Google Scholar 

  9. Dieser normative Zusammenhang kann gewiss auch dahin formuliert werden, dass es um eine möglichst gerechte Verteilung von Freiheit im äußeren Interaktionsverhältnis geht — im Resultat übereinstimmend mit einer weitreichenden Strömung des Kriminalrechtsdenkens; vgl. etwa Hillenkamp, Vorsatztat, 195.

    Google Scholar 

  10. Mit dem Nichtverlust der normativen Kompetenz der einzelnen Subjekte durch die Einrichtung des Staates ist gesetzt, dass auch die Gesellschaft, der Zusammenschluss der Subjekte nicht durch die Institution Staat ihre Bedeutung verliert: Sie bleibt — ineins mit ihrer staatsgründenden Funktion — eine unbedingt gesollte Macht, die sich auch gegenüber staatlichen Funktionen, welche sich in näher zu bestimmender Weise eklatant aus dem normativen Horizont lösen, zunächst in den rechtlich dafür vorgesehenen Verfahren, das Gebot des unbedingten Imperativs wahrend, durchzusetzen hat. — Dabei ist freilich nicht von einem naiven Gegenüber von Gesellschaft und Staat, sondern von einem faktischen Durchdrungensein und einer Interdependenz beider in vielfältiger Hinsicht auszugehen, wodurch jedoch der grundsätzliche Antagonismus nicht aufgehoben wird. — Zur eigenständigen Bedeutung der Gesellschaft Böckenförde, Hefermehl-Fg., 11 ff.

    Google Scholar 

  11. Auf die höchstkomplexe empirisch-normative Struktur der Institution Staat kann hier allerdings nicht näher eingegangen werden. — Komprimiert zu den modernen Schwierigkeiten einer Rechtfertigung der Institution Staat Isensee, JZ 1999, 277. — Der explizierte Ansatz zur Ableitung der Notwendigkeit des Staates ist zwar in grundsätzlicher Weise individualistisch, jedoch kann er nicht zur von Badura, Kriele-Fs. 799, prägnant beschriebenen Konsequenz führen: „Der radikalisierte Individualismus, nämlich der Rationalismus in Politik und Philosophie, führt in der Theorie zu immer neuen Utopien für Gemeinschaften vollkommener Befriedigung aller, und hat in der Praxis der bürgerlichen und sozialistischen Revolutionen stets erneut Parteien mit totalitärer Programmatik hervorgebracht, die kürzer oder länger in den Besitz staatlicher Machtmittel zu gelangen vermochten.“ — Denn jener individualistische Ansatz geht in seiner Konstitution von einem normativen Horizont aus, der exemtionslos alle Anderen als unaufhebbar gleichberechtigt begreift und deshalb gerade keine Legitimationsbasis für eine „totalitäre Programmatik“ bietet; dies wird auch in der folgenden (§ 2) Deduktion des wesentlichen Inhalts des Rechtsbegriffs deutlich.

    Google Scholar 

  12. In diesem Zusammenhang auch Badura, Kriele-Fs., 806.

    Google Scholar 

  13. An dieser Stelle ist auf einen zumeist vernachlässigten, aber bemerkenswerten Aspekt der Wahrung der normativen Individualkompetenz des Subjekts in der raum-zeitlichen (Welt-) Einheit hinzuweisen: Im obigen Text wurde diese rücksichtlich des Schutzes von potentiell Bevormundeten durch Bevormundende entfaltet — gleichsam auf der Rückseite dieses Zusammenhangs liegt jedoch und wird erkennbar, dass die gebotene Wahrung der Autonomie der Anderen im Rechtsverhältnis auch eine Wahrung des potentiell Bevormundenden vor einer möglichen „Selbstauflösung“ durch Andere bedeutet, die sich entgegen dem unbedingten Imperativ von fremder Autonomie sozusagen treiben lassen wollen. — Hierzu auch Coreth, Metaphysik, 479: „Die Einzelperson hat notwendig auf all das einen Rechtsanspruch, was zum Vollzug sittlicher Freiheit auf das absolut verbindliche Ziel des Sittlichen hin erfordert ist. Daraus folgt nicht nur die Pflicht, die Rechte des Anderen zu wahren, sondern auch die Pflicht, die eigenen Rechte gegenüber dem Anderen zu wahren, soweit sie als Bedingung sittlicher Freiheit erfordert sind.“

    Google Scholar 

  14. Zur Unabhängigkeit des Rechts vom Verbreitetsein der Moralität unter den Menschen auch — im Kontext der MdS — Bartuschat, Deduktion, 178.

    Google Scholar 

  15. Dennoch sind die Gedanken der Prävention im Kontext eines Ansatzes beim Subjekt in seiner Normativität und damit bei der Autonomie nicht gänzlich zu verwerfen; siehe in diesem Zusammenhang die Auffassung von Köhler, AT, 50 f., welche eine „Integration präventiver Funktionen“ auf der Basis einer „Theorie freiheitsgesetzlich konkretisierter Strafgerechtigkeit“ leistet.

    Google Scholar 

  16. Entgegen einer verbreiteten Auffassung ist das „Recht“ des Einzelnen im raum-zeit-einheitlichen Zusammen-bzw. Wechselwirken der Subjekte nicht zunächst ein gleichsam grenzenloses, so dass (in verfassungsrechtlicher Terminologie) aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht „prima facie die Freiheit“ folgt, „sich wegen eines vergangenen Verhaltens vor niemandem, insbesondere nicht vor der Gesellschaft verantworten zu müssen“ (so Lagodny, Grundrechte, 123, m. w. N. zu dieser Auffassung). Hierbei wird verkannt, dass sich ein „Recht“ — gemäß dem oben entfalteten Ansatz — nur ursprünglich interaktionell-normativ ergeben kann, ab ovo nur Dasein zu haben vermag in der aus dieser normativen Relation folgenden Begrenzung. Kein endliches Seiendes hat zunächst („prima facie“) ein Recht auf Seins-bestände unbegrenzten Umfangs, das erst ex post eingeschränkt wird. Und dementsprechend bedeutet — das kann hier nur ein wenig unvermittelt formuliert werden — seine Verantwortlichkeit vor dem Forum der Rechtsgemeinschaft für eine interpersonal wirkende Destruktion (zu den Verantwortlichkeitsvoraussetzungen näherhin unten im 4. Teil, 1. Abschnitt) auch keinen Eingriff in seine Rechte (anders ist dies freilich hinsichtlich der an gegebene Verantwortlichkeit knüpfenden Rechtsfolgen — allerdings dürften solche überhaupt nur legitimierbar sein, wenn das Subjekt nicht gleichsam ein ursprüngliches Recht hat, nicht interaktionell verantwortlich zu sein). Gewiss, der aus dem Imperativ resultierende apriorische Anspruch, wonach alles — Sein ist umfassend gesollt — kontextuell bedeutsame Sein in die Ermittlung seiner interaktionell wirksamen Rechte einzustellen ist, steht dem Subjekt unhintergehbar zu. — Sehr treffende Kritik des fraglichen (Grund-)Verständnisses durch Jakobs, ZStW 110 (1998), 717 ff. bes. 718: „Es läßt sich also kein Abwehrrecht gegen jede Regelung der Lebensführung durch den Staat als staatlich garantiertes Recht denken, auch nicht ‚prima facie‘; vielmehr muß das, was die Rechtlichkeit konstituiert, unabwehrbar bleiben, wenn Rechte überhaupt Bestand haben sollen.“ (Hervorhebung übernommen.).

    Google Scholar 

  17. Im Kontext einer Philosophie der Freiheit arbeitet Zaczyk, Unrecht, 150 f., den Zusammenhang von Recht und Moral zutreffend heraus. 23 In diesem Zusammenhang auch Kahlo, Wolff-Fs., 165 ff. (im Kontext der Kant’schen praktischen Philosophie). — Mit jener Rückbindung inkompatibel ist etwa die Position Enderleins, Vertragsrecht, 54 ff., der unter dem irreführenden Titel „Freiheitsmaximierung“ eine Bevormundung des Subjekts zulassen will, wenn dadurch die Erhöhung der zukünftigen Entscheidungsfreiheit die Einschränkung der gegenwärtigen überwiege. Dies ist mit der Gründung des Rechts in der unhintergehbaren normativen Individualkompetenz des Subjekts nicht vereinbar. Berechtigt ist deshalb die dahingehende Kritik von Eckardt, JZ 1997, 87.

    Google Scholar 

  18. Und weil sich endliche Subjektivität immer schon, mehr oder weniger reflexiv und mehr oder weniger sollensgemäß, im normativen Horizont vollzieht, damit eben in ihren Entscheidungen bzw. deren Verwirklichung die Empirie — in unterschiedlichen Graden der Sollensnäherung — gestaltet, ist der Gehalt empirischen Rechts nicht durchweg so grundsätzlich pejorativ zu beurteilen, wie Naucke, Kritik, passim, dies tut. — In diesem Zusammenhang, unter etwas anderer Rücksicht, treffend Zaczyk, Wolff-Fs., 523: „Das kritische Rechtsdenken muß auch deshalb auf positives Recht sich einlassen, weil es … ja doch am Ende des Weges wieder zurück muß zu einer positiven Rechtsordnung und den Gestalten des Lebens.“ … „Eine bloß empirische Rechtslehre hat kein Gehirn; aber, so muß man ergänzen, ein nur aus reinen Prinzipien bestehendes Recht hätte nicht Hand und Fuß.“ (Hervorhebung von dort.), mit Anm. 44, einschließlich Hinweis (Anm. 43) auf die Bestimmung der Verhältnisse in Hegels Vorrede zur Rechtsphilosophie, 13 f. — Zu weitgehend sind demgemäß auch die kritischen Bemerkungen v. Kirchmanns in seinem berühmten Vortrag: „Die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft.“ Darin, S. 22, formuliert er scharf: „Hat das natürliche Recht … von dem positiven Gesetz schwer zu leiden, so ist doch das Uebel für die Wissenschaft noch größer. Aus einer Priesterin der Wahrheit wird sie durch das positive Gesetz zu einer Dienerin des Zufalls, des Irrthums, der Leidenschaft, des Unverstandes. Statt des Ewigen, Absoluten, wird das Zufällige, Mangelhafte ihr Gegenstand. Aus dem Aether des Himmels sinkt sie in den Morast der Erde.“ — Bedingung der Möglichkeit der Relation zwischen dem überempirischen Verständnis von Richtigkeit und den empirischen Verhältnissen ist gewiss, dass sich endliche Subjektivität je schon — mittelnd — wesentlich aus dem Spannungsverhältnis von aktueller Endlichkeit und virtueller Unendlichkeit konstituiert. — Aus der uneingeschränkten Geltung des unbedingten Imperativs auch im Recht ergibt sich für die Methodenlehre die grundsätzliche Richtigkeit der folgenorientierten Auslegung; zu diesem methodologischen Instrument Decken, JuS 1995, 480.

    Google Scholar 

  19. Dieser Konnex schließt ein, dass auch unrichtiges Recht unter der Bedingung vorübergehend seine Gültigkeit behalten kann, dass die interaktionelle Beachtung des zwar unrichtigen Rechts der Realisierung des Gebots des Seinsimperativs immer noch dienlicher ist — Orientierungsfunktion des Rechts — als dessen interaktionelle Missachtung. Und insofern zeigt sich, dass die Rechtssicherheit (zu deren Aspekten Brugger, Quaritsch-Fs., 50 ff.) in der Tat Bestandteil der Gerechtigkeit ist, allerdings nur und nur im beschriebenen sowie stets vorläufigen Maß (hierzu die Kritik am Rechtssicherheitsargument durch Naucke, Wolff-Fs., 366 f.). — Radbruch hat dies unter zu starker Wertschätzung der Rechtssicherheit formuliert: „Der Konflikt zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, daß das positive Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist. Es sei denn, daß der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, das das Gesetz als ‚unrichtiges Recht ‘der Gerechtigkeit zu weichen hat.“ (SJZ 1946, 105 f. — „Radbruch’schz Formel“) — Zudem entfernt sich Gehlen, Spätkultur, bes. 42 ff., 59 ff., — der zutreffend den Wert des Haltes des Menschen an den Institutionen erkennt — zu weit vom Horizont der praktischen Richtigkeit, wenn er zwar verlangt, dass das gesellschaftliche, staatlich verfasste Ganze so eingerichtet sein soll, dass sein Unterwerfungsanspruch an den Einzelnen nicht unsittlich ist, aber doch sehr entschieden darauf besteht, dass eine ungerechte Ordnung immer noch besser als gar keine sei. — Wie weit im modernen Strafrecht die Trennung von Inhaltsrichtigkeit und Verbindlichkeit bzw. Zwangscharakter reicht, beschreibt eindrucksvoll Naucke, Wolff-Fs., 362 ff.

    Google Scholar 

  20. Ein besonderer Indikator für die Anwesenheit und die Realisierung dieser Rückbindung — man darf auch sagen: für den Entwicklungsstand und die Macht des normativen Bewusstseins — ist die Erfassung und Bewältigung „staatsverstärkter Kriminalität“ vermittels des Kriminalrechts (zu dieser Problematik besonders Naucke, Bemman-Fs., 75 ff, m. v. N.). — Jene rigide Rückbindung des positiven Rechts an das Substrat des Imperativs bedeutet, dass die Gesetze auch auf die Staatsorgane ihres Erlasses und ihrer Umsetzung — ohne Privileg — anzuwenden sind: Der Imperativ gebietet die Optimierung der Seins-, insbesondere der Freiheitsverhältnisse, in ausnahmsloser bzw. höchster Allgemeinheit seines Anwendungsbereichs (zu den einzelnen Ausprägungen der Normativität oben im 3. Abschnitt). Demgemäß bestimmt sich der Applikationsbereich eines jeden (richtigen) Gesetzes — hier Kriminalgesetztes — in seinem jeweiligen Sektor ebenfalls in höchster Allgemeinheit. — Und hierin sind auch sowohl der die jeweilige Staatsmacht transzendierende Standpunkt der Justiz sowie das normative Substrat eines „streng rechtsstaatlichen Strafrechts“, als Instrumente der Bekämpfung von Staatskriminalität, begründbar, über welche Naucke, S. 78 (Abtrennung der Justiz von der gerade herrschenden Staatsgewalt) und S. 84 f. (rechtsstaatliches Strafrecht) reflektiert. — Wer immer auch die Tatbestandsmerkmale realisiert und damit vom Gebot des unbedingten Imperativs abfällt, zieht die mit diesen konditional verknüpfte Rechtsfolge auf sich, zur Erreichung von diesem Imperativ gemäßen interaktionellen Zuständen. Und vor diesem material-normativen Hintergrund ist jedweder funktionale Zusammenhang zwischen Staatsorgan und Kriminalgesetz eine axiologisch wie-praktisch gänzlich bedeutungslose Formalie; freilich mögen in der Realität Machtstrukturen zu dekuvrieren und zu über-winden geboten sein.

    Google Scholar 

  21. Hierzu zählt grundsätzlich auch die Verständlichkeit der Rechtsnormen. Widrigenfalls entsteht die groteske und widersprüchliche Situation einer Entfremdung dieser Normen vom Subjekt, in dessen Kompetenz sie jedoch letztendlich begründet sind. — Zur Gesetzesverständlichkeit Luttermann, ZRP 1999, 334 ff.; zum kriminalrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz im Besonderen Müller-Dietz, Lenckner-Fs., 179 ff.; siehe aber auch Lesch, Notwehrrecht, 41; im Problemkontext weiterhin Eckardt, Fachsprache.

    Google Scholar 

  22. Zur Begründung des Rechtszwangs — in einem freiheitsphilosophischen Vermittlungskontext — außerordentlich prägnant Kant, MdS, Einleitung in die RL, § D. Siehe in diesem Kontext weiterhin Köhler, Rechtszwang, 93 ff.

    Google Scholar 

  23. M. a. W.: Auch die Exekutive steht in ihrer Existenzberechtigung, wie die anderen „Gewalten“ auch, aus dem unbedingten Imperativ folgend, in ihrer Funktionsausübung unter der strikten Rückbindung an das Substrat des unbedingten Imperativs; dies, zumal ihr ein besonders hohes Potential an unmittelbar wirkender Macht zukommt. — Zur normativen Gebundenheit der Exekutive an den kategorischen Imperativ Kants siehe Kahlo, Wolff-Fs., 167 ff.

    Google Scholar 

  24. Besteht die Grundproblematik einer Legitimation der staatlichen Gewalt zur Durchsetzung des Rechts in der Kompatibilität einer solchen Gewalt mit der Autonomie der Subjekte, in welcher das Recht gerade gründet, so vermag diese Legitimation nicht geleistet zu werden durch direkten Rekurs auf die Gerechtigkeit des (durchzusetzenden) Rechts, die Rechtsbindung des Staates, die Gewährleistung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit und die Sicherung der Souveränität (so jedoch Burr, JR 1996, 230 f.). Diese Argumente kommen durchweg ohne jene normative Kompatibilität als Voraussetzung nicht aus. — Keine Begründung der Kompatibilität der staatlichen Zwangsbefugnis mit der Autonomie der Subjekte ist zudem durch die bloße Annahme einer (hypothetischen) freiwilligen Unterwerfung des Subjekts unter diese zu leisten. Ein solcher Zusammenhang setzt als Bedingung seiner Möglichkeit schon voraus, dass im Kontext des Rechts eine solche Unterwerfung als autonome Leistung überhaupt möglich ist. Dazu muss wiederum die Vereinbarkeit beider Inhalte untersucht werden. — Zur Legitimation des Zwangs als Element des Rechts etwa auch Höffe, Gerechtigkeit, 67, dessen Begriff des „vorteilhaften Zwangs“ allerdings inhaltlich nicht deutlich genug und auch nicht hinreichend abgeleitet ist (zur Kritik auch Alwart, JZ 1990, bes. 474), und Bertram Keller, Staat 2000, 193 ff.

    Google Scholar 

  25. In diesem Zusammenhang auch Zaczyk, Wolff-Fs., 514.

    Google Scholar 

  26. Treffend Hollerbach, Selbstbestimmung, 28: „Wenn nun dieses Gesetz nicht einfach dem Bereich von Freiheit und Selbstbestimmung nur unvermittelt entgegengesetzt werden soll, dann muss gerade hier Teilhabe an der Normierung möglich sein. Jedenfalls läßt sich Selbstbestimmung insoweit nicht anders als in der Form der Mitbestimmung vollziehen.“ — Treffend weiterhin Kahlo, KritV 1997, 197 f.: „Aber was prima facie als eine Form von Fremdherrschaft, von Heteronomie, erscheint, löst sich bei näherem Hinsehen spätestens dann begrifflich jedenfalls im Grundsatz auf, wenn man bedenkt, daß der Staat selbst als ein Produkt der praktischen Vernunft der Subjektivität — also vom Einzelnen als seiner Basis aus — entwickelt und als juristische Person mit den bekannten drei ‚Gewalten ‘in Analogie zu den drei Elementen einer praktischen Leistung nach dem Prinzip des kategorischen Imperativs konstruiert wird …“ — In diesem Zusammenhang auch Badura, Kriele-Fs., 801. — Der bloße Verweis auf die Wirksamkeit des Subjekts in einem Verfahren demokratischer Entscheidung genügt allerdings nicht, um dieses an ein daraus folgendes Resultat zu binden. Denn es muss gezeigt werden, ob und warum Verpflichtungskraft für das Subjekt auch entstehen kann, wenn das Resultat des demokratischen Entscheidungsverfahrens von dessen individueller Richtigkeitsevaluation abweicht. Soll eine dahingehende Begründung mehr darstellen als einen Rekurs auf die bloß faktische Macht der Mehrheit, so muss jenes Verfahren in seiner material-normativen Substanz — als einzige Möglichkeit, ein entfaltungsoptimales Dasein normativ gleichberechtigt-kompetenter Subjekte unter Endlichkeitsbedingungen zu gewährleisten — begriffen werden.

    Google Scholar 

  27. Zweifellos ist mit der Einrichtung von positivem Recht und Staat auch eine bestimmte Einschränkung der Freiheit der einzelnen Subjekte verbunden: Diese können sich nicht mehr gemäß ihrer freien Willkür verhalten. Allein, diesem Verzicht steht gegenüber die Organisation eines Gemeinwesens unter grundsätzlicher Ermöglichung — die Realisierung stößt freilich zumeist auf zusätzliche Schwierigkeiten — eines Maßes der interaktionellen Freiheitsbetätigung, das ohne jene Einrichtung weitaus geringer und in erheblicher Weise von Machtverhältnissen abhängig wäre. — Zum gegenseitigen Freiheitsverzicht zur Ermöglichung der Freiheitskoexistenz auch Höffe, Gerechtigkeit, 382 ff.

    Google Scholar 

  28. Einen Überblick zu wesentlichen Bestimmungen des Rechtsbegriffs in der Geschichte der Rechtsphilosophie gibt Brieskorn, Rechtsphilosophie, S. 40 ff. Rn. 33 ff.

    Google Scholar 

  29. Überblicke zu den Strömungen der Rechtsphilosophie und-theorie geben etwa: Hofmann, Entwicklungen; Arthur Kaufmann, Rechtsphilosophie, bes. 20 ff., 40 ff., 152 ff., 165 ff., 264 ff., 287 ff., 297 ff.; ders., Theorie der Gerechtigkeit; ders./W. Hassemer, Einführung; Alexy u. a. (Hg.), ARSP-Beiheft 44; Norbert Horn, Rechtswissenschaft, bes. S. 125 ff., 159 ff., 206 ff.; Welzel, Naturrecht; Zippelius, Rechtsphilosophie, bes. 89 ff., 125 ff.; ders., Das Wesen des Rechts; siehe auch Callies, Prozedurales Recht, 23 ff. — Im folgenden obigen Text können nur wenige Denkungsarten gestreift werden.

    Google Scholar 

  30. So vor allem Zippelius, Recht und Gerechtigkeit in der offenen Gesellschaft, Kap. 1; ders., Zippelius Das Wesen des Rechts, 85 ff.; komprimiert ders., Zippelius JZ 1999, 113 f.

    Google Scholar 

  31. Zu wesentlichen Ursprüngen solcher Verfahren Hruschka, JuS 1992, 283.

    Google Scholar 

  32. So dürften auch die Grundformel und die Naturgesetzformel des kategorischen Imperativs Kants, GMS, BA 52 u. BA 82, 83, nur im Zusammenhang mit der Selbstzweckformel, BA 67, sinnvoll zu applizieren sein.

    Google Scholar 

  33. Weiterführende Überlegungen bei Ricken, Ethik, S. 109 ff.

    Google Scholar 

  34. Überlick bei Volkmann, JuS 1997, 976. — Skizze von deren Struktur(en) bei Alexy, Notizen, 49 f., und K Günther, Diskurs, 55 ff.; siehe weiterhin Tschentscher, Prozedurale Theorien, bes. 45 ff. und 309 ff.

    Google Scholar 

  35. Zur Kritik prägnant auch Naucke, Rechtsphilosophie, S. 129 ff. Rn. 240 ff. (etwa: „Aber immer ist das Konsensfindungs-Verfahren von vorausgesetzten, absoluten (metaphysischen) Maßstäben abhängig, die die Zulässigkeit (Richtigkeit) der Konsens-Ergebnisse steuern …“; S. 134 Rn. 246). — In besonderer Weise verkannt wird der Grundzusammenhang, wenn — kreisend — die Geltung der unhintergehbaren Voraussetzungen eines jeden Diskurses bzw. Konsenses, wenn die Existenz und die Anerkennung von Subjektivität in ihren Bezügen von der Affirmation innerhalb eines Diskurses abhängig gemacht werden: „Es muß also … bei einem solchen Set von Prämissen … angesetzt werden, das … innerhalb der gegenwärtigen Strafrechtsdogmatik auf weitestgehende Zustimmung rechnen kann. Dieses ‚Leitparadigma ‘wird im 1. Kapitel der vorliegenden Arbeit in dem Begriff der Freiheit als Selbstgesetzgebung (Autonomie) gefunden …“; so Pawlik, Betrug, 3 (dort Herv.).

    Google Scholar 

  36. In diesem Zusammenhang ist etwa an den Versuch zu denken, eine hinreichende Restitution des verletzten Rechtsverhältnisses durch das Institut des Täter-Opfer-Ausgleichs zu leisten; zu diesem Baumann, Stree/Wessels-Fs., 41 ff.; Bundesministerium der Justiz (Hg.), Täter-Opfer-Ausgleich in Deutschland; Dölling/Weitekamp, Täter-Opfer-Ausgleich, 134 ff., und Jescheck/Weigend, AT, 864 ff.; Ostendorf, Strafe, 58 ff.; Schünemann/Duhber (Hg.), Stellung des Opfers, und Stein, NStZ 2000, 393 ff. Zur „restriktiven Handhabung“ des Täter-Opfer-Ausgleichs „jedenfalls bei den schwereren Delikten unter psychotraumatologischen Gesichtspunkten“ Jerouscheck, JZ 2000, 190.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2002 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

About this chapter

Cite this chapter

Rath, J. (2002). Ableitung der Notwendigkeit und des Inhalts des positiven Rechts. In: Das subjektive Rechtfertigungselement. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-56362-1_13

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-56362-1_13

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-642-62707-1

  • Online ISBN: 978-3-642-56362-1

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics