Zusammenfassung
Der Begriff “Automationsgerechte Rechtssetzung” spricht einen Bereich an, in dem Automation und Recht aufeinander einwirken. Automationsgerechtheit der Gesetzgebung ist nicht materieller Gegenstand normierten Rechts, sondern These und Anliegen. Dabei handelt es sich um das Bestreben, das Gelingen und die Wirksamkeit des Einsatzes von Datenverarbeitungsmitteln im Vollzug gesetzesabhängiger Aufgaben durch im Gesetzgebungsbereich gegebene Hilfen zu optimieren. Das Bemühen um Wirtschaftlichkeit spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Die Frage, wie sich Automationsgerechtheit in der Rechtssetzungspraxis verwirklichen läßt, muß an die medienbedingten Eigenheiten der Datenverarbeitung anknüpfen. Das sind
-
1.
Organisation und Programmierung der Aufgabe,
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2.
Erfassung und Speicherung der benötigten Daten,
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3.
Verarbeitung, Ausgabe der Ergebnisse,
-
4.
Wartung der Programme.
Zu 1 kommt es vor allem auf Zeitgewinn an. Gesetze, die automationsunterstützt vollzogen werden sollen, müssen einschließlich ergänzender Verordnungen und Richtlinien so rechtzeitig bekannt sein, daß Analyse, Programmierung und Testen der Programme beim Auftreten der ersten praktischen Fälle beendet, Dienstanweisungen ausgearbeitet und die Anwender geschult worden sind.
Zu 2 handelt es sich um ein Mengenproblem, sowohl was die Anzahl der von der Automation der betroffenen Fälle, wie auch die Menge der pro Fall zu erwartenden Einzelinformationen betrifft. Hieraus ergeben sich Auswirkungen auf Speicherraum und Datenerfassungskapazitäten.
Zu 3 spielen sowohl Zeit- wie Mengengesichtspunkte eine Rolle. Komplexität der Regelungen und die Zahl der innerhalb der einzelnen Norm relevanten Merkmale bestimmen den Datenverarbeitungsaufwand. Durch Streuung von Terminen oder die Streckung von Ausschlußfristen können Arbeitsspitzen der Datenverarbeitung ausgeglichen werden.
Zu 4 besteht die gleiche Problematik wie bei der Programmierung, jedoch bezieht sie sich auf Programmänderungen nach Beginn der Verarbeitung. Geringstmöglicher Wartungsaufwand ist durch möglichst weitgehenden Verzicht auf spätere ‘Änderungen der automatisierten Norm definiert.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß auch und gerade komplizierte Gesetze automatisierbar sind. Die Automation kommt dann sogar erst voll zur Geltung. Die Grenzen des effektiven Automationseinsatzes sind durch Programmierzeit, Rechenzeit und Speicheraufwand gekennzeichnet.
Die Forderung nach Automationsgerechtheit richtet sich vordergründig auf die Gestaltung eines im materiellen Inhalt feststehenden Regelungsgehaltes in formeller, gesetzestechnischer Einsicht (Automationsgeeignete Rechtssetzung). Sie kann aber auch darauf abzielen, daß gesetzliche Voraussetzungen zur Erleichterung der Automation geschaffen werden (Automationsfördernde Rechtssetzung). Diese Gesetze werden nicht selbst “verarbeitet” oder programmiert. Schließlich kann Rücksichtnahme auf Automationsgerechtheit Motiv für den Zeitpunkt gesetzgeberischer Initiativen oder Gesichtspunkt beim Abwägen des Für und Wider eines Rechts Setzungsvorhabens sein. Hier geht es um die Berücksichtigung von Automationsgegebenheiten im Gesetzgebungsprozeß.
Einige Bundesländer und die Bundesregierung haben Grundsätze für die automationsgerechte Gestaltung von Vorschriften herausgegeben. Die Mehrzahl der darin zusammengefaßten Forderungen erweist sich bei kritischer Betrachtung als zweckmäßig und praktikabel auch aus einer vom Automations denken losgelösten Sicht. Die Automation hat die mit Gesetzgebung befaßten Instanzen auf gesetzgeberische Tugenden hingewiesen, die ohnehin Gemeingut aller mit dem Abfassen von Regelungen befaßten Stellen sein sollten. Die Thesen der Automationsgerechtheit folgen also in erster Linie einer im Bereich der Rechtssetzung nicht teilbaren Vernunft. Sie haben darüber hinaus den Katalog des gesetzestechnisch, wie im Frozeß der Gesetzgebung Gebotenen um wesentliche Aspekte bereichert.
Eingeklammerte Ziffern im Beitrag beziehen sich auf die Anmerkungen, S. 692 und 693.
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Anmerkungen
FIEDLER, H.: Automationsgerechte Rechtssetzung, Data Report 1974, S. 12; namentlich aber auch “Automationsgerechte Rechtssetzung im Rahmen der Gesetzgebungstheorie” in diesem Band, S. 666–678
Zum Beispiel das Gesetz über die Organsiation der Automatisierten Datenverarbeitung in Nordrhein-Westfalen vom 12.2.1974 (GVB1. NW S. 66)
a. Vorläufige Grundsätze für das automationsgerechte Abfassen von Vorschriften der Bayer. Staatsregierung vom 27. August 1969 (Bayer. Staatsanzeiger Nr. 36/24. Jahrgang) b. Grundsätze für die Fassung automationsgerechter Vorschriften des Niedersächsischen Ministers des Inneren, zugleich im Namen des Nieders. Ministerpräsidenten vom 1. Juni 1970 (Nds.MBl. 1970, S. 732) c. Bekanntmachung der Grundsätze für die Gestaltung automationsgeeigneter Rechts- und Verwaltungsvorschriften vom 22. November 1973 der Bundesregierung (Bundesanzeiger vom 11. Dez. 1973, S. 1) d. Grundsätze für die automationsfördernde Gestaltung von Vorschriften des Landes Hessen vom 28. Januar 1974 (Hess. Staatsanzeiger 1974, S. 346) Näheres unten zu V.
G. v. 23. April 1974, BGBl. I, S. 949
BStBl. 1975 I, S. 235
Mit erstmaliger Wirkung für 1974 Änderung des § 46 Abs. 1 EStG durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1973 vom 18. Juli 1974 (BGBl. I, S. 1489); mit Wirkung für 1975 Änderung des § 46 Abs. 2 EStG durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl. I, S. 1769)
BGBl. I, S. 1769
Vgl. Anm. (3) Buchst, c. und d.
Bundestagsdrucksache 7/4292 vom 7.11.1975, S. 7
FIEDLER (Anm. 1) spricht in diesem Zusammenhang von automationsgeeigneter Rechtssetzung.
Nach FIEDLER (Anm. 1) automations fördernde Rechtssetzung
a.a.O.
Stellvertretend für die vier vorliegenden “Grundsatz”-Ausgaben (vgl. Anm. 3) wird im folgenden diejenige von Hessen — als die neueste — zitiert.
Urteile vom 1.2.1957 (BStBl. 1957 III, S. 104) und vom 16.12.1960
(BStBl. 1961 III, S. 101)
Vom 14. Mai 1965, BGBl. I, S. 377
Oben III.4., vorletzter Absatz
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Pultke, B.D. (1976). Automationsgerechte Rechtssetzung aus der Sicht der Datenverarbeitung. In: Rödig, J., Altmann, E., Baden, E., Kindermann, H., Motsch, R., Thieler-Mevissen, G. (eds) Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-52190-4_41
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