Zusammenfassung
Eine ausgebildete Gesetzgebungstheorie gibt es auch in den Vereinigten Staaten nicht, Der vorliegende Beitrag versucht, eine Reihe von Charakteristika des US-amerikanischen Gesetzgebungs- und Verordnungsgebungsprozesses zu skizzieren, wobei er sich an Prinzipien anlehnt, die Prof, Dr. Ernst FREUND, ein Pionier des amerikanischen Verwaltungsrechts und der Gesetzgebungslehre, zu Beginn dieses Jahrhunderts formuliert hat.
FREUND führte die mangelnde Qualität der amerikanischen Gesetzgebung auf einen Mangel an Verantwortlichkeit, an fachkundiger Anleitung und einen Prinzipienmangel zurück. Zur exakten Bestimmung der Verantwortlichkeiten setzte er sich für eine Stärkung der Exekutive im Gesetzgebungsprozeß ein, in welchem die Zuständigkeiten übermäßig zersplittert waren. Fachkundige Anleitung bei der Gesetzgebung wird in erster Linie durch das Office of Legislative Counsel, durch eigenes fachkundiges Personal der Kongreßausschüsse sowie namentlich durch den Congressional Research Service gewährleistet. Unter dem Stichwort des Prinzipienmangels wird die Frage der gerichtlichen Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen diskutiert, Probleme der gegenseitigen Abhängigkeit von Rechten und Pflichten, deren Nichtbeachtung nach amerikanischer Auffassung zu Disharmonien im Recht führt, sowie Fragen der Standardisierung, womit die Rückführbarkeit gesetzgeberischer Entscheidungen auf einsehbare, rational begründete Kriterien einer Gesetzgebungspolitik gemeint ist.
Rechtliche Regelungen werden nicht allein auf der Ebene der Gesetzgebung, sondern auch der Verordnungsgebung zu untersuchen sein. Der Beitrag untersucht daher weiterhin Probleme der Delegation von Regelungsbefugnissen an eigens eingesetzte Kommissionen und Verwaltungsbehörden (Administrative Agencies). Ausmaß und Grenzen der Delegationsbefugnis müssen im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem tradierten Gewaltenteilung s dogma gesehen werden, was nach Auffassung des Supreme Court die gesetzgeberische Vorgabe von Standards verlangt. Der Verfasser berichtet weiterhin über neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Verordnungsgebung, wonach den Betroffenen bereits vor Erlaß einer Regelung die Möglichkeit zur Einflußnahme eingeräumt und dem Kongreß Gelegenheit zur Kontrolle und laufenden Überprüfung der delegierten Regelungstätigkeiten gegeben wird.
Übersetzung: R. Motsch. Eingeklammerte Ziffern im Beitrag beziehen sich auf die Anmerkungen, S. 111 u. 112.
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Anmerkungen
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Killian, J.H. (1976). Das Gesetzgebungsverfahren im Kongreß der Vereinigten Staaten. Theorie und Praxis. In: Rödig, J., Altmann, E., Baden, E., Kindermann, H., Motsch, R., Thieler-Mevissen, G. (eds) Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-52190-4_5
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