Zusammenfassung
Risiken und Nebenwirkungen des Arztwerdens oder -seins sind tabuisiert und im Lehrstoff des Medizinstudiums nicht (ausreichend) thematisiert. Die Medizin konfrontiert Ärzte (und alle in der Heilkunde Tätigen) mit Situationen und Gefühlen, die das Menschenbild prägen und es auch negativ im Sinne einer „déformation professionelle“ verändern können. Die Medizin schärft die Wahrnehmung, kann sie aber auch gefährlich verengen. Ärztliches Handeln erfordert nicht nur in Extremsituationen, die eigenen Gefühle zu kontrollieren; Empathie, Mitleid und die Angst „weh zu tun“ sind andererseits Schutz vor einer „Medizin ohne Menschlichkeit“. „Arzt werden und Mensch bleiben“ bedarf des Halts in stabilen privaten und professionellen Beziehungen.
Diese Vorlesung wurde erstmals im Sommersemester 1997 im Rahmen der Berufsfelderkundung der Medizin-Studienanfänger im Universitätskrankenhaus Eppendorf gehalten. Sie wurde danach als Handout im Rahmen eines Praktikums der Erstsemester („Berufsfeld-Erkundung“) in meiner Praxis „zum Selberlesen“ verteilt.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Gunther von Hagens „Körperwelten“, eine spektakuläre Ausstellung plastinierter enthäuteter Leichen in verschiedenen Alltagstätigkeiten inkl. Geschlechtsverkehr (Ausstellung „Herzenssache“, 2014 in Hamburg), haben großen Publikumszulauf. Hagens ver „körpert“ – wie der Chirurg im Fall 3.2 – den Typ des methodenverliebten Mediziners, der über Leichen geht, das „autistisch-undisziplinierte Denken“ (Bleuler) und Agieren „in der Medizin“.
- 2.
Durch eine Gesetzesänderung wurde 2002 die Lebensbeendigung auf Verlangen und die Hilfe bei der Selbsttötung unter bestimmten Voraussetzungen für straffrei erklärt, aber dies ist ausschließlich zugelassenen Ärzten gestattet bei Patienten, deren Zustand für aussichtslos und deren Leiden für unerträglich gehalten wird. Für Nicht-Ärzte blieb der Tatbestand weiter strafbar, das Strafmaß wurde sogar heraufgesetzt (Körtner 2013).
Literatur
Balint M (1965) Der Arzt, sein Patient und die Krankheit. Fischer, Stuttgart
Grefe C (1997) Kleine Wahrnehmungskunde. taz, 12.11.1997
Groddeck G (1978) Das Buch vom Es. Ullstein, Frankfurt/M
Körtner UH (2013) Menschenwürde am Lebensende. In: Joerden JC, Hilgendorf E, Thiele F (Hrsg) Menschenwürde und Medizin. Duncker & Humblot, Berlin
Mitscherlich A (1969) Krankheit als Konflikt. Suhrkamp, Frankfurt/M
Mitscherlich A, Mielke F (1978) Medizin ohne Menschlichkeit. Fischer, Frankfurt/M
Pschyrembel W (2002) Klinisches Wörterbuch. de Gruyter, Berlin
Internetquellen
Zimmer 2012, Effinger 2011, Stiftung Humor hilft heilen: c.lutz@humorhilftheilen.de. Zugegriffen: 3.3.2014
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
Copyright information
© 2014 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Kalvelage, B. (2014). Arzt werden und Mensch bleiben. In: Klassenmedizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-54749-2_3
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-54749-2_3
Published:
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-642-54748-5
Online ISBN: 978-3-642-54749-2
eBook Packages: Medicine (German Language)