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Deskriptive Entscheidungstheorie bei Risiko

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Entscheidungstheorie

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Zusammenfassung

Das in Kap. 5 diskutierte Bernoulli-Prinzip (die Erwartungsnutzentheorie) zeigt Menschen, die rational im Sinne der zugrunde liegenden Axiome handeln wollen, wie optimale Entscheidungen begründet und getroffen werden können. Allerdings ist es nicht einfach, dieses Prinzip bei konkreten Entscheidungen konsequent umzusetzen, vor allem wenn die Entscheidungen intuitiv und nicht modellfundiert getroffen werden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in der Realität häufig Entscheidungen beobachtet werden, die im Widerspruch zum Bernoulli-Prinzip stehen. Hinzu kommt, dass abweichende Entscheidungen auch daraus resultieren können, dass Axiome des Bernoulli-Prinzips von den betreffenden Entscheidern gar nicht akzeptiert werden.

An diesen Beobachtungen knüpft dieses sechste Kapitel des Buches an, das deskriptive Entscheidungstheorien bei Risiko vorstellt. Deskriptive Entscheidungstheorien beruhen auf Beobachtungen aus zahlreichen Laborexperimenten, bei denen die Teilnehmer mit einfachen Entscheidungssituationen (bei Risiko) konfrontiert wurden und mit großer Mehrheit und in systematischer Weise Entscheidungen trafen, die gegen Axiome des Bernoulli-Prinzips verstoßen. Deskriptive Entscheidungstheorien versuchen, den beobachteten Verstößen Rechnung zu tragen.

Nach einer Erläuterung der Bedeutung deskriptiver Entscheidungstheorien gibt das Kapitel zunächst eine Übersicht über empirische Befunde, die systematische Abweichungen realer Entscheidungen von den Axiomen des Bernoulli-Prinzips aufzeigen. Danach werden Entscheidungskriterien bzw. Modelle diskutiert, die den beobachteten Abweichungen Rechnung tragen. Besondere Beachtung findet das am weitesten verbreitete Modell der deskriptiven Entscheidungstheorie, die Prospect-Theorie von Kahneman und Tversky in der ursprünglichen Fassung aus dem Jahr 1979. In der Prospect-Theorie tritt eine spezielle, von einem Referenzpunkt abhängige Wertfunktion an die Stelle der Nutzenfunktion des Bernoulli-Prinzips. Außerdem werden die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Ergebnisse durch subjektive Wahrscheinlichkeitsgewichte ersetzt.

Aufbauend auf den Darstellungen der ursprünglichen Prospect-Theorie wird ihre Erweiterung zur Kumulativen Prospect-Theorie diskutiert, bei der die Wahrscheinlichkeitsgewichte für die Ergebnisse einer Alternative davon abhängen, welchen Rang das jeweilige Ergebnis in der Präferenzordnung über alle Ergebnisse dieser Alternative einnimmt.

Die abschließenden Darstellungen des Kapitels sind dem Vergleich der deskriptiven Ansätze mit dem Bernoulli-Prinzip gewidmet. Dabei steht der Erklärungsgehalt der deskriptiven Ansätze für komplexe Entscheidungssituationen und ihre Bedeutung für die Fundierung ökonomischer Theorien im Mittelpunkt der Betrachtung.

Erkenntnisse der deskriptiven Entscheidungstheorie sind auch für solche Entscheider von grundlegender Bedeutung, die sich am Bernoulli-Prinzip orientieren und die betreffenden deskriptiven Entscheidungstheorien aus normativer Sicht ablehnen: Wenn das Verhalten anderer die eigene Entscheidungssituation beeinflusst, ist es eben sinnvoll, dieses Verhalten im eigenen Entscheidungskalkül zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob man dieses Verhalten als „rational“ oder als „irrational“ beurteilt. Bei der Prognose von Entscheidungen geht es eben primär nicht darum, welche Entscheidungen gemäß der präskriptiven Entscheidungstheorie getroffen werden sollten, sondern um die tatsächlich zugrunde gelegten Entscheidungskriterien.

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Notes

  1. 1.

    Im Original entsprechen die Zahlen dem Hundertfachen der hier angegebenen Werte.

  2. 2.

    Vgl. Kahneman und Tversky (1979); Tversky und Kahnemann (1981). Bei den Experimenten wurden den Teilnehmern hypothetische Wahlsituationen vorgelegt, d. h. tatsächlich gab es nichts zu gewinnen. Bei Gewinnen wurde entsprechend auf die Angabe einer Währungseinheit verzichtet.

  3. 3.

    Kombiniert man nämlich die Lotterien Le1 und Le2 jeweils mit einem Gewinn von null, wobei der Gewinn von null die Wahrscheinlichkeit 449/450 hat und die jeweilige Lotterie die Wahrscheinlichkeit 1/450, so werden die Lotterien Lf1 und Lf2 erzeugt.

  4. 4.

    Der Effekt der kleinen Wahrscheinlichkeiten wurde von Prelec (1990) sowie Wu und Gonzalez (1996) auch bei Vorliegen von common consequences nachgewiesen.

  5. 5.

    Für ausführlichere Diskussion des Effekts vgl. Tversky et al. (1990).

  6. 6.

    Bei der dargestellten Wertfunktion sinkt die Steigung im Nullpunkt beim Übergang von Verlusten auf Gewinne abrupt. Ein Vorschlag, die Wertfunktion derart darzustellen, findet sich z. B. bei Tversky und Kahnemann (1992, S. 310).

  7. 7.

    Es gibt nur zwei Ausnahmen, für die das Vermögen nicht die Bewertung von Lotterien beeinflusst: Lineare und exponentielle Nutzenfunktion. Vgl. ausführlich Kap. 7, Abschn. 7.3.

  8. 8.

    Entsprechende Regeln für die Vorauswahl effizienter Mischungen auf der Basis einer allgemeinen Nutzenfunktion beruhen auf dem Konzept der stochastischen Dominanz. Vgl. Hadar und Russel (1971); Bawa (1975; 1978).

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Laux, H., Gillenkirch, R., Schenk-Mathes, H. (2014). Deskriptive Entscheidungstheorie bei Risiko. In: Entscheidungstheorie. Springer-Lehrbuch. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-55258-8_6

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