Zusammenfassung
Aufgrund des kaum noch zu überschauenden Angebots an in etwa gleichwertigen Gütern des täglichen Bedarfs müssen Konsumenten Wege finden, die es ihnen ermöglichen, eine entlastende und zufriedenstellende Kaufentscheidung zu treffen. Habituelles oder gewohnheitsmäßiges Kaufen1) gilt als eine Möglichkeit zur Erreichung dieses Ziels und wird insbesondere für das alltägliche Einkaufsverhalten von Konsumenten unterstellt (vgl. Katona 1960, S. 57; Gore 1962, S. 56). Man nimmt an, daß risikolose, sozial unauffällige und wenig prestigegebundene Güter — eben die problemlosen und beratungsfreien Güter des täglichen und periodischen Bedarfs — überwiegend habituell gekauft werden (vgl. Schreiber 1965, S. 27; Kollat, Willet 1967, S. 23; Höpfner 1976, S. 85; Weinberg 1977, S. 115; ders. 1981, S. 123).2)
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Literatur
Die Begriffe “Gewohnheit”, “gewohnheitsmäßiges” oder “routinemäßiges Verhalten”, “habituelles” oder “habitualisiertes Verhalten” beziehen sich allesamt auf dasselbe soziopsychologische Phänomen und werden in der Literatur (vgl. z. B. Weinberg 1979, S. 563) - wie auch in der vorliegenden Arbeit - synonym gebraucht.
Diese in der Literatur zum Konsumentenverhalten vorherrschende Annahme ist zwar plausibel, aber theoretisch und empirisch bislang kaum fundiert. Allgemein geht man davon aus, daß ca. 80%, nach GORE (1962) sogar bis zu 90% aller Konsumentenentscheidungen habituell getätigt werden. Vgl. dazu auch die Zusammenfassung bei KOHLER 1979, S. 16 ff..
Diese Sicht hat ihre Wurzeln im Konsumentenbild der neoklassischen Theorie, in der das Verhalten des Konsumenten als “homo oeconomicus” vom Rationalprinzip gesteuert wird. Obwohl Verhalten im Sinne dieses Prinzips in der durch Beschränkungen gekennzeichneten Realität stets nicht-rational ist, kann man es dennoch unter der Voraussetzung kognitiver Steuerung nicht als irrational bezeichnen. Die deskriptive Entscheidungstheorie trägt dieser Überlegung Rechnung, indem sie von “begrenzt rationalen” Entscheidungen spricht (vgl. Simon 1955, S. 99 ff.; Kirsch 1977, Bd. I, S. 67). Rationalität
als normativer Begriff ist somit in einer empirischen Theorie der Kaufentscheidung entbehrlich. Die Frage, ob ein bestimmtes Kaufverhalten rational oder irrational ist, wird deshalb nicht weiter verfolgt. Unabhängig davon empfindet KIRSCH die weitgehende “Ausklammerung” des Rationalitätsbegriffs innerhalb der deskriptiven Entscheidungstheorie jedoch als unbefriedigend und erwartet eine Neuformulierung des Rationalitätsbegriffs unter Berücksichtigung anderer, z. B. traditioneller, sozialer oder auch impulsiver Entscheidungsprozeßeinflüsse (vgl. Kirsch 1977, Bd. I, S. 66 ff.).
Ausführlich wird die Preisinformationsverarbeitung von Konsumenten beim Kauf von Konsumgütern unter dem Aspekt psychologischer “Schwellenpreise” gegenwärtig von HAY im Rahmen einer bislang unveröffentlichten empirischen Dissertation des Fachbereiches 2 der Universität Frankfurt a/M analysiert. Vgl. dazu auch KAAS, HAY (1984).
Ohne Zweifel ist diese hohe Versagerquote in erster Linie auf die in den letzten Jahren feststellbare Verschiebung der Machtverhältnisse zwischen Hersteller und Handel zurückzuführen. So wurden z. B. von 119 Süßwarenneuheiten im Jahre 1974 nur 11 (knapp 10%) vom Einzelhandel ausgewählt, von denen wiederum nach kurzer Zeit 4 weitere aufgrund mangelnder Nachfrage aus dem Sortiment eliminiert werden mußten (vgl. Pfeiffer 1981, S. 24 f.). Dennoch oder gerade aufgrund dieser Bedingungen kommt der Analyse von Kaufgewohnheiten entscheidende Bedeutung zu, da durch den Mechanismus der gewohnheitsmäßigen Bindung des Konsumenten an Produkte und Marken auch die Beziehungen zwischen Handel und Hersteller beeinflußt werden und z. B. der Einfluß des Handels auf die Hersteller bei einer engen Markenbindung potentiell begrenzbar bleibt.
Zu den verbraucherpolitischen Instrumenten zählen die Verbraucherinformation die Verbraucherbildung sowie der rechtliche Verbraucherschutz. Das wichtigste Instrument der Verbraucherinformationspolitik sind Warentestinformationen, die in der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie durch die Stiftung Warentest verbreitet werden. Vgl. dazu ausführlich und zusammenfassend TOELLE (1983).
TOELLE zeigt, daß Warentestinformationen bei Gebrauchs-und Verbrauchsgütern ihre verhaltensbeeinflussende Wirkung nicht verfehlen. Er zeigt aber auch, daß Informationsbedürfnisse in bezug auf bestimmte Produktattribute vom Warentest bislang nicht ausreichend befriedigt werden (vgl. Tölle 1983, S. 3o1 f.).
Die extensive Entscheidung ist zwar nicht mit der von KATONA definierten “echten” bzw. rationalen Entscheidung der neoklassischen Theorie identisch, kommt dieser jedoch sehr nahe (vgl. z. B. Kirsch 1977, Bd. I, S. 62 ff.).
Zu diesen wenigen Studien zählt auch eine 1979 durchgeführte Pilotstudie zur “Entstehung von Kaufgewohnheiten bei Konsumgütern”, in der der hier entwickelte habitualisierungstheoretische Ansatz in groben Zügen einer ersten Prüfung unterzogen wurde. Auf die Darstellung der Studie wird - da sie die Bezugsgrundlage der vorliegenden Arbeit bildet - verzichtet. Ergebnisse der Studie werden bei Bedarf im Text zitiert (vgl. im einzelnen Kaas, Dieterich 1979; Tauchnitz 1979; VoBberg 1979).
Diesen Ergebnissen lagen die durch Experten übereinstimmend beurteilten Protokolle von 76 Einkäufen zweier Personen zugrunde. BETTMAN und ZINS ermittelten verschiedene Typen unterschiedlichen Auswahlverhaltens und unterschieden zwischen “constructive consumer”, “constructive experimenter”, “analytic implementation of a rule” sowie “preprocessed choice”. Die Abweichungen in den Prozentzahlen (94% anstatt 100) sind neben Rundungsdifferenzen auf den, insgesamt gesehen, jedoch nur recht unbedeutenden Typ “constructive experimenter” zurückzuführen (vgl. Bettman, Zins 1977, S. 79–80 ).
Unabhängig von den hier ermittelten Ergebnissen zum Gewohnheitskauf, wird der Entscheidungsnetzansatz allgemein wegen der von Experten abhängigen Interpretation und Standardisierung der Protokolle sowie der für die Datenerhebung erforderlichen Verbalisierung des Entscheidungsverhaltens, die alle anderen Mechanismen der Markenwahl unberücksichtigt läßt, kritisiert (vgl. Kroeber-Riel 1980, S. 319).
Obwohl sich KANNACHER (1980) und WEINBERG (1981) auf dieselbe empirische Untersuchung beziehen, wird das signifikante Ergebnis zwischen kognitiver Entlastung und wahrgenommenem Kaufrisiko bei WEINBERG (1981) nicht mehr zitiert. Vgl. dazu KANNACHER ( 1980, S. 170).
Mittelbar spricht für diese Sicht auch, daß zwischen der zur Kriterienvalidierung erhobenen Selbsteinschätzung des Gewohnheitsverhaltens und der kognitiven Entlastung kein statistisch signifikanter Zusammenhang ermittelt werden konnte (vgl. Kannacher 1980, S. 159).
WEINBERG geht davon aus, daß die stufenweise kognitive Vereinfachung des Entscheidungsverhaltens nach dem Phasenkonzept HOWARDS (1977; vgl. auch 2.4.3) neben produktspezifischen auch von persönlichkeitsspezifischen Merkmalen abhängt. WEINBERG weist jedoch andererseits auch ausdrücklich darauf hin, daß die Studie Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und der Art der Habitualisierung nicht klären konnte (vgl. Weinberg 1981, S. 158–160 ).
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© 1986 Physica-Verlag Heidelberg
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Dieterich, M. (1986). Einführung. In: Konsument und Gewohnheit. Konsum und Verhalten, vol 9. Physica, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-52379-3_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-52379-3_1
Publisher Name: Physica, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-7908-0338-9
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