Zusammenfassung
In der Realität lässt sich in aller Regel nicht mit Sicherheit vorhersagen, zu welchem Ergebnis eine Alternative führen wird. Es besteht Unsicherheit, d. h. das Ergebnis einer Alternative hängt von dem zum Zeitpunkt der Entscheidung noch unbekannten Umweltzustand ab.
In diesem vierten Kapitel des Buches werden einige Grundlagen der Entscheidung bei Unsicherheit geschaffen. Zunächst werden klassische Entscheidungskriterien für Unsicherheit im engeren Sinne diskutiert. Unsicherheit i. e. S. liegt dann vor, wenn der Entscheider sich zwar ein Urteil darüber bilden kann, welche Umweltzustände bzw. Ergebnisse der Alternativen möglich sind, er aber nicht quantifizieren kann, wie wahrscheinlich sie sind.
In realen Entscheidungssituationen besteht im Normalfall jedoch keine Unsicherheit i. e. S., sondern Risiko. In einer Entscheidungssituation bei Risiko kann der Entscheider den denkbaren Umweltzuständen bzw. Ergebnissen Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen. Die Relevanz von Wahrscheinlichkeiten für das Treffen von Entscheidungen wird begründet und es werden Grundtypen von Wahrscheinlichkeiten erläutert. Besondere Beachtung finden dabei subjektive Wahrscheinlichkeiten, die dazu dienen, persönliche Erfahrungen und Informationen bei Entscheidungen zu berücksichtigen.
Anschließend wird verdeutlicht, dass Entscheider aufgrund unterschiedlicher Risikoeinstellungen in Risikosituationen nicht unbedingt die gleiche Alternative wählen, und es wird diskutiert, wie sich solche Risikopräferenzen im Entscheidungskalkül abbilden lassen. Allerdings ist es nicht einfach, eine solche Abbildung in konkreten Entscheidungssituationen konsequent vorzunehmen. Daher werden in diesem Kapitel Dominanzkriterien behandelt, mit deren Hilfe ein Entscheider eine Vorauswahl von Alternativen treffen kann. Dominanzkriterien stellen nur geringe Anforderungen an die Präferenzvorstellungen eines Entscheiders. Mit einem Kriterium der Vorauswahl kann zwar grundsätzlich ein Entscheidungsproblem nicht gelöst werden, es kann jedoch die Entscheidungsfindung durch die mit der Vorauswahl einhergehende Reduzierung der Alternativenmenge erleichtern.
Nach Reduzierung der Alternativenmenge durch Dominanzkriterien wird die eigentliche Entscheidung mit Hilfe eines Entscheidungskriteriums bei Risiko getroffen. Mit der μ-Regel und dem (μ,σ)-Prinzip werden zwei klassische Entscheidungskriterien bei Risiko vorgestellt, die eine relativ einfache Auswahl aus einer Alternativenmenge ermöglichen. Bei der μ-Regel wird im Präferenzwert für eine Alternative nur der Erwartungswert (μ) der Zielgröße berücksichtigt, beim (μ,σ)-Prinzip zusätzlich noch ihre Standardabweichung (σ) als Maß für das Risiko. Wie gezeigt wird, können jedoch beide Kriterien zu problematischen Entscheidungen führen. Grund dafür ist, dass weder bei der μ-Regel noch bei dem (μ,σ)-Prinzip explizit berücksichtigt wird, welche konkreten Ergebnisse der Alternativenwahl zugrunde liegen und welche Wahrscheinlichkeiten ihnen entsprechen.
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Für solche Spielsituationen wurde die Maximin-Regel gerade geschaffen. Später wurde sie von Wald (1971) auch für „Spiele gegen die Natur“ vorgeschlagen, bei denen der Umweltzustand von den Maßnahmen des Entscheiders unabhängig ist.
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Vgl. Levy (1992) mit weiteren Nachweisen. Selbst wenn Dominanzkriterien nicht explizit angewendet werden, folgen Entscheidungen häufig dem Prinzip der Vorauswahl anhand von Dominanzen. So wird beispielsweise im Rahmen der Portefeuille-Theorie eine Auswahl aus (μ,σ)-effizienten (in diesem Sinne nicht dominierten) Portefeuilles vorgenommen, nachdem im ersten Schritt die Menge der (μ,σ)-effizienten Portefeuilles aus Wertpapieren ermittelt wurde (Kap. 8, Abschn. 8.4). In der praktischen Anwendung bedeutet dies, dass Finanzdienstleister (z. B. Fondsgesellschaften) die Mischung von Wertpapieren übernehmen können und dann Anleger nur noch darüber entscheiden, welchen Anteil ihres Vermögens sie in welche Mischung (in welchen Fonds) investieren.
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Zum Beweis von (4.14) vgl. z. B. Levy (1992).
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Zur Lösung des Petersburger Paradoxons ging Daniel Bernoulli davon aus, der Spieler orientiere sich am Erwartungswert des Nutzens des Gewinns und nicht am Erwartungswert des Gewinns. Dabei gab er der Nutzenfunktion die Form U(x) = ln(x), wobei x den Gewinn und U(x) den entsprechenden Nutzen bezeichnet. Ein Entscheider mit dieser Nutzenfunktion wäre bereit, nur einen relativ geringen Betrag für die Teilnahme am Spiel einzusetzen. Vgl. Kap. 5, Abschn. 5.2.2.2.
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Diese Interpretation ist noch recht vage. Eine fundierte Beurteilung und Interpretation des (μ,σ)-Prinzips kann in der Weise erfolgen, dass einfache Verhaltenspostulate herangezogen werden, die leichter beurteilt und eher akzeptiert werden können als das (μ,σ)-Prinzip selbst. Auf solchen Verhaltenspostulaten beruht das Bernoulli-Prinzip (Kap. 5), das als „übergeordnetes“ Entscheidungsprinzip angesehen werden kann. In Kap. 5, Abschn. 5.7.2, wird das (μ,σ)-Prinzip im Licht des Bernoulli-Prinzips diskutiert.
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Die betreffende Loszahl lässt sich errechnen, indem der Ordinatenwert des Punktes T1 (bzw. T2) durch die Standardabweichung des Gewinns pro Los (d. h. durch \(100\cdot\sqrt{p\cdot(1-p)}\)) dividiert wird.
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Laux, H., Gillenkirch, R., Schenk-Mathes, H. (2014). Entscheidung bei Unsicherheit: Grundlagen. In: Entscheidungstheorie. Springer-Lehrbuch. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-55258-8_4
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