Zusammenfassung
Im Mittelalter war auch in den Niederlanden die Armenpflege fast ausschließlich in den Händen der Kirche; wurde sie doch, auch wenn Privatpersonen ihre milde Hand auftaten, fast immer unter der Oberaufsicht der kirchlichen Gewalt geübt. Der Charakter jener Armenpflege war Mildtätigkeit; Bedürfnisse hatten sie hervorgerufen, die ihrerseits wieder aus den Anforderungen und Gebräuchen des religiösen Lebens jener Tage entsprungen waren. Von einer systematischen Bestreitung der Armut war keine Rede. Pilger und später auch die Bettelorden waren es, die der Aufnahme und Pflege bedurften und welche dem Frommen die Gelegenheit verschafften, eine Gott wohlgefällige Tat zu vollbringen. Zwar hatte das Bewußtsein, daß eine zweckmäßige Armenpflege von großer Wichtigkeit sei, nicht ganz gefehlt — es hatte sogar eine rein kirchliche Armenpflege, welche von einer Art Parochialarmenverwaltung geübt wurde, worin die „iurati ecclesiae“ als Vertreter der Gemeinde mit besondern Almosenieren die Armenpflege versahen, bestanden —, doch dieses Bewußtsein war nicht kräftig genug, daß sich ein zweckmäßiges Bekämpfen der Armut daraus hätte entwickeln können. Außerdem konnte jene Armenpflege sich nur auf freie unabhängige Menschen beschränken, während die Lehnsherren für all diejenigen zu sorgen hatten, welche von ihnen abhängig waren (familia), von den Vasallen (ingenuus) bis zu den Leibeigenen (mancipium) herab. Bekannt ist die in Nymwegen herausgegebene Capitularia des Jahres 806, laut welcher Karl der Große verordnete, daß jeder seiner Vasallen seine eigenen Armen zu unterhalten hätte. Auf diese Weise minderte sich, je mehr die Anzahl der Freien zusammenschrumpfte, auch die kirchliche Armenpflege.
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Graanboom, J., van Heusde, J., Basenau, E., Basenau, F. (1912). Niederlande. In: Keller, A., et al. Säuglingsfürsorge und Kinderschutz in den europäischen Staaten. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-52590-2_10
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