Skip to main content

Aussprache

  • Conference paper
Neunundfünfzigster Kongress

Part of the book series: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin ((VDGINNERE,volume 59))

  • 37 Accesses

Zusammenfassung

Mit vollem Recht hat Herr Schultz betont, daß man bei der Betrachtung der psychischen Zusammenhänge ständig die biologischen Grundlagen im Auge behalten müsse. Dabei ist er sich aber durchaus bewußt, daß wir im Bereich des Seelisch-Geistigen auf eine andere Seinsebene mit einer neuen kategorialen Ordnung treten. Die rein naturwissenschaftlich eingestellte Medizin hatte früher diese Stufe zwischen den Seinsordnungen geflissentlich übersehen; sie hielt sich sozusagen mit nachtwandlerischer Sicherheit in dem Bezirk, worin allein ihre wissenschaftlichen und praktischen Triumphe möglich waren. Aber auch die Psychoanalyse, die den Weg zu ganz neuen Fragestellungen zeigte, indem sie den verborgenen Sinn, die Sinnhaftigkeit übexhaupt des Krankheitssymptoms entdeckte; auch sie versuchte den neun Wein in die nicht mehr recht passenden alten Schläuche zu füllen. Die wissenschaftlich und weltanschaulich begründete Kritik, die hier einsetzte, übersah allerdings häufig die Haupsache, nämlich das ungeheure Tatsachenmaterial und die ungemein fruchtbaren neuen Problemstellungen. Wir können freilich nicht die seelischen Kräfte, das intuitive Schauen, das zwischenmenschliche Erleben oder gar den Bereich der personalen Existenz und der in ihr gründenden geistigen Werte durch Aufweis ihrer biologischen, triebhaften Grundlagen erklären. Wenn wir aber die Trennung zu weit treiben, so kommen wir von der Scylla in die Charybdis. Denn wir dürfen nicht vergessen, daß in dem leib-seelischen Regulationssystem die oberen Regionen, die seelisch-geistigen Bezirke von den aus der Tiefe aufsteigenden Strömen bis ins Letzte durchblutet werden, unbeschadet der kategorial verschiedenen Struktur jeder der Sphären. Als Wissenschaftler wollen wir selbstverständlich auf dem Boden einer irgendwie erfahrbaren, objektivierbaren Wirklichkeit bleiben. Aber um es mit einem Worte zu sagen — wir müssen uns daran gewöhnen, daß es mehrere Arten von Wirklichkeit gibt, und demgemäß auch mehrere Methoden, sie zu erfassen: diese widersprechen sich nicht, sondern ergänzen und durchdringen einander. Wir haben bei dieser Annahme verschiedener Arten von Wirklichkeit eine interessante Parallele im physikalischen Bereich, nämlich in dem Verhältnis zwischen klassischer Physik und Atomphysik: Atome, Protonen usw. sind nur in einer bestimmten Art von Erfahrung materielle Gegenstände; die andere Art der Erfahrung sieht sie entkleidet von allen gegenständlichen Qualitäten, als reine Strukturformeln (Szilasi),während wir uns die zugehörige materielle Wirklichkeit nur in Bildern vorstellen können, die mit unseren gewohnten Vorstellungen von materiellen Dingen nichts gemein haben als eben diese Strukturformeln. Daß diese trotzdem aufs genaueste eine wirkliche Wirklichkeit bezeichnen, das haben wir alle mit Bewunderung und mit Grauen erlebt. Was aber die Wirklichkeit des seelisch-geistigen Aspekts der Regulationen betrifft, so liegt die spezifische Schwierigkeit darin, daß wir einen Gegenstand wissenschaftlich einreihen sollen, der gar kein Gegenstand ist, sondern ein antwortendes Du, eine Person: So müssen wir die aus der Ich-Du-Beziehung, aus dem gegenseitigen Erleben erwachsenden Kräfte zur angemessenen Erfassung der leibseelischen Regulationen mitverwerten. Daß wir uns dabei nicht ins Uferlose verlieren, davor schützt uns die Erfahrung, aber freilich eine besondere Art der Erfahrung, da sie uns ja eine besondere Art von Wirklichkeit erschließen soll. So benötigt diese Erfahrung u. a. außer den eindeutig-begrifflichen die mehrdeutig-symbolischen Erfassungsmittel. Das ist vielleicht ihre Schwäche, sicher aber auch ihre Stärke, denn das Leben ist ja selbst nicht eindeutig. Die Psychologie erweist sich hier, wie Herr Schultz bereits hervorhob, als eigenständig e Wissenschaft; sie verwertet die Erkenntnismittel der Naturwissenschaften, darüber hinaus aber hat sie ihre spezifische Art der Erfahrung. Nirgends wird uns dieses Verhältnis so deutlich wie in den Problemen der leibseelischen Regulationen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1953 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

About this paper

Cite this paper

Kauffmann, F. (1953). Aussprache. In: Kauffmann, F. (eds) Neunundfünfzigster Kongress. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, vol 59. J.F. Bergmann-Verlag, Munich. https://doi.org/10.1007/978-3-642-53823-0_25

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-53823-0_25

  • Publisher Name: J.F. Bergmann-Verlag, Munich

  • Print ISBN: 978-3-642-53824-7

  • Online ISBN: 978-3-642-53823-0

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics