Zusammenfassung
Im 18. Jahrhundert galt der Krieg, nach dem berühmten Wort von Clausewitz, als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Militärische Gewalt war, mit anderen Worten, ein akzeptiertes Mittel des conflict management. Diese rechtliche und politische Bewertung änderte sich in sehr grundsätzlicher Weise mit dem Ersten W eltkrieg. I Der Völkerbund versuchte, diese Wandlung in drei Richtungen aufzunehmen und fortzuentwickeln: Zum ersten versuchte die Satzung, das Recht der Staaten, aufgrund eines autonom gefassten, einseitigen Entschlusses „zum Kriege zu schreiten“, einzuschränken (Art. 11, 12, 13 und 15 der Satzung). Dieses Kriegsverbot wird im Briand-Kellogg-Pakt von 1928 fortentwickelt. Als zweites Element sieht die Satzung des Völkerbundes die militärische Zwangsgewalt aufgrund einer Entscheidung des Rates des Völkerbundes vor (Art. 16 Abs. 2). Schlielßlich entwickelt der Völkerbund aber auch das Konzept des Einsatzes militärischer Einheiten als Element einverständlicher Konfliktregelung2 — in einer geplanten und zwei tatsächlich durchgeführten Militäraktionen — Vorläufem und teilweise V orbildem des modemen Peacekeeping. Alle diese Ansätze vermochten die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges nicht zu verhindem. Sie wurden aber nach dem Ende desselben von den Vereinten Nationen aufgenommen und fortgebildet. Allerdings er- wies sich das Kernsrück der Neuregelung, nämlich die Ausübung militärischer Zwangsgewalt durch die Vereinten Nationen unter der Ägide des Sicherheitsrates, Zunächst als nicht durchführbar.3
Geb. 1938; Studium der Rechtswissenschaften und Intemationalen Beziehungen; 1967 Promotion zum Dr. jur.; 1974 Habilitation; Professuren an den Universitäten in Heidelberg, Hannover und FrankfurtiM. sowie Gastprofessuren in Montréal und Gainesville/Florida, seit 1983 Professor fü öffentliches Recht und Völkerrecht in Frankfurt/M.; Vorsitzender der „Advisory Commission on Humanitarian Law“, Deutsches Rotes Kreuz und der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht.
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Zusammenfassung
Zur Entwicklung M. Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: W. Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2. Aufl. Berlin et al. 2001, S. 603–679 (606 ff.).
M. Bothe, Peacekeeping, in: B. Simma (Hrsg.), The Charter of the United Nations, 2. Aufl., Oxford 2002, S. 648 ff.; M. Bothe, Streitkrafte intemationaler Organisationen, Köln 1968, S. 71 ff.
R. Schmidt, Das Instrumentarium der Vereinten Nationen zum Krisenmanagement und seine Entwicklung in den letzten Jahren, in: W. Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993, S. 133–150.
T.G. Weiss, Problems for Future Military Operations in „An Agenda for Peace“, in: W. Kühne (Fn. 3), S. 177–194 (178 ff.).
Vgl. dazu schon W. Kühne, Völkerrecht und Friedenssicherung in einer turbulenten Welt: Eine analytische Zusammenfassung der Grundprobleme und Entwicklungsperspektiven, in: W. Kühne (Fn. 3), S. 17–100 (60 ff.).
D. Schindler, Die Grenzen des völkerrechtlichen Gewaltverbots, BDGY 26/1986, S. 11–41 (19 ff.); K. Hailbronner, ebd., S. 49–107 (67 ff.).
M. Bothe, Peace-Keeping (Fn. 2), Rdn. 2.
R. Schmidt Das Instrumentarium der Vereinten Nationen zum Krisenmanagement und seine Entwicklung in den letzten Jahren, in: W. Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993 (Fn. 3), S. 133 f.
Ubersicht bei M. Bothe, Peace-Keeping (Fn. 2), Rdn. 14 ff.
Zur Dokumentation vgl. R. Higgins (Hrsg.), United Nations Peacekeeping 1946–1967, Bd. 1, London et al. 1969, S. 5 ff.
M. Bothe Peace-Keeping (Fn. 2), Rdn. 74 und 78. Dies war etwa ein wichtiger Aufgabenbereich der Friedensstreitkräfte im Nahost-Konflikt (UNEF I und II 1956–63 sowie 1973–79, UNDOF seit 1974 und UNIFIL seit 1978) sowie in Bezug auf die Konflikte mit dem Irak UNIIMOG 1988-91 (Irak/lran) sowie UNIKOM (Irak/Kuwait) seit 1991.
R. Schmidt Das Instrumentarium der Vereinten Nationen zum Krisenmanagement und seine Entwicklung in den letzten Jahren, in: W. Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993 (Fn. 3), S. 137.
Zur Dokumentation R. Higgins (Hrsg.), United Nations Peacekeeping 1946–1967, Bd. 2, London et al. 1970, S. 221 ff.; R.C. Siekmann, Basic Documents on United Nations and Related Peace-Keeping Forces, 2. Aufl., Dordrecht 1989, S. 1 ff.
Zur Dokumentation R.C. Siekmann (Fn. 14), S. 73 ff.
R. Higgins (Fn. 11), Bd. 3, London et al. 1980, S. 363 ff.
SR-Res. 660 vom 2.8.1990 (Feststellung eines Friedensbruchs) und 661 vom 6.8.1990 (Anordnung nicht-militärischer Zwangsmaßnahmen).
SR-Res. 678 vom 29.11.1990.
Die rechtliche Bewertung dieser Operation ist im Einzelnen umstritten, vgl. M. Bothe, Die Golfkrise und die Vereinten Nationen, Demokratie und Recht 19, 1991, S. 2–l0; H. Fischer, Die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zum Golfkrieg, HuV 1990, S. 121–124; U. Heinz, C. Philipp, R. Wolfrum, Zweiter Golfkrieg: Anwendungsfall von Kapitel VII der UN-Charta?, VN 4/1991, S. 121–128.
UNAMIC und UNTAC 1991–93, zur Bewertung vgl. T. Findlay, UNTAC — Lessons to Be Learned, International Peacekeeping 1, 1994, S. 5–8.
ONUMOZ 1992–94, siehe den Abschlussbericht des Generalsekretärs UN Doc. S/1994/1449; zur Bewertung vgl. T. Kurzidem, ONUMOZ — How to Make a Successful UN Peacekeeping Operation, International Peacekeeping 1, 1994, S. 132–134.
T.G. Weiss Problems for Future Military Operations in „An Agenda for Peace“, in: W. Kühne (Hrsg.), Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993 (Fn. 4), S. 183 f.
Dazu W. Kühne Völkerrecht und Friedenssicherung in einer turbulenten Welt: Eine analytische Zusammenfassung der Grundprobleme und Entwicklungsperspektiven, in: W. Kühne Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993 (Fn. 6), S. 54 ff.
Zu dieser Option und zur Notwendigkeit der Trennung von „Peacekeeping“ und „Enforcement“ ygl. den Bericht des Generalsekretärs „Supplement to an Agenda for Peace“, UN Doc. A/50/60-S/1995/1, Ziff. 35; dagegen W. Kühne Völkerrecht und Friedenssicherung in einer turbulenten Welt: Eine analytische Zusammenfassung der Grundprobleme und Entwicklungsperspektiven, in: W. Kühne Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993 (Fn. 6), S. 57.
W. Kühne Völkerrecht und Friedenssicherung in einer turbulenten Welt: Eine analytische Zusammenfassung der Grundprobleme und Entwicklungsperspektiven, in: W. Kühne Blauhelme in einer turbulenten Welt, 1993 (Fn. 6), S. 57.
Supplement to an Agenda for Peace (Fn. 24).
SR-Res. 794 vom 3.12.1992.
SR-Res. 814 vom 26.3.1993.
Die letzte Verlängerung erfolgte durch SR-Res. 954 vom 4.11.1994 bis 31.3.1995.
Die United Nations Protection Force (UNPROFOR) wurde nach relativ mühsamen Anläufen durch SR-Res. 743 vom 21.2.1992 vom Sicherheitsrat eingesetzt.
Vgl. aus der umfangreichen Literatur S. Jacobi, UNPROFOR — Mission Impossible, International Peacekeeping 2, 1995, S. 39–43.
SR-Res. 781 (1992) und 816 (1993).
SR-Res. 836 vom 4.6.1993, Ziff. 9.
SR-Res. 816 (1993).
SR-Res. 836 vom 4.6.1993, Ziff. 10.
ILM 35, 1996, S. 89.
Dazu R. Holbrooke, Meine Mission. Vom Krieg zum Frieden in Bosnien, München et al. 1998, insbesondere S. 243 ff.
Zuletzt in dem Konflikt zwischen Eritrea und Äthiopien, United Nations Mission in Ethiopia and Eritrea, UNMEE, SR-Res. 1320 vom 15.9.2000.
Vgl. etwa G. Nolte, Combined Peacekeeping. ECOMOG and UNOMIL in Liberia, International Peacekeeping 1, 1994, S. 42–45.
Dazu B. Tuzmukhamedov, The Legal Framework of CIS Regional Peacekeeping, International Peacekeeping 6, 2000, S. 1–6; zu nennen sind die United Nations Mission ofObservers in Tajikistan (UNMOT), SR-Res. 968 vom 16.12.1994 sowie United Nations Observer Mission in Georgia (UNOMIG), SR-Res. 858 vom 24.8.1993.
Opération Turquoise, durchgeführt unter französischer Leitung, SR-Res. 929 vom 22.6.1994.
SR-Res. 940 vom 31.7.1994. Die Ermächtigung wurde aber schließlich nicht benötigt, da eine einverständliche Regelung erzielt wurde.
Vgl. dazu M. Bothe, B. Martenczuk, Die NATO und die Vereinten Nationen nach dem Kosovo-Konflikt, VN 4/1999, S. 125–132 (126 f.).
Die völkerrechtliche Literatur zu der NATO-Aktion ist kaum mehr überschaubar. Vgl. etwa J.-F. Flauss, La primarité des droits de la personne: licéité ou illicitéité de l’intervention humanitaire?, in C. Tomuschat (Hrsg.), Kosovo and the International Community. A Legal Assessment, The Hague 2002, S. 87–102; R. Uerpmann, La primauté des droits de l’homme: licéité ou illicéité de l’intervention humanitaire, ebd., S. 65–86; M. Weller, Enforced Negotiations: The Threat and Use of Force to Obtain an International Settlement for Kosovo, International Peacekeeping 5, 1999, S. 4–27; G. Nolte, Kosovo und Konstitutionalisierung: Zur humanitären Intervention der NA TO-Staaten, ZaöRV 59, 1999, S. 941–960; weitere ausführliche Nachweise bei M. Bothe (Fn. 1), S. 618 ff.
M. Weller (Fn. 48), S. 6 f.
Dazu M. Bothe, Kosovo — Anlässe zum völkerrechtlichen Nachdenken, in: K. Ipsen, C. Raap, T. Stein, A.A. Steinkamm (Hrsg.), Wehrrecht und Friedenssicherung. Festschrift für Klaus Dau zum 65. Geburtstag, Neuwied et al. 1999, S. 13–30 (26 ff.).
SR-Res. 1244 vom 10.6.1999.
Eingehend dazu M. Bothe, T. Marauhn, UN Administration of Kosovo and East Timor: Concept, Legality and Limitations of Security Council Mandated Trusteeship Administration, in: C. Tomuschat (Fn. 48), S. 217–242.
United Nations Mission in East Timor (UNAMET) auf der Grundlage eines Abkommens zwischen Indonesien und Portugal, abgedruckt in: International Peacekeeping 5, 1999, S. 149–157.
SR-Res. 1264 vom 15.9.1999.
United Nations Transitional Administration in East Timor, SR-Res. 1272 vom 25.10.1999.
SR-Res. 1368 vom 12.9.2001.
Vgl. dazu C. Tomuschat, Der 11. September und seine rechtlichen Konsequenzen, EuGRZ 28, 2001, S. 535–545 (540 f); T. Bruha, M. Bortfeld, Terrorismus und Selbstverteidigung, VN 5/2001, S. 161–167 (164 f.).
ICJ Reports 1986, S. 103 f.
Dazu C. Tomuschat Der 11. September und seine rechtlichen Konsequenzen, EuGRZ 28 (Fn. 59), S. 541 f
J. Delbrück, The Fight Against Global Terrorism: Self-Defense or Collective Security as International Police Action?, GYIL 44, 2001, S. 9–24 (15).
C. Tomuschat Der 11. September und seine rechtlichen Konsequenzen, EuGRZ 28 (Fn. 59), S. 543 f
SR-Res. 1386 vom 20.12.200l.
Vgl. B. Schoch, C. Hauswedell, C. Weller, U. Ratsch, R. Mutz (Hrsg.), Friedensgutachten 2002, Münster et al. 2002, S. 6.
Zur Analyse: M. Dembinski, Amerikanische Weltpolitik nach dem 11. September, in: Schoch et al. (Fn. 65), S. 90–98.
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Bothe, M. (2003). Militärische Gewalt als Instrument von Konfliktregelung: Versuch einer rechtlichen und politischen Ordnung zehn Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. In: von Schorlemer, S. (eds) Praxishandbuch UNO. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-55674-6_2
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