Zusammenfassung
Klimaschutzziele präsupponieren Verpflichtungen gegenüber zukünftigen Generationen. Das philosophische Nachdenken über zukünftige Generationen ist voller „paradoxes, puzzles and perplexities“ (Partridge 1990, S. 40). Diese Rätsel unterminieren die moralische Emphase, mit der Zukunftsverantwortung angemahnt wird (wie bei Jonas 1979). Der Terminus.„zukunftige Generation“ ist ein unbestimmter Kollektivsingular, Man kann ihn auf verschiedene Weise verstehen: a. als Inbegriff für alle noch nicht existierenden Personen oder b. unter Mitein schluss der heutigen Kinder. In der Literatur wird mehrheitlich so definiert, dass nur stricto sensu zukünftige Personen erfasst werden. Betont man den Umstand einer kontinuierlichen Generationenfolge, so legt sich eine Definition nahe, die Kinder einschließt. Wenn von „Pflichten gegenüber zukünftigen Generationen“ gesprochen wird, so sind immer „Pflichten gegenüber Mitgliedern zukünftiger Generationen“ gemeint.
„The issue ofclimate change is ultimately an ethical issue.“ (Rayner et al. 1999)
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Literatur
Zur genauen Analyse dieser Begrifflichkeit vgl. Bimbacher (1988) und Unnerstall (1999).
Umgekehrt ist die Anerkenntnis von intergenerationellen Pflichten nur dann moralisch konsistent, wenn auch intragenerationelle Pflichten anerkannt werden (Hampicke 1999, Attfield 1999).
Ein anderes Paradox Boonin-Vail (1996) ist das so genannte „mere addition paradox“. Es wird hier nicht behandelt.
„From the premise that we are ignorant about x, it never follows (…) that we are justified is assuming is or is not of a particular nature“ (Shrader-Frechette 1991, S. 73).
Nutzinger (1999, S. 75) weist zu Recht darauf hin, dass viele Autoren, die expressi s verbis die Unerkennbarkeit der Zukunft betonen, implizit Annahmen über zukünftige Weltzustande machen, etwa dass zukünftiges Wirtschaftswachstum zukünftige Menschen glücklicher machen wird usw. Diese Verknüpfung von einem „argumentum ad ignorantiam” mit technologischem Fortschrittglauben ist suspekt; denn sie ist einmal betont skeptisch und zum anderen vertrauensselig.
DeGeorge (1981, S. 161): „Future gener ations (…) should correctly be said to have a right only to what is available when they come into existence. (…) Some future people, therefore, will have no right to the use of gas, or oil, or coal, if, when they come into existence, such goods no longer exists.“
„By a in personam duty we may mean a duty responsive to the right claim of (‘denotatively’) identifiable individuals, and by an ‘in rem duty’ we mean a duty correlated to the rights of a class of persons identifiable by description (by ‘designatiori’)“ (Partridge 1990, S. 60).
Zu dieser Debatte vgl. Taylor (1993) sowie den Kommentar von Habermas.
Zurn Konzept der pragrnatischen Irnplikation vgl. Ott (1997).
Ketelhodt (1993, S. 152) „Jöst“ dieses Problem mit moralischer Emphase, indem sie die Debatten als „menschenverachtend“ bezeichnet. Dies ist, wie Unnerstall (1999, S. 106) zu Recht anmerkt, eine inadäquate Reaktion.
Howarth (1992) malt dieses Beispiel aus bis hin zu einem geänderten Sexualverhalten durch die Absenkung der Raumtemperatur auf 13°C.
„Der Wert, den ein zukunftiges Individuum der Tatsache seiner Existenz zumisst, (ist) vom heutigen Zeitpunkt aus gesehen nicht relevant. Wenn dies stimmt, dann verliert das Paradox seine Kraft — relevant ist nur noch die Beeinträchtigung zukünftiger Menschen (Personen), die wir ohne Probleme moralisch als schlecht bewerten können“ (Bartholomäus 1999).
Gleiches gilt für GHG-Konzentrationen. Zukünftige Generationen könnten das Wissen um das globale Klima natürlich auch nutzen, zukünftige natürliche Klimaschwankungen zu beeinflussen. Dies führt in die Debatte um „Geokybemetik“ (Schellnhuber & Kropp 1998).
Die folgenden Ausführungen verdanken der Arbeit von Unnerstall (1999) vielfältige Anregungen.
Zur Einführung vgl. Bayertz (Hrsg.) (1993), dort besonders die Beitrage von Wilson, Ruse und Richards, sowie Lütterfelds (Hrsg.) (1993), dort besonders die Beiträge von Mohr und Leinfellner. Zur Kritik an der Evolutionären Ethik vgl. Kitcher (1985).
Dieser „starke“ Altruismus im Sinne Wilsons kann aber mit Dispositionen einhergehen, die wir sub specie einer universalistischen Ethik als moralisch unakzeptabel ansehen müssen. Dies hat Wilson (1993) betont. An diesen Punkten hat sich viel Kritik entzündet (am gründlich sten bei Kitcher 1985).
Hinzukommt eine „Sehnsucht nach Gerneinschaft“, die sich bereits bei ninnies findet (Tönnies 1935).
De-Shalit (1995, S. 14): „Our obligations to future generat ions derive from a sense of a community that stretches and extends over generations and into the future“.
Auch O'Neill (1993) meint, ein natürliches Interesse bestehe darin, zukünftige Generationen in unsere unvollendeten Projekte einzubinden. Dadurch aber binden wir sie zugleich in unsere Kommunität ein, woraus uns wiederum moralische Pflichten erwachsen, ihnen zu ermöglichen, unsere Projekte und Praktiken fortzusetzen.
„Communities and traditional values fade away over time“ (De-Shalit 1995, S. 54).
Das Ethik-Schema im Gutachten des WBGU (1999, S. 21) legt eine solche falsche Gleichsetzung nahe.
„I do not think, then, that Gauthier’s is a successful attempt to derive principles of intergenerational justice from the idea of mutual advantage“ (Broome 1992, S. 32; ahnlich auch Weikard 1998).
Laslett (1992) meint, der Kontraktualismus würde sich, was seine Konsequenzen anbetrifft, am ehesten mit einer soziobiologischen Position überlappen.
Die Idee des „veil of ignorance“ stammt nicht von Rawls, sondem von Harsanyi (Broome 1991).
Zur Auseinandersetzung vgl. die Beiträge in Norman Daniels (Ed.): Reading Rawls, Oxford, 1975, zur „original position“ besonders die Beiträge von Nagel, Dworkin und Fisk. Vgl. auch Otfried Höffe (Hg.): John Rawls. Zum Problem des Vorrangs der Grundfreiheiten vgl. Rawls: Die Idee des politischen Liberalismus, Frankfurt 1992, insb. Kapitel 3; Der Vorrang der Grundfreiheiten. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Rawls findet sich in Ronald Dworkin; „Burgerrechte ernstgenommen“, Frankfurt 1984.
Das Differenzprinzip ist von seiner egalitaristischen Interpretation zu unterscheiden, die Rawls favorisiert (Kersting 2000).
Zur Problematik von „no envy“ als Kriterium gerechter Lösungen vgl. im Anschluss an Varian (1974) Young (1993, S. 11f.).
Diese wichtige Unterscheidung ging bei Varian (1974) verloren, der Fairness als Verbindung von Neidfreiheit und Pareto-Optimalität konzipiert.
„If individuals were placed in an ‘original position’, not knowing which generation they would be part of, they would logically opt for equal treatment among generations“ (D'Arge 1989, S.328).
Der Vf. würde das WEC-Szenario WEC-C wählen (vgl. Houghton 1997, S. 180ff.).
„It is clear that the time at which a man exists cannot affect the value of his happiness from a universal point of view; and that the interests of posterity must concern an utlitarian as much as those of his contemporaries“ (zit. bei Laslett & Fishkin 1992, S. 19).
Birnbacher (1991, S. 67): „Die Rationalitat der utilitaristischen Ethik ist die Rationalität des Kalküls“.
Dies ist bereits von Mill gegen den „pleasurev“-Relativismus von Bentham kritisch vermerkt worden. Die Lösungen dieses Problems waren unbefriedigend. Harsanyi (1982, S. 56): „Some preference (…) must be altogether excluded from our social-utility function. In particular, we must exclude alI clearly antisocial preferences, such as sadism, envy, resentment, and malice“. Nehmen wir for the sake of argument an, diese Ausgrenzung ließe sich ohne Schaden für die Theoriegrundlage vornehmen.
Hare (1992) hat ein Zwei-Ebenen-ModelI („split-Ievel-view“) des Utilitarismus entwickelt, dass die kontraintuitiven Konsequenzen vermeidet. Zentral ist die Unterscheidung zwischen der intuitiven und der kritischen Ebene moralischen Denkens. Durch diese Unterscheidung kann man viele Einwände geschickt ausräumen oder umgehen.
Zustimmend Steigleder (1993, 1999) und Düwell (1998); kritisch Tugendhat (1994) und von Kutschera (1995).
Narveson (1978), Brandt (1992), Howarth (1992).
Beckerman: „The underlying moral imperative of fairness (to future generations) may be perfectly acceptable, but its operational significance (…) will still depend on some facts“ (1995, S. 152).
Sobald moralische Fragen nicht durch einfache Formen syllogistischen Schlussfolgerns (Norm-Fall-Urteil) zu beantworten sind, ist Urteilskraft unausweichlich (Larmore 1994).
Morally speaking, an agent is only entitled to ‘run a calculated risk’ on his own accout but not for other’ (Rescher 1983, S. 161).
Die Position von Jonas verweist auf die Bibelstelle, in der es heißt, die falschen Propheten werde man an ihren Heilsprophezeiungen erkennen (Jeremia 14, 13). Jonas' Position ruht generell auf einer theologischen Prämisse des sich an die Welt entäußernden Gottes (Jacob 1996, Meyer-Abich 1997).
Für den WBGU liegen die Risiken eines Klimawandels „teilweise im verbotenen Bereich“ (1999, S. 146).
Die Beiträge in O’Riordan & Cameron (1994) halten leider nicht, was der Titel des Bandes verspricht: „Interpreting the Precautionary Principle“.
Dieser Standard wurde bereits 1952 von Ciriacy-Wantrup formuliert (Hampicke 1991), der dadurch viele spätere Ideen (Nachhaltigkeit, Erhalt des Naturkapitals usw.) vorwegnahm.
Climate Change Convention, Art 2 (Objective); abgedruckt in Birnie & Boyle (1996), S. 252–276.
„The global climate policy needs to decide upon acceptable stabilization levels to minimize the total climate burden, as well as upon equitable burden-sharing arrangements“ (Shukla 1999, S. 152). Ähnlich auch Onigkeit & Alcamo (2000).
Danielson (1993) empfiehlt auf der individualethischen Ebene, dass jeder seinen persönlichen Beitrag leisten möge. Ähnlich auch Houghton (1997). Allerdings ist sich Danielson bewusst, dass individualethische Appelle nieht problemlösungsadäquat sind.
„Insofar as that povertycan be shownto be (…) the result of a background injustice (like colonial exploitation),the potentialof compoundinjusticeduring climate negotiations exist“ (Shue 1992, S. 388).
Eine umfassende Darstellung von Theorien distributiver Gerechtigkeit findet sich bei Roemer (1996). Roemer selbst vertritt im Anschluss an Sens capability-Ansatz eine egalitaristische Position. In Bezug auf den axiologischen Grundterm einer Theorie distributiver Gerechtigkeit („equalisandum“) stellt Roemer Überlegungen an, wie eine Art „midfare“ zwischen „having Resources“ und „enjoying welfare“ konzeptionell beschaffen sein könnte
Kritisch hierzu Jochem (1999) und Bayer & Cansier (1999). Für Jochem bedarf ein System handel barer Emissionsrechte einer Reihe von international geltenden Rahmenbedingungen, ohne die dieses Instrument zu einer Aufweichung der Reduktionsverpflichtungen der Annex B-Staaten werden könnte, Bayer & Cansier weisen darauf hin, dass „emission trading“ im Kioto-Protokoll nur als ergänzende Maßnahme vorgesehen ist. Die Details eine s Zertifikatemarktes sind zur Zeit unklar.
Banuri et al. (1996), S. 104ff.; ähnlich auch schon Rose (1990), dann elaborierter Grubb et al. (1992), Barrett (1992) sowie Rayner et al. (1999).
Die Anwendung des Kriteriums der Neidfreiheit, wie es von Varian (1974) in die Ökonomik Eingeführt wurde, ist in seinem Status als Gerechtigkeitskriterium zweifelhaft. Dies zeigt sich besonders an Varians Auseinandersetzung mit Rawls (1974, S. 66f.). Das Kriterium scheint in Bezug auf kollektive Güter mit dem Egalitarismus zu konvergieren oder aber unanwendbar zu sein. Es wird daher im Foigenden nicht gesondert behandelt. Ander s aber Helm (1999).
„Distributive criteria allocate limited future emissions (e.g., on a per capita basis) while reductive criteria allocate only required emission reductions“ (Grübler & Nacicenovic 1994, S. 62).
„The largest differences in emis sion allo cation are obtained between these two criteria“ (Grübler & Nacicenovic 1994, S. 62).
Ähnlich auch Grübler & Fuji (1991) sowie Grübler & Nakicenovic (1994), die allerdings ihre egalitaristischen Prämi ssen nicht begründen, sondem einfach axiom atisch setzen.
Vgl. Agarwal & Narain (1991), Parikh (1992), Mukherjee (1992), Ghosh (1993), Shukla (1999).
„We should not have a homogenized (…) market in emissions allowances in which the wealthy can buy up the allowances of the poor and leave the poor unable to satisfy even their basic needs“ (Shue 1993, S. 57).
Ähnlich auch schon Luper-Foy (1992, S. 53).
„Proportionality reflects the ancient Aristotelian principle that people should receive in proportion to what they put in and pay in proportion to their contribution to damage caused“ (Banuri et al. 1996, S. 105).
„Historical responsibility as a principle for allocation posseses considerable intrinsic appeal but regardles s of the index chosen faces immense difficulties“ (Grubb & Sebenius 1991, S. 17. zit. Barrett 1992, S. 91).
Mukherjee (1992, S. 98): „The rich countries have made disproportionate use of the atmospheric sink which the poor countries are now expected to clean up by emitting less, slowing growth and preserving tropical forests“.
Epstein & Gupta (1990, S. 8): „Speaking loosely, the ‘cleaner’ (…) the economy, the more painful are such regimes“.
Young & Wolf (1992) haben die Position zwar erwähnt, aber selbst nicht vertreten.
Auch Linnerooth-Bayer (1999) sieht Gerechtigkeitsvorstellungen in unterschiedlichen Weltbildern und kulturellen Kontexten verankert.
Eigenartigerweise zitieren Rayner et al. (1999) direkt im Anschluss folgende Aussage von Rose zustimmend: „The fact that there are several altern ative definiti ons of equity should not give cause for dismay but, rather, should stimulate further study. In principle, nearly all nations subscribe to some concept of fairness, and thus its potential as a unifying principle should not be neglected.„Diese These weicht aber von der von Rayner et al. vertretenen Auffassung ab.
Fujii (1990), Benestad (1994), Shue (1992), Grübb et al. (1992), Grubler & Nacicenovic (1994 ), Welsch (1993).
Helm (1999) argumentiert gegen den Egalitarismus, er führe zu einer unfairen Verteilung der Belastungen, ohne dies näher zu begründen.
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Schröder, M. et al. (2002). Ethische Aspekte des Klimawandels. In: Wütscher, F. (eds) Klimavorhersage und Klimavorsorge. Wissenschaftsethik und Technikfolgenbeurteilung, vol 16. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-55981-5_13
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