Zusammenfassung
Der Analyse des Konjunkturzyklus ist in der Volkswirtschaftslehre seit ihrer Entstehung als wissenschaftlicher Disziplin stets große Bedeutung zuerkannt worden1. Entsprechend umfangreich ist die heute zu diesem Gebiet existente Literatur und es erscheint nahezu unmöglich, sich angesichts der nach Tausenden zählenden Veröffentlichungen einen annähernd erschöpfenden Überblick über dieses Thema zu verschaffen. Im folgenden soll daher lediglich versucht werden, anhand einer selektiven und damit notwendigerweise unvollständigen Darstellung den Stand der modernen Konjunkturforschung, soweit er für diese Arbeit von Belang ist, zu umreißen.
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Literatur
Hillinger (1992) betont zu Recht, daß streng genommen der Begriff der “konjunkturellen Fluktuation” dem Begriff des “Konjunkturzyklus” vorzuziehen ist. Denn die Verwendung des Wortes “Zyklus” beinhaltet bereits ein Urteil über die Qualität des zu analysierenden Phänomens, indem offenbar periodische Regulariäten unterstellt werden. Diese Sichtweise ist jedoch sicherlich als zu eng einzuschätzen.
Diese Einschätzung aber ist falsch. Viele Autoren verstehen unter dem Begriff “business cycle” z. B. die Abweichungen des (saisonbereinigten) Bruttosozialprodukts von einem geeignet spezifizierten Trend, vgl. u. a. Greenwald und Stiglitz (1988). Dies steht im Widerspruch zur gängigen Terminologie des National Bureau of Economic Research (NBER), das in diesem Zusammenhang vom Wachstumszyklus (“growth cycle”) oder Abweichungszyklus (“ deviation cycle”) sprechen würde (vgl. Klein und Moore (1985), s. a. Zarnovitz (1985)).
Moore (1983, S. 4–5) rechtfertigt diese Unschärfe damit, daß es keine einzelne Indikatorvariable für die ökonomische Aktivität einer Nation gebe, die über einen “langen” historischen Zeitraum auf Quartals- oder Monatsbasis verfügbar, in ihrer Definition einheitlich und in der statistischen Erhebung hinreichend akkurat sei. Der Gebrauch der Formulierung “aggregierte ökonomische Aktivität” sei als Aufforderung zu verstehen, stets die “besten” verfügbaren Daten mit der gebotenen Sorgfalt zu verwenden.
So ist es z. B. vorstellbar, daß wichtige Sektoren einer Volkswirtschaft deutlich zeitversetzt in eine Krise und wieder aus ihr heraus geraten; dies kann eine starke Beeinträchtigung der aggregierten Produktion über den Gesamtzeitraum bewirken, ohne daß das Kriterium von Satz 2 der Definition erfüllt ist.
Die Analyse von Wachstumszyklen wurde wesentlich beflügelt durch die Studie von Mintz (1969) über zyklische Entwicklungen in der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Zur Chronologie von Wachstumszyklen in den USA s. a. Zarnovitz und Boschan (1977), im internationalen Vergleich s. Klein und Moore (1985).
Im ersten Fall wäre eine Fluktuation mit einer Periode von z. B. dreizehn Jahren ex definitione keine konjunkturelle Schwankung, im zweiten Fall würde die Definition lediglich eine Aussage beinhalten, daß man eine dreizehnjährige Fluktuation noch nicht beobachtet hat, ohne ihr notwendigerweise den Charakter einer Konjunkturschwankung abzusprechen.
Vgl. z. B. Hillinger und Sebold-Bender (1992), die den Konjunkturzyklus als eine Schwingung mit regelmäßiger Periodizität auffassen.
In der Tat scheinen Burns und Mitchell ihrer Definition des Konjunkturzyklus implizit saisonbereinigte Daten unterstellt zu haben, da eines seiner Konstitutiva darin besteht, daß er nicht in kürzere Zyklen mit ähnlich großer Amplitude zerlegt werden kann. Ganz sicher ist dies freilich nicht, denn es ist nicht auszuschließen, daß der “ähnliche Charakter” eines kürzeren Zyklus auch die Forderung beinhaltet, daß dieser kürzere Zyklus wie der Konjunkturzyklus eine Periode von mehr als einem Jahr hat.
Die Originalreferenz (Hodrick und Prescott, 1980) ist m. W. unveröffentlicht.
Vg1. die Diskussion des Frisch-Slutsky Ansatzes in Mullineux (1990, S. 19–29).
In der Literatur hat die Unterscheidung zwischen “antizipierten” und “nicht antizipierten” monetären Schocks schnell Fuß gefaßt und wird weithin verwandt. Ich übernehme deshalb diese Terminologie auch in der vorliegenden Arbeit, obwohl eine Trennung in “wahrgenommene” und “nicht wahrgenommene” Schocks sicherlich angemessener wäre, wie spätere Arbeiten z. B. von Barro und Hercovitz (1980) zu Recht hervorheben.
Es gibt allerdings auch etliche mit den Implikationen der NKM übereinstimmende empirische Untersuchungen, z. B. Barros (1977) Analyse US-amerikanischer Daten: Er stellt keine statistisch signifikanten Effekte antizipierter Geldmengenveränderungen fest. Unantizipierte Schocks jedoch beeinflussen die Arbeitslosenquote ungefähr drei Jahre lang, mit der Hauptwirkung im zweiten Jahr. Ähnliche Resultate liefern auch die Studien von Wogin (1980) für Kanada, Hanson (1980) für lateinamerikanische Staaten und Attfield, Demery und Duck (1981a, 1981b) für Großbritannien. Auch spätere Querschnittsstudien von Attfield und Duck (1983) und von Kormendi und Meguire (1984), belegen im wesentlichen die Vereinbarkeit empirischer Evidenz mit den Implikationen der monetären Gleichgewichtsmodelle.
Die meisten Schätzungen der Substitutionselastizität liegen deutlich niedriger als 1.0. Lediglich die m. W. historisch erste derartige Studie von Lucas und Rapping (1969), die noch unter der Annahme adaptiver Erwartungen entstand, erzielte eine kurzfristige Angebotselastizität in der Größenordnung von 1.4.
Eine Vorläuferarbeit zu Kydland und Prescott (1982) stellt Kydland und Prescott (1980) dar. Ein weiteres frühes, wenn auch formal wenig ausgearbeitetes Papier zu realen Gleichgewichtsmodellen stammt von Black (1982).
Dabei scheuen Kydland und Prescott nicht vor der absonderlichen Annahme, daß neben Arbeit, Kapital und dem Stand des technologischen Wissens auch die Lagerbestände als Produktionsfaktor aufzufassen seien.
Die Lösung des Long-Plosser-Modells mit einer über mehrere Perioden währenden, nahezu beliebigen Wertminderung des Kapitalbestandes habe ich in Lucke (1997) abgeleitet.
Die Auswertung weithin anerkannter statistischer und ökonometrischer Studien wie z. B. für den amerikanischen Bereich Mitchell (1951), Friedman und Schwartz (1963), Sargent und Sims (1977), oder Stock und Watson (1990) gab Anlaß zu der Idee, einen Kanon unkontroverser sog. “stylized facts” über das konjunkturelle Zusammenwirken wichtiger makroökonomischer Aggregate zu etablieren, der (z. B. in der Intention von Lucas (1977)) die allen Konjunkturzyklen gemeinsamen Charakteristika reflektieren sollte — im internationalen wie im zeitlichen Querschnitt. Häufig wird der Erfolg von RBC-Modellen danach beurteilt, wie gut die Modellvariablen bestimmte stylized facts wiedergeben können. Im internationalen Vergleich stellt sich freilich heraus, daß die stilisierten Fakten konjunktureller Fluktuationen keineswegs einheitlich sind, vgl. Danthine und Donaldson (1993) und van Els (1995).
Dies hängt wesentlich mit der realitätsnahen Annahme zusammen, daß der Kapitalstock nicht wie bei Long und Plosser innerhalb einer Periode vollständig abgeschrieben wird.
Diese Entwicklung geht auf eine Anregung von Becker (1988) zurück.
Eine “Cash-in-Advance”-Restriktion nimmt zwangsläufig Abstand von der Annahme perfekter Kapitalmärkte.
Eine Vorläufer-Arbeit ist Finn (1990).
Zunehmende Skalenerträge werden traditionell in Modellen mit unvollständigem Wettbewerb betrachtet. Ihre Integration in RBC-Modelle führt daher erneut zu einer Annäherung zwischen RBC-Theorien und neu-keynesianischen Ansätzen wie z. B. Rotemberg und Woodford (1992). Rotemberg und Woodford (1995) zeigen, daß ein dynamisches allgemeines Gleichgewichtsmodell mit unvollständigem Wettbewerb multiple Gleichgewichte besitzt und daher ebenso zu sunspot-Fluktuationen führen kann wie die hier beschriebenen RBC-Modelle mit Produktionsexternalitäten.
Eine kritische Einschätzung des empirischen Erfolgs von Effizienzlohntheorien in RBC-Modellen erfolgte kürzlich durch Uhlig und Xu (1996).
Da es in diesen Modellen kein Grenzleid der Arbeit gibt, kann es in ihnen auch keine freiwillige Arbeitslosigkeit geben. Arbeitslosigkeit ist stets unfreiwillig — in deutlichem Kontrast zur RBC-Orthodoxie.
Monopolistischer Wettbewerb und nominale oder reale Rigiditäten sind die typischen neu-keynesianischen Elemente, mit denen aufbauend auf Danthine und Donaldsons Arbeiten nicht-walrasianische Modelle konstruiert werden. In diesen Zusammenhang gehören z. B. die Papiere von Cho und Cooley (1992), Burnside, Eichenbaum und Rebelo (1993), Hairault und Portier (1993, 1995), Fairise und Langot (1994), Fairise (1994, 1995) sowie Langot (1995).
Es ist eine interessante Frage, ob nicht auch andere Variationen des prototypischen RBC-Modells aus Modifikationen des Solow-Modells abgeleitet werden können. Beispielsweise existiert ein auf Tobin (1965) zurückgehendes neoklassisches monetäres Wachstumsmodell, das erstaunlicherweise bei der Entwicklung der monetären RBC-Modelle unbeachtet blieb. Für diese und weitere monetäre Wachstumsmodelle vergleiche man u. a. Chiarella und Flaschel (1994). Diese Autoren gehen auch ausführlich auf nicht-walrasianische Mechanismen ein, allerdings in einem durchweg nicht mikrofundierten und nicht rationalitätskompatiblen Ansatz.
Präzise: Mit Wahrscheinlichkeit Eins.
Zum Begriff der Hysterese und ihrer empirischen Behandlung für die Bundesrepublik Deutschland vergleiche man z. B. Franz (1992a) und Funke (1991).
Ein einfaches Indiz für die Unzulänglichkeit der Standardmethoden ist auch die verwirrend hohe Zahl von Erfolgsmeldungen, die bei den unterschiedlichsten Erweiterungen des prototypischen RBC-Modells in der Literatur zu verzeichnen sind.
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© 1998 Physica-Verlag Heidelberg
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Lucke, B. (1998). Einleitung. In: Theorie und Empirie realer Konjunkturzyklen. Studies in Contemporary Economics. Physica, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-52081-5_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-52081-5_1
Publisher Name: Physica, Heidelberg
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